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»Es fehlt an einer Stadtentwicklungsstrategie«

Bei den Berliner stadtpolitischen Initiativen macht sich der Frust über die aktuelle Stadtentwicklungspolitik breit.

  • Interview: Günter Piening
  • Lesedauer: 4 Min.
Wurde komplett einem privaten Betreiber überlassen: Kulturort »Alte Münze«
Wurde komplett einem privaten Betreiber überlassen: Kulturort »Alte Münze«

Im Konzeptverfahren haben Sie 2020 den Zuschlag für das Atelierhaus Osdorfer Straße bekommen. Was ist daraus geworden?

Das ist ein trauriges Kapitel. Wir hatten den Erbbauvertrag unterschrieben und die Vorarbeiten mit den Künstler*innen begonnen. Im Herbst 2023 haben SPD und CDU im Abgeordnetenhaus plötzlich das Verfahren gestoppt. Es hieß, hier fände eine Doppelförderung statt, weil die landeseigene Kulturraum gGmbH einen Teil der Ateliers mieten und jungen Künstler*innen ohne großes Einkommen zu günstigen Konditionen anbieten sollte. Außerdem seien Wohnungsbauten jetzt wichtiger als Ateliers. Das alles war aber bereits Teil des Verhandlungsprozesses. Wir haben dann ein mit der BIM erarbeitetes neues Konzept ohne Kulturraum-Beteiligung eingereicht. Darauf kam erst vor Kurzem eine endgültige Absage, niemand weiß warum. Eine halbe Millionen Euro Planungskosten und fünf Jahre Arbeit haben wir in den Sand gesetzt. Mit dieser Erfahrung sind wir nicht alleine. Gerade macht die »Alte Münze« Schlagzeilen. Jahrelang wurde mit der Zivilgesellschaft ein Konzept entwickelt, dem selbst das Abgeordnetenhaus zugestimmt hat, und plötzlich wird dieser Beschluss aufgehoben und das Gebäude einem privaten Betreiber überlassen.

Ist das wirklich eine neue Erfahrung? Auch mit dem alten Senat knirschte es häufig.

Die Vorgängerregierung hatte eine Idee davon, was eine lebenswerte Stadt ausmacht und sah Stadtentwicklung als komplexen Prozess. Sie war offener für Beteiligung und nahm die Kooperation mit Initiativen ernst. Der CDU/SPD-Senat sagt einfach, das interessiert uns nicht, wir machen unser Ding. Inzwischen ist ein großer Frust bei den Initiativen und gemeinwohlorientierten Akteur*innen entstanden. Das Initiativenforum wurde abgewickelt, der Runde Tisch Liegenschaftspolitik findet keinen Ansprechpartner auf Leitungsebene mehr, Ergebnisse des Konzeptverfahrens werden weggewischt. Jeder merkt, dass der Senat uns als Partner nicht ernst nimmt.

Wo gibt es noch preiswerte Räume für Kunstschaffende und Handwerksbetriebe?

Interview

Frieder Rock ist Gründer und Prokurist der Eine für Alle (EfA) eG. Die Genossenschaft wurde 2019 mit dem Ziel gegründet, bezahlbare Räume für Künstler*innen und Handwerksbetriebe zu sichern und langfristig der spekulativen Verwertung am Markt zu entziehen. Die EfA entwickelt und verwaltet die Häuser gemeinsam mit den Nutzer*innen. Die beiden größten Projekte sind der Projekt- und Gewerbehof Lausitzer Straße 10 und der Handwerkshof in Lankwitz.

Es fehlt nicht an Liegenschaften, es fehlt an einer Stadtentwicklungsstrategie, die als Leitschnur für den Erhalt und die Schaffung bezahlbarer Räume dienen könnte. Außer »Bauen, bauen, bauen im Wohnungssektor« ist da nichts. Ich habe mir gerade die alte Energiezentrale des Krankenhauses Buch angeschaut. Das Areal kann en bloc als Gewerbehof für Handwerk und Ateliers aber auch medizintechnische Firmen im Umfeld des Klinikums entwickelt werden. Wenn es bezahlbare Mieten geben soll, darf man das Objekt aber nicht scheibchenweise an Investoren geben. Die Senatsspitzen müssen ressortübergreifend arbeiten und Vorgaben für nutzungsbezogene Standortentwicklungen machen. Aber dafür fehlt der politische Wille und manchmal auch die Fantasie und Kompetenz. Statt die Kreativität und Lösungskompetenz der Initiativen und gemeinwohlorientierten Projektentwickler zu nutzen, mauern sich manche Verwaltungen ein und machen Planungen, die für die freie Szene weder Raum erhalten noch neuen schaffen.

Erkennen Sie eine Ankaufsstrategie?

Nein. Es kommen Häuser mit Gewerbeflächen auf den Markt, in denen häufig noch Handwerksbetriebe und Ateliers sind, die Mietsteigerungen nicht verkraften. Wer innerstädtische Räume retten will, muss hier tätig werden. Die landeseigene Bodenfonds GmbH könnte Grundstücke kaufen, ohne den Landeshaushalt zu belasten, und diese wären auf ewig im Vermögen des Landes. Es gibt also Möglichkeiten, die der Senat nicht nutzt. Diese Verweigerungshaltung zerstört die Stadt und vertreibt noch den letzten Glaser aus dem Kiez und die Künstler in andere Städte.

Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen dann noch?

Auf bessere Zeiten zu hoffen, hilft auch nicht weiter. Wir haben die »Eine für Alle«-Genossenschaft vor fünf Jahren gegründet, um gemeinsam mit Künstler*innen und Handwerker*innen Lösungen zu finden. Jedes Projekt war ein Kraftakt. Beim Gewerbehof Lausitzer Straße 10 brauchte es Jahre, bis der Eigentümer mit dem Preis runterging und der Ankauf durch das Land Berlin erfolgte. Auch der Einzug der Tischleria und weiterer Betriebe in die alte Klavierfabrik Lankwitz war ein langer Kampf, dem viele Fehlschläge vorausgingen. In beiden Objekten haben die Nutzer*innen mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wirtschaft mittels Erbbaurechten ca. 50 Ateliers, Initiativen und Handwerksbetriebe und damit die Existenz von rund 150 Menschen gesichert. Unsere Genossenschaft hat derzeit 550 Mitglieder und fünf neue Projekte befinden sich in der Entwicklung.

Und was wird aus den Künstlern des geplatzten Atelierhauses Osdorfer Straße?

Für die Künstlergruppe suchen wir jetzt ein Grundstück oder ein Gebäude »auf dem Markt«. Wir hoffen auf Eigentümer*innen, die den Verkauf an gemeinwohlorientierte Genossenschaften in Betracht ziehen. Die Situation ist dramatisch, wir erhalten jede Woche Hilferufe von Gewerbetreibenden und Künstler*innen. Wenn die Stadt weiter nur an Investoren verkauft wird, werden der Handwerker und der Späti, der Hausarzt, die Kita und das Atelier aus der Nachbarschaft verschwinden. Das ist dann ein anderes Berlin. Wer aber wird dort leben?

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