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Erbe eines Wahl-Italieners
Die Streitsche Sammlung, derzeit präsentiert Berlin, entführt ins Venedig des 18. Jahrhunderts
Der Blick des Betrachters fällt auf das Panorama des Canal Grande in Venedig, der einen leichten Bogen macht und bis zur Rialtobrücke im Hintergrund reicht. Zu beiden Seiten des Flusses die prächtigen Fassaden der Palazzi, während Boote an den Anlegestellen ruhen oder Traghetti, die für Venedig typischen Gondelfähren, über das Wasser gleiten. Es ist gewöhnlicher Alltag. Was haben die in unterschiedlichen Haltungen dargestellten Figuren in den Barken zu erzählen? Gleichmäßig hat der Maler den Bildraum ausgeleuchtet und eine erhöhte Horizontlinie gewählt, um in weiten Erzählräumen das Bildgeschehen in allen Einzelheiten vorzuführen. Das ist charakteristisch für den Venezianer Bellotto, der sich auch Canaletto nannte und der mit seinen Veduten (Stadtansichten) dem Venedig des 18. Jahrhunderts zu unvergänglichem Reiz verhalf.
Allein 48 Bilder von venezianischen Malern, darunter auch diese Darstellungen des Canal Grande und die »Ansicht des Campo di Rialto« von Canaletto, enthält die Sammlung zeitgenössischer Malerei, die der Berliner Kaufmann Sigismund Streit, 1709 nach Venedig ausgewandert, in der Lagunenstadt zusammengetragen hat. Er übereignete sie als Stiftung dem Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster, das er einst besucht hatte. 1964 hatte das Gymnasium die Streitsche Stiftung der Berliner Gemäldegalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. So konnte diese ihre Sammlung venezianischer Malerei erweitern, die sich über fünf Jahrhunderte erstreckt – vom Trecento bis zum Cettecento, von Lorenzo Veneziano über Tizian bis zu Canaletto und Guardi.
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1739 hatte Streit in Venedig sein Porträt bei Jacopo Amigoni in Auftrag gegeben. Dieser hatte das repräsentative Halbfigurenformat gewählt und den Porträtierten in entspannter Haltung in seinem Hausmantel im Sessel sitzend dargestellt. Streit hat dann noch zehn weitere Gemälde von Amigoni mit Themen aus der Mythologie, aber auch aus dem Alten Testament erworben. War die Sammlung bis 1750 noch ohne ein erkennbares Konzept zustandegekommen, gewann sie mit dem Erwerb venezianischer Veduten eine persönliche Prägung, die maßgeblich von Streits Idee der Stiftung an das Gymnasium zum Grauen Kloster bestimmt wurde. Er gab genaue Anweisungen, wie seine Stiftung zur Belehrung und Unterweisung junger Menschen eingesetzt und erweitert werden sollte.
Trotz Verlusten durch die Bombenangriffe Ende des Zweiten Weltkrieges, Auslagerungen und der anschließenden Rückführung der geretteten Bestände nach Berlin gelang es, eine der ältesten Stiftungen zu erhalten. Sie wurde nach der Wiedervereinigung Berlins wieder zusammengeführt.
Bei Canaletto wird der Betrachter immer wieder angeregt, genau hinzusehen und die Szenerie zu deuten. In einer Figur einer Vedute etwa glaubt man den Auftraggeber Streit selbst zu erkennen. Es gibt Serien von Zeremonial- und Festdarstellungen, Allegorien auf die Stärke und den Reichtum Venedigs, an deren Beginn zwei Darstellungen venezianischer Volksfeste stehen. Ihre Symmetrie und die stark flutenden Linien der Architektur sind hier ebenso hervorhebenswert wie ihre erzählerische Fülle. Die einheitlich geschlossene Wirkung erreichen sie vorwiegend durch Canalettos Wahl eines niedrigen Standpunktes in Augenhöhe des Betrachters. Ohne die Streitsche Sammlung, davon ist auszugehen, hätte Berlin weit weniger an Glanz und Reichtum der venezianischen Schule des Settecento zu bieten.
»Vom Canal Grande an die Spree. Die Streitsche Stiftung für das Graue Kloster«, bis zum 29. September, Gemäldegalerie, Berlin
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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