Frankfurt (Oder): Oberbürgermeister tritt aus der Linken aus

René Wilke will die Geschicke seiner Heimatstadt nun als Parteiloser lenken

Hatte mit seiner Partei schon lange gefremdelt: Oberbürgermeister René Wilke.
Hatte mit seiner Partei schon lange gefremdelt: Oberbürgermeister René Wilke.

Dieser Schritt war vorhersehbar: Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) ist aus der Linken ausgetreten. Seit Wochen wurde das erwartet. Am Wochenende hat René Wilke das bei einer Kreismitgliederversammlung seinen Genossen gegenüber begründet. Insgeheim rechnete die Partei sogar schon seit Jahren damit, dass Wilke irgendwann genau so handelt, wie er es jetzt getan hat: Die Linke verlassen, aber auch nicht in die SPD eintreten, die ihm inhaltlich vielleicht näher ist. Aber als SPD-Mitglied hätte er auch keine besseren Chancen, als Oberbürgermeister wiedergewählt zu werden, da die Sozialdemokraten in der Stadt einen schlechten Stand haben. Ebenso wenig wechselt Wilke zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Als Parteiloser sind seine Aussichten am größten, von seinem Amtsbonus zu profitieren und von den Einwohnern noch einmal das Vertrauen zu bekommen, zumal er sich als Rathauschef bisher mehr als achtbar geschlagen hat. Seit Mai 2018 lenkt Wilke die Geschicke von Frankfurt (Oder). 2026 steht die nächste Oberbürgermeisterwahl an.

Er habe bewusst bis nach der Kommunalwahl am 9. Juni gewartet, »um der Partei keinen unnötigen Schaden zuzufügen«, beteuert Wilke, der am Sonntag seinen 40. Geburtstag feierte. Allerdings hatte der Politiker schon vor dem 9. Juni öffentlich Andeutungen gemacht, indem er verriet, dass er sich seine Zukunft nach der Kommunalwahl überlegen werde.

»Diese Entscheidung kommt für viele sicher nicht überraschend«, weiß Wilke auch selbst. »Die inhaltlichen Diferenzen mit der bundespolitischen Ausrichtung der Partei zu grundsätzlichen Fragen sind über die Jahre erkennbar zu groß geworden. Der innere Spagat war für mich nicht mehr aushaltbar.«

Das zeigte sich bereits 2018, als der Kommunalpolitiker die Ausweisung einzelner gewalttätiger Flüchtlinge aus dem Stadtgebiet vorbereiten ließ. Es zeigte sich zuletzt bei der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete, die er nicht grundsätzlich ablehnte. Das darf aber nicht falsch verstanden werden. Die Vorstellungen von Wilke passen am Ende überhaupt nicht zum BSW, auch wenn dieser Eindruck in Einzelfragen entsteht.

Die Begründung, die Wilke dem »nd« am Sonntag gibt, ist wesentlich knapper gehalten als das, was die Parteimitglieder von ihm zu hören und zu lesen bekommen haben. So fehlt beispielsweise die Passage: »Mit der Position der Partei zum vermeintlichen Pazifismus, zur Ukraine und zum Verhalten Russlands kann ich aber zum Beispiel nicht mehr leben. Ich kann den fast 1000 ukrainischen Menschen in unserer Stadt nicht gegenübertreten und eine Position vertreten, deren Umsetzung dafür sorgen würde, dass ihr Land überrannt wird.«

»Ich wünsche der Linken Erfolg. Ohne sie käme es zu einer weiteren Verengung des politischen Spektrums.«

René Wilke Oberbürgermeister

Stattdessen ist diese knappe Begründung überwiegend freundlich gehalten: »Ich gehe ohne Groll und blicke mit großer Dankbarkeit auf die gemeinsame Zeit und die vielen Dinge, die ich in den vergangenen 24 Jahren gemeinsam mit den Mitgliedern der Linken gestalten konnte.« Er wolle mit der Linksfraktion genauso wie mit anderen konstruktiven Kräften weiter zum Wohle der Stadt zusammenarbeiten, sagt der Politiker.

Ausdrücklich bedankt sich Wilke beim Linke-Landesvorsitzenden Sebastian Walter, den er einen glaubwürdigen Vertreter der Partei nennt. »Ich wünsche der Linken Erfolg«, versichert der Oberbürgermeister. »Ohne sie käme es zu einer weiteren Verengung des politischen Spektrums.« Sie werde als Stimme in Stadt, Land und Bund gebraucht.

Die Linke nimmt Wilkes Schritt mit Bedauern zur Kenntnis. Die Kreisvorsitzende Anja Kreisel spricht von einer Zusammenarbeit, die von gegenseitigem Respekt und dem gemeinsamen Ziel geprägt gewesen sei, das Beste für Frankfurt (Oder) zu erreichen. Kreisel verwendet für das Fremdeln von Wilke mit seiner Partei den Vergleich mit einem Pflaster auf einer Wunde, an dem der Oberbürgermeister beständig »herumgezuppelt« habe. »Das Pflaster ist nun ab«, sagt sie. Die Linke habe es vor Wilke gegeben und mit ihm – und es werde diese Partei auch nach ihm geben.

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