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Massiver Rechtsruck in Ost-Kommunen
AfD stärkste Kraft in vielen Städten und Kreisen. Linke erlebt Debakel – mit oder ohne Konkurrenz von BSW
In manchen ostdeutschen Kommunen wurde die AfD von ihrem eigenen Erfolg überrascht. In Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern bot sie lediglich einen Bewerber für den Stadtrat auf, gewann bei der Kommunalwahl am Sonntag aber vier Sitze, von denen nun drei unbesetzt bleiben. In den Kreistagen kann sie indes nach eigenen Angaben alle Mandate wahrnehmen – und das, obwohl es nach dem »Wahlbeben«, von dem Landeschef Leif-Erik Holm sprach, sehr, sehr viele sind. Die AfD wurde bei der Kommunalwahl in dem Bundesland mit 25,6 Prozent stärkste Kraft vor der CDU und errang 136 Sitze. In drei der sechs Kreistage stellt sie künftig die größte Fraktion. Gleiches gilt für die Stadträte von Rostock und Schwerin.
Der Norden ist keine Ausnahme. Vielmehr vollzog sich bei der Wahl auf kommunaler Ebene in Ostdeutschland ein Rechtsruck. In Sachsen-Anhalt holte die AfD landesweit 28,1 Prozent und gewann 186 Mandate. Sie verbesserte sich gegenüber 2019 um über 11 Prozentpunkte und lag anderthalb Punkte vor der CDU. Die jeweils größte Fraktion stellt die AfD künftig in sechs der elf Kreistage sowie den Stadträten von Halle und Dessau-Roßlau.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
In Sachsen gab es mit Görlitz und Bautzen bereits 2019 zwei Kreistage, in denen die AfD die Nase vorn hatte. Dort hat die Partei, deren Landesverband vom Verfassungsschutz seit 2023 als rechtsextrem eingestuft wird, ihren Vorsprung am Sonntag stark ausbauen können. In Görlitz lag sie mit 35,6 Prozent 12 Punkte vor der CDU, in Bautzen, wo 35,1 Prozent der Wähler für die AfD stimmten, waren es 8 Punkte. Insgesamt blieb die einstmals auf kommunaler Ebene dominierende sächsische CDU nur in einem Kreistag, dem in Zwickau, vor der Konkurrenz von rechts außen.
Zu den großen Verlierern des Wahlsonntags zählt Die Linke. Die Partei, die einst viel Stärke und Selbstvertrauen aus ihrer kommunalen Verankerung zog, büßte fast flächendeckend erheblichen Wählerzuspruch ein, und zwar unabhängig davon, ob das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) antrat oder nicht. Zwar klammerte man sich bei der Wahlanalyse an »kleine Strohhalme«, wie Sachsens Linke-Landesgeschäftsführer Lars Kleba formulierte. In Leipzig etwa sind die Genossen nicht mehr stärkste Kraft im Stadtrat, liegen jedoch nach eher moderaten Verlusten mit 17,5 Prozent immer noch vor Grünen und SPD. Insgesamt aber, räumte Kleba ein, sei man »sehr enttäuscht«.
In Mecklenburg-Vorpommern gab es einen Lichtblick in Rostock, wo Die Linke mit 14,4 Prozent vor SPD und Grünen lag. Gleiches gilt für Halle in Sachsen-Anhalt, wo die Partei mit 12,4 Prozent als drittstärkste Kraft hinter AfD und CDU rangiert. Insgesamt aber konstatierten die Landeschefs Janina Böttger und Hendrik Lange, man werde die politischen Aufgaben ab sofort »mit deutlich weniger Mandaten und unter problematischen Mehrheitsverhältnissen bewältigen« müssen.
Konkret heißt das: In Sachsen-Anhalt, wo Die Linke landesweit um 6,7 Punkte auf 8,3 Prozent einbrach, verliert sie fast die Hälfte ihrer bisher 108 Mandate und stellt in Kreistagen und den Stadträten der kreisfreien Städte künftig noch 55 Abgeordnete.
In Mecklenburg-Vorpommern, wo sich das landesweite Ergebnis der Partei mit einem Absturz von 16,3 Prozent auf 8,8 Prozent der Stimmen ebenfalls beinahe halbierte, sind es 47 Abgeordnete. In Sachsen, wo am Montagnachmittag in einzelnen Gemeinden noch ausgezählt wurde, gab es Landkreise wie Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, für die auf der Webseite des Landeswahlleiters zwar die Wahlergebnisse der SPD (3,9 Prozent) und einer Wählervereinigung namens Konservative Mitte (4,4 Prozent) ausgewiesen wurden, das der Linken aber unter »Sonstige« subsumiert war.
In Dresden rangiert die Partei mit 7,7 Prozent noch hinter einer erst vor wenigen Wochen gegründeten Wählervereinigung des Ex-FDP-Landeschefs Holger Zastrow, der aus dem Stand auf 8,1 Prozent und sechs Ratsmandate kam. In Chemnitz stellt Die Linke künftig nur noch fünf Ratsmitglieder, die AfD dagegen hat 15 Abgeordnete – und das BSW acht.
In Chemnitz erreichte die Wagenknecht-Partei mit 15 Prozent ein besonders eindrückliches Ergebnis. Auch in den Landkreisen Vogtland, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Görlitz und Meißen gab es zweistellige Ergebnisse. Insgesamt ist die neue Partei in acht der zehn Kreistage vertreten. Bei der Wahl des Stadtrates in Leipzig erzielte sie 9,6 Prozent.
In Mecklenburg-Vorpommern trat das BSW bei drei Kreistagswahlen an und erreichte zwischen 9,1 Prozent in Ludwigslust-Parchim und 14,1 Prozent im Kreis Mecklenburgische Seenplatte. Im Stadtrat Rostock kam sie auf 9,4 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern wie in Sachsen lagen die Ergebnisse der Linken dort, wo das BSW antrat, mehr oder weniger deutlich unter dem landesweiten Schnitt der Partei. Sachsens Linke-Landeschef Stefan Hartmann sagte, das BSW habe sein Ziel verfehlt, den Zuspruch für die AfD zu verringern: »Stattdessen wurden die Kräfte für sozialen Zusammenhalt geschwächt.«
Die Kommunalwahl in Sachsen galt auch als Stimmungstest für die Landtagswahl am 1. September. Für die AfD sprach Landeschef Jörg Urban von einem »sehr, sehr guten Signal« für die Abstimmung in knapp drei Monaten. Er verwies auch auf die Europawahl, bei der seine Partei in Sachsen 10 Punkte vor der CDU lag. 2019 hatte sie die Abstimmung zum Brüsseler Parlament mit 3 Punkten Vorsprung gewonnen, wurde bei der Landtagswahl aber von der CDU geschlagen. Deren Generalsekretär Alexander Dierks bekräftigte das Ziel, stärkste Kraft im Freistaat zu bleiben und eine »bürgerlich-konservative Regierung« anzuführen.
SPD-Landeschef Henning Homann dagegen mahnte, es gehe nicht darum, wer Erster werde, sondern ob in Sachsen nach der Landtagswahl überhaupt eine »stabile Regierung« gebildet werden könne. Grünen-Landeschefin Marie Müser warnte: »Die demokratische Regierbarkeit Sachsens steht auf dem Spiel.«
Für Die Linke stellt sich nach der Kommunalwahl die Frage, ob sie es überhaupt in den Landtag schafft. Landeschef Hartmann gab sich kämpferisch. Das Europawahlergebnis von 4,9 Prozent im Freistaat zeige, dass die Aufgabe »lösbar, aber herausfordernd« sei. Man werde sich »natürlich nicht« auf einen Wahlkampf um zwei Direktmandate in Leipzig konzentrieren, was ebenfalls den Weg in den Landtag ebnen würde. In einem Wahlkreis zumindest stehen die Chancen nicht schlecht. Juliane Nagel, die in Leipzig bereits zweimal direkt in den Landtag einzog, erzielte bei der Stadtratswahl mit fast 19 000 Stimmen das mit Abstand beste Einzelergebnis.
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