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Ganz ohne Leiden: Tadej Pogačar erfüllt seinen Giro-Plan
Sloweniens Radstar richtet seinen Blick nach dem Sieg bei der Italienrundfahrt direkt auf Teil zwei des seltenen Doubles
Tadej Pogačar hat den ersten Teil seines Mammut-Projekts mit Bravour erfüllt. In diesem Jahr will der Radprofi Giro und Tour gewinnen, danach beim Olympiarennen in Paris brillieren und sich schließlich noch das Regenbogentrikot des Weltmeisters anziehen. Das sind Ziele, für die es sich zu leiden lohnt.
Beim Giro d’Italia allerdings geriet der Slowene kaum einmal in seine persönliche Leidenszone. Zu schwach war dafür die Konkurrenz. Um knapp zehn Minuten distanzierte er den Gesamtzweiten Daniel Martinez aus Kolumbien, mehr als diese selten erreichte Marke hatte der britische Drittplatzierte Geraint Thomas schon Rückstand. Den beiden gelang auch kein einziger Etappensieg. Pogačar räumte in den Bergen fast alles ab, gewann dort fünfmal. Nur wenn er mal zu spät antrat – wie im Falle des Etappensiegs des Allgäuers Georg Steinhauser – oder aus taktischen Gründen eine Ausreißergruppe gewähren ließ, holte er nicht den Tageserfolg. Im Zeitfahren konnte ihm lediglich Ex-Weltmeister Filippo Ganna das Wasser reichen. Einmal gewann der Italiener vor dem Slowenen, einmal war es andersherum.
»Dieser Giro hat Spaß gemacht. Es gab viele sehr schöne Momente. Erst später werde ich wohl herausfinden, welche die schönsten waren«, meinte der Sieger im Ziel in Rom. Nun gut, man kann ihm auf die Sprünge helfen. Historisch war schon sein erster Etappensieg am Santuario di Oropa. Es handelte sich um eine Art Re-Enactment des historischen Erfolgs des längst verstorbene Marco Pantani vor einem Vierteljahrhundert. Wie der »Pirat« war Pogačar am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt ausgebremst worden, kämpfte sich jedoch zurück und gewann die Etappe noch.
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Famos auch seine Solofahrt auf der Königsetappe nach Livigno, als sich der 25-Jährige 14 Kilometer vor dem Ziel spielend leicht aus der Gruppe der Favoriten löste und einen Ausreißer nach dem anderen einfing. In der letzten Woche ließ er sich dann weder von Wetterturbulenzen noch vom Unmut der Berufskollegen über die Rennorganisatoren beeindrucken und gewann die verkürzte 16. Etappe ebenfalls souverän. »Es war kalt, es waren keine guten Bedingungen. Aber ich war froh, als das Rennen endlich losging«, lautete seine Sicht auf die Dinge.
Den Vogel schoss er dann auf der vorletzten Etappe ab. Wieder entschloss er sich zur Solofahrt, wieder gewann er. »Der Sieg war gar nicht so notwendig. Ich wollte den Giro einfach mit einem guten Gefühl und guten Beinen beenden. Ich denke, ich bin gut gerüstet für den Sommer«, erklärte er – und schlug zugleich den Bogen zum zweiten großen Ziel, der Tour de France.
Dort würde er bereits zum dritten Mal triumphieren; der Premierensieg beim Giro stellte dafür eine Art Testlauf dar, auch wenn er selbstverständlich mehr als nur ein Vorbereitungsrennen war. Aber Pogačar konnte hier seine guten Trainingseindrücke unter Wettkampfbedingungen bestätigen: Die neuen Einstellungen am Zeitfahrrad stimmten. Die langen Soloritte in den Bergen zeigten, dass das Ausdauertraining mit besonderem Fokus auf die Widerstandskraft anschlug. Nur in Sachen Explosivität musste Pogačar Einbußen hinnehmen. Sehr kleine. Auf der ersten Etappe überspurteten ihn der Ecuadorianer Jhonatan Narvaez und der Berliner Maximilian Schachmann. Der Slowene konnte dies verschmerzen. Denn die wichtigsten Wegmarken wurden erreicht.
Im Schatten des Überfliegers aus Slowenien setzten sich auch einige deutsche Profis in Szene. Debütant Steinhauser überzeugte nicht nur mit seinem Tagessieg. Zwei weitere Podestplätze holte er bei weiteren Ausreißversuchen auf schweren Bergetappen. Oldie Simon Geschke ließ sich erst auf den fast aussichtslosen Kampf um das Bergtrikot mit Pogačar ein. Später konzentrierte er sich aufs Gesamtklassement und erreichte dort mit Platz 14 das beste Grand-Tour-Ergebnis seiner gesamten Karriere. Maximilian Schachmann ist nach seiner langen Krankheitsphase wieder ganz der Alte. Beim Giro konnte er für sich in Anspruch nehmen, im Sprint schneller als Pogačar gewesen zu sein. Und der leider durch Erkrankung früh ausgeschiedene Florian Lipowitz ließ als Helfer des Gesamtzweiten Martinez wenigstens kurz sein herausragendes Klettertalent aufblitzen.
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