Brandenburg-Werbung: Da kann die Ziege nicht meckern

Neue Sprüche in der Brandenburg-Werbung: Je absurder, desto mehr Klicks

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Vielleicht doch? Motiv der Brandenburg-Werbekampagne
Vielleicht doch? Motiv der Brandenburg-Werbekampagne

Der 2019 verstorbene Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) wusste, zu welch allerhöchster Beifallsbekundung der Brandenburger fähig ist: »Da kannste nich meckern.« Nun griff die Marketing-Abteilung der Staatskanzlei dies auf und baute es in eine Kampagne ein. »Da kannste nich meckern« ist der neueste
Spruch, mit dem für das Bundesland geworben wird.

Der für Landesmarketing zuständige Staatssekretär Benjamin Grimm (SPD) gab am Freitag den Startschuss. Das Ganze sei »mit einem Augenzwinkern« zu genießen, versicherte er. Der Basis-Werbespruch für das Land Brandenburg »Es kann so einfach sein« bleibe erhalten, der neue Spruch werde für ein Jahr darübergelegt. Er löst also das früher kreierte »jwd – Jeder will dahin« ab. Ja, die Rede ist immer noch von Brandenburg. Vollkommen ernst gemeint, denn Brandenburg sei das zehnte Mal in Folge deutscher »Zuzugsmeister«, erklärte der Staatssekretär: Nur die Fußballmannschaft des FC Bayern München, die elfmal in Folge deutscher Meister wurde, habe dies noch übertroffen.

»Die innerdeutsche Wanderungsstatistik zeigt, dass Brandenburg vor allem für
Menschen aus Berlin ein Anziehungspunkt ist und bleibt«, erläuterte Norman Albat, Abteilungsleiter im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. »Seit dem Jahr
2013 verzeichnet Brandenburg einen verstärkten Zuzug aus der Hauptstadt,
insbesondere von jungen Familien.« Zwischen 2013 und 2023 habe der Positiv-Saldo bei den Zuzügen zirka 143 000 betragen. Die Hälfte der Zuzügler stammt aus Berlin. Vor allem im Berliner Umland haben sich die Neuzugänge niedergelassen. Als Spitzenreiter dabei werden die Landkreise Teltow-Fläming, Barnim und Dahme-Spreewald genannt.

Über die Gründe, Berlin den Rücken zu kehren, lässt sich nur mutmaßen. Die hohen Mieten in der Hauptstadt können es nicht mehr sein, denn die nehmen sich im Vergleich mit den Preisen im Speckgürtel nicht mehr viel. Der weltbekannte chinesische Künstler Ai Weiwei verließ die deutsche Metropole vor einigen Jahren. Er hatte gesagt, seine Studenten an der Universität der Künste seien faul, und Berlin nannte er »die hässlichste und langweiligste Stadt, die es gibt«. Brandenburg jedoch ist sauber. »Da kannste nich meckern.«

Das Wappentier Adler wird jetzt nicht gegen eine Ziege eingetauscht. Aber intensive Naturbeobachtungen haben der neuen Kommunikationsoffensive »große Facts und kleine Fakten« beschert, wie Marketing-Abteilungschef Thomas Braune bei der Präsentation verkündete. Der einzige in Deutschland lebende Elch sei in Brandenburg zu Hause, genauer gesagt, im Fläming. Brandenburg könne mit dem europaweit zweitgrößten Kürbis aufwarten und mit dem deutschlandweit größten Wirtschaftswachstum.

All dies findet sich im aktuellen Werbespot »Das Schweigen der Ziegen«, der im Internet angeklickt werden kann. Mit einer Spur Selbstgefälligkeit fügte Braune hinzu, der andere Spruch »Brandenburg – es kann so einfach sein« sei hunterttausendfach aufgerufen worden und habe dem Bundesland eine »unbezahlbare Aufmerksamkeit« verschafft.

Voriges Jahr kam man in diesen Kreisen auf die Idee, mit Motzen und Kotzen zu werben: »Schöne Orte brauchen keine schönen Namen.« Auch in Sendungen der ARD sei dies ausführlich satirisch aufgegriffen worden, freute sich Braune. Das ist zweifellos ein Erfolg für die geistigen Väter dieser Kampagne. Denn was geht heutzutage über Klicks? Brandenburg ist nun mal ein Land, in dem sich Wolf und Elch Gute Nacht sagen.

Nun zeigten die jüngsten Wahlergebnisse: Die Brandenburger haben sehr wohl etwas zu meckern. Sie wählen aus Protest die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber zugegeben: An diese Menschen wendet sich die Imagekampagne ja auch nicht. Die gefeierten Zuzüge produzieren gerade im Berliner Umland Wachstumsschmerzen. Der Wohnungsbau kommt nicht hinterher, der Bau von Schulen und Kindergärten ebenfalls nicht. Aber Staatssekretär Grimm lässt sich davon nicht beirren: Es bestehe nach wie vor der Anspruch, zu wachsen und ein Land zu gestalten, »in dem man gut leben und arbeiten kann«.

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