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  • Gipfeltreffen der Turkstaaten

Viktor Orbán tanzt auf vielen Hochzeiten

Beim Gipfeltreffen der Turkstaaten in Aserbaidschan taucht auch der ungarische Regierungschef auf

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.
Erwächst in der Organisation der Turkstaaten eine neue machtvolle Regionalorganisation? Hier ein Bild des Gipfeltreffens von 2018 mit Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, und Ilham Alijew (von l. nach r.), Präsident Aserbaidschans
Erwächst in der Organisation der Turkstaaten eine neue machtvolle Regionalorganisation? Hier ein Bild des Gipfeltreffens von 2018 mit Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn, Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, und Ilham Alijew (von l. nach r.), Präsident Aserbaidschans

Mit der erklärten Bereitschaft, das Logistik-Hub Südkaukasus stärker gemeinsam zu nutzen, sich gemeinsam am Ausbau von erneuerbaren Energieträgern zu beteiligen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Zentralasien auf der einen Seite und Aserbaidschan und der Türkei auf der anderen Seite auszubauen, endete am Wochenende der Gipfel der fünf Turkstaaten Kirgistan, Kasachstan, Aserbaidschan, Türkei und Usbekistan im aserbaidschanischen Schuscha (armenisch: Schuschi).

Ebenfalls mit am Tisch, aber nur als Beobachter, waren Vertreter der von keinem Staat anerkannten »Türkischen Republik Nordzypern« und von Turkmenistan. Für Ungarn war Premierminister Viktor Orbán direkt aus Moskau eingeflogen. Dass er beim abschließenden Abendessen direkt neben Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew sitzen konnte, zeigt, wie sehr man sein Kommen schätzte. Nur die Türkei wurde von Vizepräsident Cevdet Yılmaz vertreten, hatte doch Recep Tayyip Erdoğan dem Fußballspiel der Türkei gegen die Niederlande in Deutschland beigewohnt.

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Gastgeber Ilham Aljiew kann durchaus zufrieden sein. Er darf im November nicht nur die ganze Welt zur Uno-Klimakonferenz in sein Land einladen. Nun hat er sich gewissermaßen nachträglich den Segen der Turkstaaten für sein Vorgehen in Bergkarabach im September letzten Jahres geholt und damit das Nachbarland Armenien erneut brüskiert. Mit der Wahl von Schuscha, das noch im September von Karabach-Armeniern kontrolliert worden war, als Tagungsort hat Gastgeber Aserbaidschan dem Gipfel seine besondere Note verlieren. Und die heißt: »Wir hatten recht mit unserer Militäroperation im September letzten Jahres.«

So ist es auch kein Zufall, dass Alijew in seiner Ansprache an die Versammelten als Erstes auf das Programm »Heimkehr« eingeht. Mit diesem Programm ermögliche man Aserbaidschanern, die vor 30 Jahren von den Armeniern aus Karabach vertrieben worden waren, eine Rückkehr in ihre alte Heimat. Bis Jahresende, so Alijew, würden 20 000 Aserbaidschaner wieder in ihre alte Heimat zurückkehren können. Mit Genugtuung berichtete er, dass die Präsidenten der Türkei, Usbekistans, Kasachstans und und Kirgistans »ehemals besetzte Gebiete« besucht hatten. Und Viktor Orbán dankte Alijew, dass dieser »Tausenden die Möglichkeit gegeben hat, in der Region in Frieden zu leben«.

Dass man eine Vertreibung von vor 30 Jahren nicht mit einer Militäroperation wiedergutmachen kann, scheint Veranstalter Aserbaidschan nicht zu interessierten; genauso wenig wie der Umstand, dass Aserbaidschan mit seinem ständigen Beharren, im Recht zu sein, einen geplanten armenisch-aserbaidschanischen Friedensvertrag in weite Ferne rücken lässt. Zur Erinnerung: Die aserbaidschanische Militäroperation zur angeblichen Befreiung des Gebietes Bergkarabach von separatistischen und nach aserbaidschanischer Lesart terroristischen armenischen Herrschern im September 2023 hatte Dutzenden Armeniern das Leben gekostet.

Sofort nach Bekanntwerden der Teilnahme von Viktor Orbán am Gipfel der
Turkstaaten kam die Kritik aus Brüssel. Dessen Besuch, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borell, sei ausschließlich bilateraler Natur gewesen. Kein EU-Staat habe Orbán , der seit dem 1. Juli EU-Ratsvorsitzender ist, hierzu ein Mandat erteilt.

In einem Eingangsreferat betonte Aserbaidschans Präsident Alijew die zunehmende Bedeutung der Turkstaaten. Die Organisation der Turkstaaten solle zu »einem der Zentren der Macht auf globaler Ebene« werden. Sie decke einen großen geografischen Raum ab, die Geburtenrate in den Mitgliedsländern sei positiv und, darauf legte Alijew offenbar besonders wert, »unser militärisches Potenzial hat sich auf den Schlachtfeldern wiederholt bewährt«.

In einer 31 Punkte umfassenden »Karabacher Erklärung« betonten die Staatschefs der fünf Turkstaaten ihre gemeinsamen ethnischen, historischen, sprachlichen, kulturellen Wurzeln und Traditionen. Man sei »eine Familie«, die sich den Ideen von Frieden, Sicherheit, Stabilität, Entwicklung und Wohlstand in der Region und der ganzen Welt verschrieben habe. Die Gesundheit der Welt, so das Abschlußdokument, gelte es auch durch gemeinsame Aktivititäten im Klimaschutz zu erhalten.

Wichtig sei ein Ausbau der wirtschaftlichen Integration zwischen den Mitgliedstaaten durch den transkaspischen Ost-West-Korridor, der Europa, die Türkei, den Südkaukasus, Zentralasien und China miteinander verbindet, als Eckpfeiler für eine nachhaltige Entwicklung, wirtschaftlichen Wohlstand und internationalen Handel durch Steigerung des Handelsvolumens und Anziehung von Investitionen in die Infrastruktur von Häfen, Eisenbahnen, Autobahnen und Logistikknotenpunkten, so die Abschlusserklärung. Gleichzeitig begrüßt man die Zusammenarbeit von Georgien, der Türkei und Aserbaidschan beim Ausbau der Eisenbahnlinie Baku – Tbilisi – Kars.

Gemeinsam will man auch im Vorfeld der für November im aserbaidschanischen Baku angesetzten UN-Klimakonferenz an Konzepten für klimafreundliche intelligente Städte und Dörfer in den Turkstaaten arbeiten, eine nachhaltige Entwicklung fördern und das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Der Schwerpunkt soll beim Klimaschutz beim Ausbau von Solar-, Wind- und Wasserkraft liegen.

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