»Compact«-Magazin: Regierung stürzt Jürgen Elsässer

Innenministerin verbietet rechtsextremes Krawallmagazin »Compact«

Mit gewissem Recht befürchtet die Innenministerin, dass »Rezipienten der Medienprodukte« Elsässers »aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden«.
Mit gewissem Recht befürchtet die Innenministerin, dass »Rezipienten der Medienprodukte« Elsässers »aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden«.

Am Samstag hatte ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppen abermals in das nahe Berlin gelegene, brandenburgische Falkensee mobilisiert, um mit rund 80 Linken unter dem Motto »Elsässer, halt’s Maul!« gegen das Magazin »Compact« zu demonstrieren. Drei Tage später ist es Geschichte: Am Dienstagmorgen machte das Bundesinnenministerium ein Verbot gegen das rechtsextreme Krawallmedium von Jürgen Elsässer bekannt und ließ von der Polizei einen entsprechenden Beschluss zu 14 Durchsuchungen in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vollziehen. Davon seien Liegenschaften von »zehn führenden Akteuren« betroffen gewesen, hieß es am Nachmittag. Insgesamt 339 Einsatzkräfte beschlagnahmten unter anderem »Magazine«, Smartphones, Bargeld, Gold, Datenträger, Merchandising-Artikel sowie Bühnentechnik, Fahrzeuge, Firmenkonten und Kontounterlagen.

Das Verbot der monatlich erscheinenden Zeitschrift kommt von der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) persönlich und erfolgt – obwohl es sich um ein Unternehmen handelt – nach dem Vereinsgesetz. Deshalb braucht es dazu keinen richterlichen Beschluss. Betroffen davon ist auch die Firma Conspect Film, mit der Elsässer im Internet Inhalte auf Youtube ausgespielt hatte. Der als »TV-Kanal« vermarktete Account hat 345 000 Abonnenten. Am Dienstag waren die dort eingestellten Videos noch abrufbar, die Webseite von »Compact« ist jedoch offline.

»Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie«, erklärte Faeser am Dienstag. Die Zeitschrift verfolge ein »völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept«, so die Ministerin weiter. Insbesondere arabischstämmige Bevölkerungsgruppen würden als Menschen zweiter Klasse herabgewürdigt. »Compact« verstoße damit auch gegen die Menschenwürde.

In der Verbotsbegründung heißt es außerdem, »Compact« trete »aggressiv-kämpferisch« auf. Es sei zu befürchten, dass »Rezipienten der Medienprodukte« durch diese »aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden«.

Belege für die Ansicht des Innenministeriums finden sich reichlich auf Archiv-Webseiten, wo einzelne Artikel des Magazins und seinen Sonderheften zu bestimmten Themen weiterhin abrufbar sind. Elsässer inszenierte »Compact« darin als Hort des Widerstands gegen eine »Diktatur« in Berlin. Diese zu beseitigen ist sein Ziel: »Wir wollen einfach das Regime stürzen«, sagte er im vergangenen Sommer. Auf einer Veranstaltung in Gera erklärte Elsässer, im Osten einen »eigenen Staat namens DDR« wieder errichten zu wollen, man habe dazu »einen Reichskanzler in Gestalt von Björn Höcke«.

Elsässer wollte die AfD vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mit einer Veranstaltungstour unter dem Namen »Blaue Welle« unterstützen und für Spenden werben – die Partei ließ dies jedoch aus Furcht vor einer Parteispendenaffäre mit einer Unterlassungserklärung gegen »Compact« untersagen.

Der 1957 im badischen Pforzheim geborene spätere Lehrer Jürgen Elsässer war bis in die Nullerjahre im linken Spektrum verortet und schrieb als Autor, Redakteur und Mitherausgeber verschiedener Medien wie »Junge Welt«, »Jungle World«, »Konkret« und auch »Neues Deutschland«. Vor rund 20 Jahren wanderte er ins rechtsextreme Milieu ab. Jüngst äußerte Elsässer Sympathien für das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Das 2010 von Elsässer gegründete Compact -Magazin wurde als GmbH geführt und soll zuletzt mit einer Auflage von 40 000 Exemplaren erschienen sein. Im Februar startete die Onlinekampagnen-Plattform Campact eine Unterschriftensammlung mit dem Titel »Stoppt ›Compact‹ – Keine rechte Hetze im Bahnhofsbuchhandel!«, woraufhin große Bahnhofsbuchhändler das Magazin aus dem Sortiment genommen hatten.

Zu dem kleinen Compact-Imperium gehörten aber auch ein Online-Shop, über den neben eigenen Printerzeugnissen Bücher, Hörbücher, CDs und DVDs sowie Merchandise-Artikel wie Kleidungsstücke, Plakate, Aufkleber, Tassen und Medaillen wie der »Höcke-Taler« und eine »Heldenmedaille Donald Trump« vertrieben werden. Der Jahresumsatz der Firmen wird auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag geschätzt.

Verfassungsrechtler sehen das Verbot kritisch. Es sei ein Missbrauch des Vereinsrechts, wenn es eigentlich um das Verbot einer Zeitung gehe, sagt etwa David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) auf Anfrage des »nd«. Zudem sei die Verhältnismäßigkeit zweifelhaft. Es wäre ein milderes Mittel gegen konkrete Beiträge vorzugehen, wenn sie rechtswidrige oder strafbare Inhalte haben. Deshalb sei das Compact-Verbot »wahrscheinlich rechtswidrig«. Werdermann hat mit der GFF eine Stellungnahme im Verfahren zum Verbot der 2017 ebenfalls nach dem Vereinsrecht verbotenen linken Internetplattform »Indymedia Linksunten« abgegeben. Die Klagen sowie eine Verfassungsbeschwerde wurden aus formalen Gründen abgewiesen.

Ähnlich vorsichtig äußert sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie aus Köln und verweist darauf, dass 2019 auch der pro-kurdische Mesopotamien Verlag sowie die Musikproduktions- und Vertriebsfirma MIR Multimedia verboten wurden. »Das Innenministerium unterläuft so mithilfe des Vereinsrechts die Pressefreiheit«, sagt Laura Wisser vom Vorstand des Komitees zum »nd«. »Natürlich halten wir ein rassistisches Hetzmedium wie ›Compact‹ für gefährlich. Aber wir können die verfassungsrechtlichen und demokratischen Gefahren nicht ausblenden, die von solchen repressiven Maßnahmen ausgehen.«

Ausdrückliche Zustimmung zum Verbot kommt hingegen von der Gruppe Die Linke im Bundestag. »Mit ihrem Rassismus und Antisemitismus befeuerte das rechte Kampfblatt seit langem die Mobilisierung von Nazis und antisemitischen Verschwörungsideologien«, erklärte Martina Renner, Sprecherin für Innenpolitik, am Dienstag.

Dass das in Brandenburg ansässige Compact-Magazin ein zentraler Akteur bei der Vernetzung der »Neuen Rechten« ist, darauf verweist auch der dortige Verfassungsschutz in seinen Berichten. So weise die seit 2021 als »gesichert rechtsextremistisch« eingestufte Vereinigung enge Verbindungen zur rechtsextremistischen »Identitären Bewegung« und zum rechtsextremistischen Parteienspektrum auf.

Im Berichtsjahr 2023 schrieben laut dem Verfassungsschutz »sechs offizielle Redakteure und eine Reihe an Gastautoren« regelmäßig für die Printausgaben der Zeitschrift. Weitere Personen seien im Bereich Veranstaltungen, Versand und Technik beschäftigt. Das heutige Verbot ordnet jede Fortführung der bisherigen Tätigkeiten von »Compact« als Straftaten ein. Allerdings kann die Zeitschrift dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittel einlegen. Ein Urteil des Gerichts in Leipzig kann schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angefochten werden.

Im Rechtsmagazin »Legal Tribune Online« weist der GFF-Jurist Werdermann außerdem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht aus dem Jahr 2010 hin. Darin hielten die Richter das Komplettverbot mehrerer türkischer Tageszeitungen für einen unverhältnismäßigen Eingriff in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die Meinungs- und Pressefreiheit regelt. Werdermann meint, diese Grundsätze seien auch im vorliegenden Fall einschlägig.

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