Wider die betriebliche Diktatur

Weg von der Symptombekämpfung gegen rechts, hin zu Strukturen der Mitbestimmung und der Selbstverwaltung

  • Thomas Bollwein
  • Lesedauer: 5 Min.
Nichts gegen Symptombekämpfung – aber auf Dauer gibt es Wirksameres.
Nichts gegen Symptombekämpfung – aber auf Dauer gibt es Wirksameres.

Rechtsextremismus, das ist kein Randphänomen, sondern betrifft alle Bereiche der Gesellschaft – sei es persönlich, im Betrieb, im Netz oder als Zivilgesellschaft. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, was Rechtsextremismus ist, wie er zu erkennen ist und was wir dagegen tun können. Dabei dürfen wir uns nicht allein auf rechte Parteien konzentrieren, deren Erfolg nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Vielmehr gilt es, der Ursache auf den Grund zu gehen, statt ständig Symptombekämpfung zu betreiben.

Dabei dürfen wir die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht aus den Augen verlieren, welche einen Teil des Nährbodens für die Entstehung rechtsextremer Einstellungen bilden. Die Politik und damit die Regierung richten sich nach den Bedürfnissen der Wirtschaft. Jedoch ist das Wirtschaftssystem nicht demokratisch ausgerichtet, sondern in der Regel hierarchisch gegliedert. Der starke Einfluss der nach Profitmaximierung strebenden Wirtschaft auf das demokratische politische System führt zu Politikverdrossenheit. Denn die politischen Entscheidungen werden zu großen Teilen nicht im Interesse des Gemeinwohls, sondern im Profitinteresse wirtschaftlicher Akteure und des Kapitalmarkts getroffen.

Hinzu kommt, dass die Menschen einen Großteil ihrer Zeit bei der Arbeit verbringen, wo sie Demokratie nicht leben können und oftmals starr Anweisungen von oben befolgen müssen. Zwar gibt es in vielen Betrieben Mitbestimmungsgremien, deren Entscheidungsbefugnis ist jedoch meistens stark eingeschränkt. Wichtige Weichen in der Unternehmensführung können diese Mitbestimmungsorgane nicht stellen. So bleibt für viele der einzige Moment der demokratischen Teilhabe die Wahl.

Zwischen den Wahlen wird Demokratie immer weniger gelebt, denn der Handlungsspielraum für aktive Partizipation und zivilgesellschaftliche Teilhabe wird zunehmend eingeschränkt. Immer weniger Menschen engagieren sich in Vereinen, und bürokratische Auflagen erschweren zunehmend niedrigschwelliges Engagement, wie beispielsweise Straßenfeste. Auch die Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts bringt viele politische Bildungsträger in Gefahr. Denn kapitalismuskritische Bildungsarbeit ist nicht erwünscht.

Staatliche Fördermittel zur Stärkung der Zivilgesellschaft und Demokratiebildung werden eingespart, dafür gibt es Milliarden an Fördergeldern für Unternehmen. Die Orientierung der Mandatsträger*innen an den partikularen Wirtschaftsinteressen führt zu einer verstärkten Politikverdrossenheit, weil gesellschaftliche Probleme wie Armut und soziale Ungleichheit in den Hintergrund treten. Dies kann zu einem Gefühl der Einflusslosigkeit und der Ohnmacht beitragen, das verbunden ist mit Verlust- und Abstiegsängsten, die anti-demokratische Haltungen befördern. Diese Ängste nutzt die extreme Rechte und macht gesellschaftliche Minderheiten als Sündenböcke für Probleme wie Armut und soziale Ungleichheit verantwortlich. Dafür nutzen sie Verschwörungsmythen wie die Erzählung des »Großen Austauschs«. Nur so lässt sich ihre Ideologie der Ungleichwertigkeit rechtfertigen. Daher ist es wichtig, Menschen darüber aufzuklären, wie Verschwörungserzählungen funktionieren und die Verbindung zu rechtsextremer Ideologie herzustellen, um das Mobilisierungspotential der extremen Rechten zu verringern.

Wir müssen die Menschen verstärkt am Arbeitsplatz erreichen. Hier gilt es Mitbestimmungsstrukturen zu etablieren und auszubauen. Betriebsräte stellen hierfür eine erste Anlaufstelle dar. Allerdings sollte die Mitbestimmung nicht darin bestehen, nur alle vier Jahre bei den Betriebsratswahlen wählen zu gehen. Demokratische Mitbestimmung muss gelebt und ausgebaut und nicht nur auf die Mandatsträger*innen reduziert werden, die die gesamte Arbeit nach dem Dienstleistungsprinzip erledigen sollen. Es braucht zusätzlich demokratische Selbstverwaltungsstrukturen, die langfristig in einer demokratischen Verwaltung von Betrieben enden.

Das kann beispielsweise in Form einer Genossenschaft geschehen, in der allerdings der Großteil des Stimmrechts bei den Arbeitnehmer*innen bleiben sollte. In Spanien gibt es beispielsweise die Mondragon Genossenschaft mit circa 80 000 Mitarbeitenden, bei der die Arbeit und nicht das Kapital im Vordergrund stehen soll. Die Mitarbeitenden werden an den Führungsentscheidungen und an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt. Statt undemokratische Großunternehmen wie Intel staatlich zu fördern, sollten selbstverwaltete Betriebe staatlich durch bessere Rahmenbedingungen und Fördermittel unterstützt werden, damit Demokratie auch wirklich auf allen Ebenen gelebt wird.

Das bedeutet zwar noch kein Ende des profitorientierten Wirtschaftssystems, aber dadurch, dass Beschäftigte über ihren Arbeitsplatz bestimmen dürfen, schwindet zumindest die Angst vor der Standortschließung und dem damit einhergehenden Arbeitsplatzverlust. Zusätzlich führt das Leben von Demokratie im Betrieb zu Selbstwirksamkeitserfahrungen. Außerdem lernen die Beschäftigten, Probleme gemeinschaftlich zu lösen und neigen somit weniger dazu, autoritären Strukturen zu folgen, die einfache, aber falsche Lösungen liefern. Doch der Weg zur flächendeckenden Etablierung von Strukturen der Mitbestimmung und Selbstverwaltung ist lange und zäh.

Bereits heute sollte auch im Kleinen dazu beigetragen werden, Rechtsextremismus einzudämmen. Dazu gehören die Verankerung von Antidiskriminierungsstellen sowie Aktionen gegen Rechts im Betrieb. Dazu zählt, eine Betriebsvereinbarung gegen Rassismus und Rechtsextremismus abzuschließen. Schulungen wie die Stammtischkämpfer*innen-Seminare von »Aufstehen gegen Rassismus« können die eigene Schlagfertigkeit in Diskussionen mit Rechten verbessern. Wichtig ist auch Recherche- und Aufklärungsarbeit. Das beginnt damit, die Hintergründe von potenziellen Kandidierenden auf Betriebsrats- oder Kommunalwahllisten zu recherchieren und über mögliche rechtsextreme Verbindungen aufzuklären. Das Offenlegen rechtsextremer Aktivitäten und Netzwerke ist ebenso wichtig wie zu verhindern, dass sie Räume erhalten, in denen sie ihre Propaganda verbreiten können.

Hinzu kommt, dass es immer noch eine Vielzahl an Denkmälern gibt, die nationalsozialistische Soldaten als Helden verehren oder antiziganistische Stereotype verbreiten. Hier braucht es zumindest eine historische Einordnung und eine Richtigstellung der Fakten durch eine ergänzende Erklärungstafel. Damit die Gräueltaten des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten, sind Veranstaltungen wichtig, bei denen der Opfer gedacht wird und, sofern möglich, Zeitzeug*innen eingebunden werden. Bildungsarbeit kann helfen, zumindest grundlegende Wissenslücken zu schließen. Hierbei sollte man allerdings nicht immer die eigene Klientel bespielen, sondern konsequent die Zielgruppen erweitern. Letztendlich braucht es eine größere strukturelle Förderung von Demokratie, Zivilgesellschaft und Bildungsarbeit statt »Schwarzer Null« und Milliardenförderungen für Großkonzerne.

Thomas Bollwein ist promovierter Sozialwissenschaftler. Derzeit beschäftigt er sich mit den Bereichen Rechtsextremismus, Transformation und betriebliche Selbstverwaltung. Im VSA-Verlag erschien sein Buch »Rechtsextremismus. Was ist das und was können wir dagegen tun?«, 112 Seiten, 12,80 Euro.

Wir müssen die Menschen verstärkt am Arbeitsplatz erreichen.

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