Stadtentwicklung: Grüner Kiez Pankow will die Scheidung

Im Schlossparkkiez im Berliner Stadtteil Pankow suchen Anwohner nach Genossenschaften für schonende Stadtentwicklung

Wenn sie nicht abgesperrt sind, werden die Freiflächen im Schlossparkkiez für Konzerte, Nachbarschaftstreffen oder Lesungen genutzt.
Wenn sie nicht abgesperrt sind, werden die Freiflächen im Schlossparkkiez für Konzerte, Nachbarschaftstreffen oder Lesungen genutzt.

Bauen oder Stillstand, Naturschutz oder Betonwüsten – die Diskussionen um die weitere Stadtentwicklung Berlins wird oft in polemischen Gegensätzen verhandelt. Mit ihren Vorschlägen, die diese scheinbaren Widersprüche überwinden wollen, kein Gehör zu finden – davon hat die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow genug. »Wir sind auf der Suche nach einem neuen Partner«, sagt Britta Krehl. »Wir wollen die Scheidung.«

Am Pankower Schlosspark planen Senat und das landeseigene Wohnungsunternehmen Gesobau den Bau von zwei Unterkünften mit 99 Wohnungen für 422 Geflüchtete in den grünen Innenhöfen der Anlage. Dafür sollen 66 Bäume gerodet werden und ein Spielplatz weichen. Aktuell ist der Hof mit Bauzäunen abgesperrt, laut Grüner Kiez Pankow bewacht durch ein Sicherheitsunternehmen. Anwohner*innen aus der Bürgerinitiative haben einen Alternativvorschlag: Anstatt 99 Wohnungen sollen 70 entstehen, anstatt 66 Bäume sollen 14 gefällt werden.

Auf einem Pressegespräch in Pankow am Dienstag werden die Pläne vergleichend an die Wand projiziert. Die Pläne der Gesobau mit zwei massiven Riegeln in L-Form sind in Rot auf einer Karte eingezeichnet, die Vorstellung der Initiativen, ein langes Gebäude und ein kleineres, quaderförmiges in Grün.

Mit dem Vorschlag ist die Initiative nicht alleine. Der Bezirk Pankow hatte vor drei Jahren einen Bebauungsplan aufgestellt, für dessen Umsetzung die Aktivist*innen jetzt kämpfen. Vor einem Jahr aber hat der Senat mittels Sonderbaurecht für Geflüchtetenunterkünfte die aktuellen Pläne aufgestellt. Cornelius Bechtler (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Pankow, steht trotzdem hinter dem bezirklichen Vorschlag: »Der Bezirk Pankow ist weiterhin der Überzeugung, dass eine schonende Nachverdichtung in klimaneutraler Bauweise mit Erhalt des Baumbestands sowie der Grün- und Spielflächen vor Ort möglich ist«, teilt er in einer Presseerklärung mit.

Die Bürgerinitiative hat unermüdlich nach Gesprächen gesucht. Seit Oktober 2023 hat sie fünf Runde Tische organisiert. Aber Senat und Gesobau hätten alle Einladungen ausgeschlagen, so die Initiative in einer Pressemitteilung. Jetzt wollen sie neue Partner heranziehen. »Wir suchen für unser Vorhaben Verbündete wie Genossenschaften oder Stiftungen«, so die Initiative. Wie genau die neue Partnerschaft aussehen soll, ist noch nicht ganz klar. Britta Krehl sagt, man könne sich eine Selbstverwaltungsgenossenschaft vorstellen, im Besitz der Gesobau aber »von uns selbst verwaltet«.

Wenn es nach der Initiative geht, könnte im Pankower Schlossparkkiez ein Modellprojekt entstehen, in dem Klimaanpassung, Naturschutz und gesunde Wohn- und Lebensbedingungen städtebaulich umgesetzt werden. Die Befürchtung ist, dass mit den Senatsplänen wichtiger Raum verloren geht. »Es geht ja auch um Integration von Geflüchteten«, sagt Grit Bürgow vom Runden Tisch »Kiez macht Klima und integriert!«. Man dürfe nicht einfach nur Klötze in den Hof stellen. »Und dann bleibt gar kein Raum, wo man sich begegnen kann.«

Auch in Bezug auf Naturschutz werden Argumente für eine schonende Bebauung genannt. »Es geht hier nicht um eine läppische Vogelhecke«, sagt Caroline Seige von der AG Naturschutz der Naturfreunde. In den Höfen fänden sich 25 verschiedene Vogelarten, die die alten Bäume mit Höhlenpotenzial im Hof als Habitat brauchen, so Seige. Diese urbane biologische Vielfalt gelte es zu schützen. Sie ist sich sicher: »Man kann Artenschutz gut mitplanen.«

Seige betont, dass ein Erhalt des Stadtgrüns nicht nur den Vögeln im Kiez zugute kommt. »Es ist ja nachgewiesen, dass es auch um Gesundheit geht.« Studien würden zeigen, dass die Lebenserwartung vom Zugang zum Grün abhänge. Im Kiez würden vor allem normal verdienende Leute wohnen, die teilweise auch nicht mehr so mobil seien. »Die Leute sind darauf angewiesen, dass sie wohnungsnahen Zugang zu Grünflächen haben«, sagt Seige.

Britta Krehl weist auch darauf hin, dass in Wohnanlagen, die in den 1950er und 1960er Jahren mit niedrigen Deckenhöhen gebaut wurden, Außenflächen mit dazu gehören. »Wenn man da planlos nachverdichtet, dann sind keine gesunden Wohnverhältnisse möglich.« Ein grundsätzliches Problem, das vor allem den Ostteil der Stadt betrifft, denn auch die Plattenbauten der Ostmoderne wurden unter Einbezug der Freiflächen drumherum gebaut.

Auch wenn die Initiativen sich auf die Suche nach neuen Partnern begeben will, haben sie die Hoffnung auf Gespräche nicht ganz verloren. »Wir würden uns freuen, wenn die Gesobau und der Senat sich gesprächsbereit zeigen würden«, so Krehl. Das sei bisher nicht passiert. Ob mit Senat und Gesobau oder neuem Partner, das Ziel bleibe gleich: »Wir fordern eine gemeinsame, nachhaltige und weniger zerstörerische Weiterentwicklung des Grünen Kiezes Pankow.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.