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Energiepreis kostet Energie
Jede zweite Beratung der Verbraucherzentrale zu Fragen von Strom und Gas
Früher habe man sich im Urlaub von einer Autovermietung einen Mietwagen geholt, schildert am Montag Christian A. Rumpke, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB). Heute gehe man über eine Preisvergleichsplattform im Internet, schließe einen Vertrag mit einem Anbieter, bekomme den Mietwagen dann aber von einer dritten Firma. »Wenn es funktioniert, ist es super«, meint Rumpke. »Aber wenn es schiefgeht, dann wird es für den Verbraucher kompliziert, sein Recht zu bekommen.«
Für die VZB hat dies Konsequenzen. Sie kann in solchen Fällen nicht mehr einfache Antworten auf einfache Fragen geben, sondern muss erst einmal herausfinden, wer überhaupt der Verursacher des jeweiligen Problems ist. »Die Beratungen werden immer komplexer«, sagt Rumpke. »Das zieht sich durch alle Branchen.« Zum Beispiel auch einen Stromlieferanten suchen sich viele Menschen über eine Preisvergleichsplattform.
Rumpke würde aber keineswegs davon abraten, Verträge online abzuschließen. »Ich bin nicht derjenige, der sagt, das Internet ist böse«, versichert er am Montag bei der Vorstellung des jüngsten Verbraucherschutzberichts. Das Internet ermögliche, Preise zu vergleichen und sich die Warenvielfalt der Welt nach Hause zu bestellen. Es sei durchaus drin, online günstigen Ökostrom einzukaufen. Man müsse sich aber bewusst sein, dass dies gleichwohl seine Tücken habe. So sei es leicht, online Verträge abzuschließen, aber oft schwer, sie online zu kündigen. Das Gesetz schreibe zwar etwas anderes vor. Doch es gebe »eine Vielzahl von schwarzen Schafen«. Die verschwitzten es nicht etwa aus Versehen, die Möglichkeit der Online-Kündigung einzuräumen, sondern wollen sich damit einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen, sagt Rumpke. »Das ist eine Masche.«
»Besonders in schwierigen Zeiten brauchen die Menschen gut erreichbare und unabhängige Beratungsangebote.«
Ursula Nonnemacher Sozialministerin
Möglichkeiten, Menschen übers Ohr zu hauen, gibt es etliche. Rumpke zufolge witterten Drückerkolonnen zum Beispiel Morgenluft, als jetzt das Nebenkostenprivileg wegfiel. Es erlaubte den Vermietern bisher, den Mietern die Gebühren für das Kabelfernsehen über die Nebenkosten der Wohnung in Rechnung zu stellen. Jetzt müssen die Kabelfernsehanbieter Verträge direkt mit den Mietern machen – und da reden Drückerkolonnen den Menschen ein, wenn sie nicht sofort bei ihnen abschließen, könnten sie bald kein Fernsehen mehr schauen.
64 200 Kontakte zählte die Verbraucherzentrale im vergangenen Jahr. Sie gab fast 40 000 Kurzinformationen und leistete 15 400 umfassende Beratungen. Damit lag die VZB wieder auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Während der Pandemie war der Beratungsbedarf gestiegen. Anfangs waren insbesondere Tipps zum Reiserecht gefragt, da Flüge in den Süden storniert werden mussten. Dann ging es viel um die Energiepreise. 55 Prozent der Beratungen bezogen sich auch im vergangenen Jahr noch darauf, obwohl sich die Lage nach Einschätzung von Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) inzwischen »erheblich entspannt« hat. In normalen Zeiten bezog sich je ein Drittel der Anfragen auf Energie, Digitales und Finanzen.
2023 drehten sich die Nachfragen etwa um hohe Nachzahlungsforderungen für den Strom- und Gasverbrauch sowie um die Berücksichtigung staatlicher Unterstützung wie der Dezember-Soforthilfe oder der Energiepreisbremse. Da haben bei den Abrechnungen sowohl Energieversorger als auch Vermieter Fehler gemacht, berichtet Rumpke. Wegen der hohen Preise machten sich viele Menschen erstmals in ihrem Leben Gedanken, ihren Energieversorger zu wechseln. Sie benötigten deshalb Auskünfte über ihr Sonderkündigungsrecht.
»Die Arbeit der Verbraucherzentrale ist und bleibt unverzichtbar«, sagt Ministerin Nonnemacher. »Besonders in schwierigen Zeiten brauchen die Menschen gut erreichbare und unabhängige Beratungsangebote.«
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