So viel Heiligkeit in der Staatskanzlei

Potsdamer Feierstunde zum 20. Jahrestag des Abkommens mit dem Vatikan

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass ein päpstlicher Nuntius, also der Gesandte des Papstes in Deutschland, die brandenburgische Hymne zitiert, erlebt die Potsdamer Staatskanzlei wirklich nicht alle Tage. »Steige hoch, du roter Adler, hoch über Sumpf und Sand«, sagte Erzbischof Nikola Eterović am Dienstagabend im festlich erleuchteten Brandenburg-Saal. Nein, gesungen hat er es nicht. Anlass der Feierstunde: Vor 20 Jahren schloss Brandenburg einen Staatsvertrag mit dem Heiligen Stuhl in Rom ab.

Es habe zu wenig Beachtung gefunden, was die Kirchen, »vor allem die Katholische Kirche«, in den vergangenen Jahrzehnten leisteten, meinte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der evangelischen Glaubens ist. Er gestand den Kirchen zu, die »Hauptrolle« bei der Formulierung von Werten zu spielen. Es sei »immer mal wieder umstritten, inwieweit die Kirche sich politisch äußern sollte«, sagte Woidke. Er dankte dafür, dass die Kirche nicht nur zu ehrenamtlicher Tätigkeit inspiriere, sondern auch »die Stimme erhebt und Farbe bekennt, wenn es um unsere Demokratie geht«.

Er sei froh, dass in Deutschland internationale Verträge mit Respekt eingehalten werden, freute sich der Nuntius. In Berlin und Brandenburg war die katholische Kirche aus historischen Gründen jahrhundertelang vergleichsweise schwach. Hier hatte im 16. Jahrhundert die Reformation gesiegt. Doch durch den Regierungsumzug 1998 von Bonn nach Berlin kamen Beamte aus dem katholischen Rheinland, die sich im Speckgürtel der Hauptstadt niederließen. Erzbischof Heiner Koch verwies außerdem auch auf die eingewanderten Polen.

»Pacta sunt servanda« (Verträge gelten), betonte Bischof Wolfgang Ipolt. Wo Staaten solche Verträge in ihren Parlamenten ratifizieren und damit in Kraft setzen, genügt beim Vatikan die Unterschrift des Papstes. Der Vatikan ist die einzige anerkannte Diktatur Europas. Am 25. Mai 2004 hatte der Papst unterschrieben und damit ein zehnjähriges Tauziehen beendet. Lange gerungen wurde um staatliche Zahlungen und die Ausgestaltung des katholischen Religionsunterrichts – offenbar nicht zum Schaden Roms.

»Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit in den letzten 20 Jahren«, sagte Bischof Ipolt. Im Geiste der Evangelien wolle man einen Beitrag zum Gelingen »einer guten demokratischen Gesellschaft« leisten. Professor Andreas Lob-Hüdepohl vom deutschen Ethikrat setzte danach zu einem Vortrag an, den er unter das Motto stellte: »Vertrauen – was die Gesellschaft zusammenhält«. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie genießen demnach in der Bevölkerung als Wohlfahrtsverbände Vertrauen, nicht immer die Kirchen als solche. Das führte Lob-Hüdepohl unter anderem auf den »Doppelskandal sexualisierter Gewalt und ihrer systematischen Vertuschung« zurück. Gleichwohl unterstrich der Professor: »Darin erschöpft sich kirchliches Leben nicht.« Katholischer Religionsunterricht findet in Brandenburg nicht flächendeckend statt, doch in einer »herausfordernden und interessanten Form«, betonte der Redner.

Die strikte Trennung von Kirche und Staat, die zu DDR-Zeiten bestand, wurde durch die Wende beendet. Die Kirchen konnten nun wieder mehr fordern und auch bekommen. Der vor 20 Jahren besiegelte Vertrag markiert letztlich eine Niederlage des Staates, denn nach 1990 hatte die Landesregierung die Schüler nicht in »Heiden« und »Christen« gespaltet, sondern alle im Fach »Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde« (LER) unterrichten lassen wollen. Doch dem verweigerte sich erst die katholische, später auch die protestantische Kirche. LER ist heute ein Wahlpflichtfach wie in anderen Bundesländern Ethik.

Vor 20 Jahren hatte der PDS-Landtagsabgeordnete Heinz Vietze kritisch angemerkt: »Niemand kann sich heute der staatlichen Zuschüsse so sicher sein wie die Kirchen.« Brandenburg hatte sich zur Zahlung von einer Million Euro jährlich an die katholische Kirche verpflichtet.

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