DFB-Team: Toni Kroos mit »Titel im Kopf« und Spanien vor Augen

Der deutsche Taktgeber geht zuversichtlich ins Viertelfinale – der Gegner leicht favorisiert

Alles auf Toni, Kroos für alle: Taktgeber, Metronom, Kompass – der Greifswalder bestimmt Richtung und Rhythmus.
Alles auf Toni, Kroos für alle: Taktgeber, Metronom, Kompass – der Greifswalder bestimmt Richtung und Rhythmus.

Toni Kroos hat den »Titel im Kopf«. Mit diesem Gedanken spielt der Fußballer aus Greifswald nicht erst seit Beginn der Europameisterschaft, sondern seit Februar. Sonst hätte sich der 34-Jährige zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht für ein Comeback entschieden und das Nationaltrikot fast drei Jahre nach seinem Rücktritt wieder übergestreift. Ausschlaggebend für die Rückkehr des Mittelfeldspielers ins DFB-Team war der damals von Bundestrainer Julian Nagelsmann vollzogene Umbruch.

Ein Jahr früher sind die Spanier neu gestartet, im März 2023 wurde dort Luis de la Fuente Nationaltrainer. Der 63-Jährige verriet mit Blick auf das anstehende Viertelfinale an diesem Freitag gegen Deutschland nichts Neues, als er sagte, dass »auf diesem Niveau nur noch Details entscheiden«. Damit lieferte er jedoch einen guten Grund, warum seine Mannschaft leicht favorisiert in Stuttgart an den Start geht: Ein Vorsprung beim Aufbau eines Teams von zwölf Monaten ist – bei der knapp bemessenen Arbeitszeit, die Nationalmannschaften bleibt – sehr wertvoll.

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Die Zweifel besiegt

Die Gedanken von Kroos kreisen mehr denn je um den Henri-Delaunay-Pokal. »Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Turnier zu gewinnen«, sagte er nun vor dem Viertelfinale. Bestätigt in seiner Überzeugung hätten ihn vor allem die bisherigen Auftritte des deutschen Teams bei der Europameisterschaft. »Wenn vorher auf dieses Turnier geschaut wurde, waren ja schon sehr große Zweifel da, von allen Seiten. Das Minimalziel haben wir erreicht, die EM ist nun keine Katastrophe mehr.« Er selbst will das Maximum, denn jedes Spiel könnte sein letztes sein. Anfang Juni hat er mit dem Sieg in der Champions League im Trikot von Real Madrid seine Klubkarriere beendet.

Taktgeber, Metronom, Kompass – Vergleiche gab es schon viele für den Fußball-Strategen. Die Aussage ist immer die gleiche: Kroos bestimmt Richtung und Rhythmus des Spiels. Für das DFB-Team ist besonders seine Erfahrung entscheidend: Während andere unter generischem Druck hektisch werden, reichen ihm ein einfacher Pass, über wenige Meter quer oder zurück, sowie eine beruhigende Geste – und die Gefahr ist vorüber. Das weiß auch der Gegner. »Der Ball läuft immer über ihn, wenn die Deutschen in Ballbesitz sind«, sagte der spanische Stürmer Joselu und lobte seinen ehemaligen Madrider Mitspieler: »Toni ist für Deutschland von grundlegender Bedeutung und war es auch für Real.« Bei der EM verbindet beide das gleiche Ziel. Auch Spanien will den Titel gewinnen, den ersten seit zwölf Jahren. Und so sagte Joselu: »Ich glaube, Freitag ist das letzte Spiel für Toni.«

Spaniens »beste Version«

Für das spanische Selbstbewusstsein finden sich genügend Gründe. Bei der EM hat das Team als einziges alle vier bisherigen Spiele gewonnen, dabei die meisten Torchancen herausgespielt und nur einen Gegentreffer kassiert. In bislang 19 Spielen unter Luis de la Fuente verließen die Spanier 16-mal den Platz als Sieger. Der Punkteschnitt des Trainers hätte beispielsweise in der Bundesliga in den vergangenen zehn Jahren neunmal zum Titel gereicht. Und dabei habe Spanien laut de la Fuente »noch nicht mal die beste Version« von sich selbst gesehen. Und auch der ganz weite Blick zurück macht es für die deutschen Gastgeber nicht besser: Seit 36 Jahren ist keiner DFB-Elf in einem Pflichtspiel ein Sieg gegen Spanien gelungen.

Julian Nagelsmann hätte sich mit seinem bisherigen Punkteschnitt in der Bundesliga immerhin für die Champions League qualifiziert. Das gilt allerdings für seine gesamte Zeit als Bundestrainer seit dem vergangenen Oktober. Seit dem von ihm vollzogenen Umbruch ist die Bilanz titelreif: acht Spiele, sechs Siege, zwei Unentschieden. Weil dies allerdings erst vor rund vier Monaten geschah, ist noch nicht alles so eingespielt, wie es sich Nagelsmann wünscht. Sowohl im Achtelfinale gegen Dänemark als auch zuvor im letzten Gruppenspiel nach dem Rückstand gegen die Schweizer habe er Phasen gesehen, »in der es die Mannschaft zu sehr erzwingen wollte. Dadurch ist die Staffelung dann nicht mehr so perfekt, und wir geben dem Gegner zu viel Raum.« Neben dem Lerneffekt setzt natürlich auch Nagelsmann auf Kroos: »Er ist für alle Spieler auf dem Feld eine große Unterstützung.«

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