• Sport
  • uNEIDed by football

Vlogger anstelle normaler Fans im Stadion

Influencer scheinen, bevorzugt Plätze in EM-Stadien zu bekommen, während viele Menschen leer ausgingen

Statt Kinder bringen derzeit immer mehr EM-Besucher ihre eigenen Kameras für den Vlog mit ins Stadion.
Statt Kinder bringen derzeit immer mehr EM-Besucher ihre eigenen Kameras für den Vlog mit ins Stadion.

Neid soll ja ungesund sein. Gibt es dagegen schon ein Heilmittel? Hätte ich in den Psychologie-Kursen meines Studiums doch mal besser aufgepasst. Egal, ich versuche es mal damit, den Neid rauszulassen. Hier kommt er also, mein erster Rant dieser EM.

Kennen Sie den Youtuber ViscaBarca? Er ist Stadionvlogger, also ein Fan, der sich selbst beim Besuch eines Fußballspiels filmt: samt Vorbereitungen, Tipp abgeben und natürlich jubeln oder leiden, je nach Ausgang der Partie. ViscaBarca ist deutscher Anhänger des FC Barcelona. Das erste Video, das ich von ihm sah, war jenes über Zigtausende Fans von Eintracht Frankfurt, die das Camp Nou übernahmen und seinen geliebten Klub aus der Europa League rauswarfen. Fand ich gut. Das Video auch. Sehr authentisch wirkende Fan-Experience.

Zuletzt war er bei allen wichtigen Europapokalspielen in London, Paris, Dublin, Madrid, Dortmund, München, Rom. So langsam fragte ich mich: Wie finanziert der das überhaupt? Herr Neid klopfte aber erst zu EM-Beginn an meine Seelentür. Da betritt der Vlogger beim Auftaktspiel die Münchner Arena und begrüßt gleich mal vier andere Influencer. Moment mal, dachte ich: Die sitzen alle ganz zufällig in einem Block, ganz nah am Spielfeldrand? Und was sagt er da? Er wird zu 18 EM-Spielen fahren? Mir und meiner Familie hätte eins gereicht. Ich bewarb mich auf Ticketportalen, harrte stundenlang in Warteschlangen aus. Brachte alles nichts.

Hier läuft doch was schief. Wie kann es sein, dass Influencer an so viele Karten kommen und ich an keine einizige? Vielleicht ja, weil ich keine eigenen Fans habe – Entschuldigung: Follower. Bezahlen muss ViscaBarca die Tickets wohl auch nicht. Nach der WM 2022 sagte er mal in einem Interview, dass er nicht wie viele Kollegen nach Katar gereist sei, obwohl auch er »einen Riesendeal von der Fifa« angeboten bekommen habe. Auch Europas Fußballverband Uefa will nun möglichst viel Jubelei über sein Turnier in den sozialen Medien sehen. Und da kommen Influencer gerade recht. Von denen stellen gerade Dutzende, vielleicht sogar Hunderte ihre Vlogs und Reels ins Netz, aus vielen Ländern dieser Welt.

Am Ende des Videos bringt der Kollege das Fass dann zum Überlaufen. Er bedankt sich wie üblich bei all jenen, die millionenfach seine Videos anschauen. Ohne sie wäre all das nicht möglich. Oh no, you didn’t! Jetzt bin ich auch noch schuld daran, dass du meinen Platz im Stadion bekommen hast. Ist das nicht victim shaming?

Eigentlich hab ich gar nichts gegen Anton Rinas. So heißt der im Grunde ja sehr nette Youtuber außerhalb der sozialen Medien. Er hatte selbst jahrelang extreme Finanzprobleme und scheint sich rausgekämpft zu haben. Respekt dafür! Aber bitte, liebe Uefa, liebe Fifa, lasst doch bitte wieder mehr normale Fans in die Turnierstadien! Auch die ganz ohne eigenen Kanal. Ein Spiel pro Vlogger muss doch reichen, und ich würde für die freiwerdenden Plätze sogar einen angemessenen Preis bezahlen. Das wäre doch mal ein Riesendeal.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und Rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal