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Reinigungsstreife an der U8: Polizei ist keine Lösung
Die BVG versucht, die U8 zu säubern. Doch die beteiligte Polizei macht alles nur noch schlimmer, meint Nathaniel Flakin
Die U8, die dunkelblaue U-Bahn-Linie auf Berlins Fahrplan, die die ärmsten Bezirke Berlins miteinander verbindet, ist als die »unheimliche« Linie bekannt. Wenn man von Wedding durch Kreuzberg nach Neukölln fährt, kann man das Gefühl haben, dass sich alle Probleme der Stadt auf eine Handvoll Stationen konzentrieren: Drogen werden konsumiert und offen verkauft, was zu psychischen Krisen und gelegentlichen Schlägereien führt. Es ist dreckig, aber eigentlich nicht besonders gefährlich. Ein Angestellter eines Blumenladens im Bahnhof Kottbusser Tor sagte dem »nd«: »Die Junkies machen nichts.«
Seit Mitte Februar führt die BVG auf der U8 eine »Reinigungsstreife« durch. Daran beteiligt sind nicht nur Reinigungskräfte, sondern auch Polizei und private Securities, um Obdachlose oder Drogenabhängige aus den Stationen zu vertreiben. Die erste Phase, die sich über drei Monate erstreckte, kostete 700.000 Euro.
»Red Flag« ist eine Kolumne über Berliner Politik von Nathaniel Flakin. Sie erschien von 2020 bis 2023 im Magazin »Exberliner« und fand ein neues Zuhause bei der Zeitung »nd« – als deren erster Inhalt, der auch auf Englisch zu finden ist. Nathaniel ist auch Autor des antikapitalistischen Reiseführers Revolutionary Berlin.
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Die Aktivistengruppe »Ihr seid keine Sicherheit« (ISKS) hat eine eigene Umfrage zum Projekt der BVG durchgeführt. Nur elf Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich durch zusätzliche Sicherheitskräfte sicherer fühlten – 49 Prozent fühlten sich eingeschüchtert. Ich kann das bestätigen: Ich habe im Laufe der Jahre viel Elend in den Berliner Verkehrsbetrieben gesehen, aber gewalttätige Übergriffe habe ich nur durch BVG-Subunternehmer erlebt, über die ich immer und immer wieder geschrieben habe.
Die Probleme auf der U8 werden nicht von armen Menschen verursacht – vor allem reiche, mächtige Männer in Anzügen sind schuld daran. Früher gab es bei der BVG an fast jeder Haltestelle eine Bahnhofsaufsicht, die für Ordnung sorgte – die Häuschen, in denen sie arbeiteten, kann man noch sehen. Die Kürzungen der Mittel für den öffentlichen Nahverkehr in den frühen 2000er Jahren führten zu einem chronischen Personalmangel bei der BVG. Und die Berliner*innen bekamen schmutzigere Bahnhöfe und einen halbwegs regelmäßigen Zusammenbruch der städtischen Bahnen.
Es heißt, die Dauerkrise der BVG sei auf Geldmangel zurückzuführen. Doch die BVG zahlte ihren drei Spitzenmanagern im vergangenen Jahr insgesamt 1.043.000 Euro – während sie wegen der niedrigen Gehälter kaum neue Fahrer*innen anwerben kann.
Die Ergebnisse zahlreicher neoliberaler Maßnahmen sind in den U-Bahnen sichtbar. Obdachlosigkeit ist auch ein Produkt der explodierenden Mietpreise in der Stadt, die durch die Privatisierung des öffentlichen Wohnungsbestands vor zwei Jahrzehnten und die Weigerung, neue erschwingliche Wohnungen zu bauen, verursacht wurden. Jemanden aus einer U-Bahn-Station rauszuwerfen, löst das Problem nicht wirklich – irgendwo muss derjenige sich ja aufhalten können. Eine einfache Lösung wäre es, in neuen Wohnraum zu investieren. Noch einfacher wäre es, die Privatisierungen mit der äußerst populären Idee der Enteignung rückgängig zu machen.
Aber nein. Berlins Regierung scheint vor allem Geld für mehr Polizei ausgeben zu wollen. Prestigeprojekte wie mit der U8 sind ironischerweise für Autofahrer*innen in Vororten gemacht, die sowieso nie die U-Bahn nehmen würden, aber gerne hören, wie Kai Wegner ihnen erzählt, dass arme Menschen im Namen von »Recht und Ordnung« vertrieben werden.
Die Berliner Regierung gibt derzeit rund 720 Millionen Euro aus, um eine innerstädtische Autobahn um einige Kilometer zu verlängern. Und für den nächsten Abschnitt will sie mindestens eine Milliarde Euro ausgeben. Mit diesem Geld könnte man eine Menge U-Bahn-Wagen und eine Menge Wohnungen bezahlen.
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