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»Landraub« für Solar- und Windkraft
Der Ausbau der erneuerbaren Energien führt in Brasilien zu hohem Flächenverbrauch
Noch immer sind Photovoltaikanlagen auf Hausdächern in Brasilien eine Seltenheit. Das südamerikanische Land setzt auf große Solarkraftwerke und auf Windparks, vor allem im ländlichen Nordosten. Doch der beträchtliche Flächenbedarf könnte gravierende sozial-ökologische Auswirkungen mit sich bringen, wie aus einer im Fachblatt »Nature Sustainability« veröffentlichten Studie mit dem Titel »Large-scale green grabbing for wind and solar photovoltaic development in Brazil« hervorgeht. Erstellt wurde die Untersuchung von Forschern der Universität für Bodenkultur in Wien und des University College London.
»Die kapitalintensive, großflächige Aneignung und Privatisierung von Land und Ressourcen wird in Brasilien meist mit Rinderzucht und Sojaanbau in Amazonien in Verbindung gebracht. Wir haben ähnliche ›Land-grabbing‹ - Prozesse für Wind- und Solarenergie identifiziert und globale Daten zu Investitionen und Eigentumsverhältnissen in die Analyse mit einbezogen«, erläutert Studienmitautor Michael Klingler aus Wien. Besonders betroffen seien kleinbäuerliche, indigene und traditionelle Gemeinschaften, die dieses Land historisch nutzten, deren Landbesitz aber aufgrund fehlender Rechtssicherheit häufig nicht anerkannt werde. Die stark steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energien in Brasilien, gerade auch zur Herstellung von grünem Wasserstoff, verschärfe den Wettbewerb um Land und erhöhe die Landkonzentration zugunsten lokaler Eliten und transnationaler Unternehmen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen zudem, dass globale Investoren Hauptakteure des Erneuerbaren-Sektors in Brasilien sind. Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2021 waren sie an 78 Prozent der 2148 Quadratkilometer in Anspruch nehmenden Windparks und an 96 Prozent der bis dahin insgesamt 102 Quadratkilometer großen Solarparks direkt oder indirekt beteiligt. Auf dem Papier seien 89 Prozent der Windparks zwar im Besitz brasilianischer Unternehmen, doch diese gehörten zu mehr als zwei Dritteln ausländischen Muttergesellschaften. Europäische Unternehmen wie Enel S.p.A. aus Italien und Engie SA aus Frankreich sind demnach an der Hälfte beteiligt. Bei den Solarparks liegt die internationale Beteiligung sogar noch etwas höher. Allein das italienische Unternehmen Enel Green Power S.p.A. mischt bei 30 Prozent der Photovoltaikfläche mit.
Dabei errichteten die Energieunternehmen laut der Untersuchung rund 35 Prozent der Wind- und Solarparks an Orten ohne Landtitel. Sieben Prozent sind öffentliche, zuvor von der lokalen Bevölkerung gemeinschaftlich genutzte Gebiete. Mit Brasiliens Ambitionen, die Produktion von grünem Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und Gasen für den Export zu steigern, werde sich der Druck auf den Wettbewerb um Land weiter verstärken, befürchten die Wissenschaftler.
»Ein Mitglied einer traditionellen Gemeinschaft im Nordosten Brasiliens hat das in einem Workshop so formuliert: ›saubere Energien mit schmutzigen Methoden‹«, erläutert Ko-Autor Johannes Schmidt. »Weil europäische Firmen so stark in die brasilianische erneuerbare Energieproduktion involviert sind und weil Brasilien Ambitionen hat, grünen Wasserstoff nach Europa zu verschiffen, betreffen die ›schmutzigen Methoden‹ uns hier in Europa ebenfalls.«
Eine weitere Studie, durchgeführt von Map-Biomas, einem Netzwerk aus Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Technologieunternehmen, beklagt zudem die dramatisch ansteigende Abholzung für Solar- und Windkraftprojekte in Brasilien. So rodeten die Energieunternehmen zwischen 2020 und 2023 insgesamt 9400 Hektar, fast die Hälfte davon alleine im vergangenen Jahr. Hauptsächlich betroffen davon ist der artenreiche und nur im Nordosten Brasiliens vorkommende Caatinga-Wald. Es sei »völliger Unsinn«, Wälder für Solarkraft abzuholzen, kommentiert der Generalkoordinator von Map-Biomas, Tasso Azevedo.
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