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Raus mit Applaus, Nagelsmann mit Makel und Titeltraum
Aus dem dramatischen Viertelfinale gegen Spanien können die deutschen Fußballer und ihr Trainer viel lernen
Wie so vieles im Leben, hat auch diese Europameisterschaft eine Ende. Für das DFB-Team war am Freitagabend in Stuttgart Schluss. Wenn Spanien am kommenden Dienstag im Halbfinale gegen Frankreich um den Einzug ins Endspiel kämpfen wird, sind die deutschen Fußballer nach einer langen Saison schon im Urlaub. Es hätte auch anders kommen können. Doch letztlich fand das Viertelfinale einen verdienten Sieger, weil im Vergleich zum Leben im Fußball manches einfach zu erklären ist: Die Spanier haben durch Dani Olmo und Mikel Merino zwei Tore geschossen, der Treffer von Florian Wirtz hatte nur zum zwischenzeitlichen Ausgleich gereicht.
»Das Traurige ist, dass wir wahrscheinlich keine Heim-EM mehr erleben werden«, schlug Julian Nagelsmann schon kurz nach dem bitteren Aus in der Verlängerung gleich einen großen Bogen. Mit etwas mehr Abstand werden der Bundestrainer und auch seine Spieler mit Sicherheit auch positive Worte finden, um dieses Turnier zu beschreiben. Denn der geglückte Neustart spiegelt sich nach mindestens sechs Jahren deutscher Fußball-Scham nicht nur in vorzeigbaren Ergebnissen, sondern auch in einer mitreißenden Spielweise wider. Selbst mit den hochgelobten Spaniern als Gegner befand Nagelsmann zurecht, dass seine Mannschaft eine Stunde lang die bessere war: »Wir hatten sehr viel mehr und klarere Torchancen.«
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Den Kopfball vor Augen
Je länger das Spiel dauerte, umso besser und dramatischer wurde es. Olmos Führung hatte Wirtz erst in der 89. Minute ausgleichen können. In der Verlängerung war die DFB-Elf dem Sieg dann näher. Ein den Regeln nach klarer, aber vom Schiedsrichter in der 106. Minute nicht gepfiffener Handelfmeter, sei nicht der Grund für die Niederlage, meinte Nagelsmann. Stimmt: 13 Minuten später köpfte Merino den Ball freistehend ins Netz, Niclas Füllkrug traf aus ähnlicher Position in der Nachspielzeit nicht mal das Tor. »Es wird von Sekunde zu Sekunde härter, das zu realisieren«, sagte der Stürmer später. Er meinte das Ausscheiden, hatte dabei aber vielleicht das Bild seines Kopfballes vor Augen.
Niederlagen können, wenn man aus ihnen lernt, auch gewinnbringend sein. Insofern hat das deutsche Team gute Aussichten: Die Erfahrungen, die junge, aber schon entscheidende Spieler wie Wirtz oder Jamal Musiala sammeln konnten, machen sie und die Mannschaft in jedem Fall stärker. Und der notwendige Kaderumbruch von Nagelsmann im März war mit Blick auf die EM ja ein Neustart unter Hochdruck. Das Turnier musste ein Erfolg werden – und wurde es. Über die Lippen kam das zwar noch keinem aus dem DFB-Team, gespürt haben sie es aber alle am anerkennenden Applaus der Anhänger zum Abschied aus der Stuttgarter Arena. Jetzt hat der Bundestrainer etwas weniger Stress und mehr Freiraum, um zu testen. »Mal sehen, was für die Nations League das Richtige ist«, meinte er mit Blick auf den Start am 7. September gegen Ungarn. Mit dem Ende der EM beginnt der Neuanfang nun so richtig.
»Traurig ist, dass wir jetzt zwei Jahre warten müssen, um Weltmeister werden zu können.«
Julian Nagelsmann Bundestrainer
Was für die Spieler gilt, trifft auch auf den Bundestrainer zu. Einerseits war die EM sein erstes Turnier. Andererseits war Nagelsmann nicht frei von Fehlern. Warum er gegen Spanien erneut Leroy Sané statt Wirtz in die Startelf berufen hatte, blieb vielen ein Rätsel. Schon bei seinen Einsätzen zuvor konnte er das deutsche Spiel nicht wirklich besser machen. Gegen einen guten Gegner wie Spanien fiel das nun besonders auf: in der Offensive ohne Wirkung, im Pressing nicht konsequent genug. Vollkommen unverständlich war der Einsatz von Emre Can. Im Zentrum des Spiels war er komplett überfordert, Ballverluste und verlorene Zweikämpfe versuchte er mit billigen Schwalben zu retten, auch das gelang ihm nicht.
Das System lahmgelegt
Füllkrugs Kopfball, die vielen anderen vergebenen Chancen oder der verweigerte Handelfmeter – die deutsche Liste für das verlorene Viertelfinale ist lang. Vielleicht fehlten dem DFB-Team aber auch 45 Minuten zum Sieg gegen Spanien. Denn in der ersten Halbzeit hatte der Bundestrainer das gut funktionierende System selbst lahmgelegt: Raumbesetzung und Laufwege stimmten nicht mehr, nichts war zwingend genug, um den Gegner von Beginn an zu beschäftigen und nachhaltig zu beeindrucken. Warum Nagelsmann die Überzeugung gefehlt hatte, auf Bewährtes und somit die eigenen Stärken zu setzen, das verriet er später nicht. »Schlecht« fand er die erste Halbzeit jedoch selbst. Und korrigierte seinen Fehler mit »zwei richtigen personellen Wechseln zur zweiten Halbzeit.« Robert Andrich für Can – die Organisation stimmte wieder, die Kontrolle im Spiel war schnell da. Wirtz für Sané – mit dem wichtigen Spielpartner von Musiala und Havertz spürten die Spanier plötzlich Druck.
Trotz aller Enttäuschung über das Ende der Europameisterschaft für das DFB-Team, Lust und Mut hat Julian Nagelsmann nicht verloren: »Traurig ist, dass wir jetzt zwei Jahre warten müssen, um Weltmeister werden zu können.« Ja, wie im Leben wartet auch im Fußball die nächste Herausforderung darauf, gemeistert zu werden. Die richtige Richtung ist auf jeden Fall eingeschlagen.
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