Umfrage: Beinahe jeder zweite Ukrainer für Verhandlungen

Bevölkerung hat Verständnis für Kriegsdienstverweigerer

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Ukrainer sind kriegsmüde und würden mit Russland über einen Frieden verhandeln wollen.
Viele Ukrainer sind kriegsmüde und würden mit Russland über einen Frieden verhandeln wollen.

Friedensverhandlungen ja, aber nicht zu Russlands Bedingungen. So lässt sich eine aktuelle Umfrage des ukrainischen Rasumkow-Zentrums im Auftrag des Internetportals Dserkalo Tyschnja zusammenfassen. Demnach sprechen sich 44 Prozent der Befragten für Verhandlungen mit Moskau aus, lediglich 35 Prozent lehnen dies grundsätzlich ab. Die höchsten Zustimmungswerte gibt es in den zentralen (49 Prozent) und östlichen (60 Prozent) Gebieten der Ukraine.

Zugleich lehnt der überwältigende Teil der Befragten die von Russlands Präsident Wladimir Putin ins Spiel gebrachten Bedingungen für einen Frieden zwischen den beiden Nachbarstaaten ab. Mehr als 80 Prozent sind gegen die von Putin geforderten weiteren Gebietsabtretungen. Gut 76 Prozent lehnen die Aufhebung der Russland-Sanktionen ab und knapp 60 Prozent sprechen sich auch gegen einen neutralen Status für die Ukraine aus. Gut 76 Prozent lehnen die Aufhebung der Russland-Sanktionen ab und knapp 60 Prozent sprechen sich auch gegen einen neutralen Status für die Ukraine aus.

Selenskyj: Mobilisierung läuft nach Plan

Am Montag erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj auf einer Pressekonferenz seine grundsätzliche Bereitschaft, mit Moskau zu reden. Russische Vertreter sollen an der nächsten Friedenskonferenz teilnehmen, so Selenskyj. Zugleich sprach er davon, dass die Ukraine zuletzt doppelt so viele Männer mobilisiert habe wie noch vor drei Monaten. »Die Militärs sagen, dass alles nach Plan verläuft. Was fehlt, sind Truppenübungsplätze«, sagte Selenskyj. Einem Bericht der »Welt« will Kiew bis zum Jahresende 200 000 weitere Männer mobilisieren. Im ukrainischen Parlament war zuletzt die Rede von 110 000 Männern.

In der Bevölkerung ist der Unmut über die Mobilisierung hingegen weiter hoch. Beinahe täglich tauchen in sozialen Medien Videos von teils brutal durchgeführten Mobilisierungen auf der Straße auf. Als Selenskyj zum Tag der Verfassung am 28. Juni eine Botschaft veröffentlichte, kritisierten ihn viele Internetnutzer und wiesen auf das Recht der Kriegsdienstverweigerung hin.

Neue Fluchtwelle von Männern

In den vergangenen Tagen wurden wieder vermehrt ukrainische Männer an der Flucht aus dem Land gehindert. Am Montag wurden 27 Männer an der Grenze zu Moldau verhaftet. Am Wochenende schossen Grenzbeamte an der Grenze zu Transnistrien auf Soldaten, die zuvor aus ihrer Kaserne entkommen waren. Dabei wurde ein Mann getötet.

In mehreren Städten gingen mindestens fünf Militärfahrzeuge in Flammen auf. In Busk bei Lwiw explodierte in der Nacht zu Montag eine Granate vor der örtlichen Wehrbehörde TZK. Zu Schaden kam dabei niemand, unbestätigten Berichten könnten jedoch die Unterlagen wehrfähiger Männer in Mitleidenschaft gezogen worden sein.

Anders als von der Regierung behauptet, wollen viele ukrainische Männer nicht in die Armee, weil sie befürchten, an der Front verheizt zu werden. Die Rasumkow-Umfrage zeigt, dass 46 Prozent der Ukrainer meinen, Männer müssten sich für die Kriegsdienstverweigerung nicht schämen. Das meiste Verständnis haben Ukrainer in den östlichen Landesteilen (60 Prozent). Während in den von der Mobilisierung betroffenen Altersgruppen und deren Eltern über 50 Prozent der Verweigerung offen gegenüberstehen, erklären von den über 60-Jährigen lediglich 37 Prozent der Befragten Verständnis für Männer, die nicht in die Armee wollen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -