Die energieautarke Klinik der Zukunft

Das Krankenhaus von Nauen beschreitet mit Solaranlagen auf dem Dach den »grünen Weg«

Auf dem Dach: Vogel, Nonnemacher und Spychalski (hinten, v. l.), vorn ein Mitarbeiter
Auf dem Dach: Vogel, Nonnemacher und Spychalski (hinten, v. l.), vorn ein Mitarbeiter

Auf dem Dach des drei Obergeschosse hohen Krankenhauses von Nauen weht ein angenehm kühler Wind. Das ist in der prallen Sonne durchaus angenehm. Die kommunalen Havelland-Kliniken könnten hier oben spezielle Windkraftanlagen montieren lassen und so für den Eigenbedarf günstigen Ökostrom erzeugen. Geschäftsführer Thilo Spychalski hat darüber nachgedacht. Doch der Ausführung eines solchen Plans stehe die Erhaltungssatzung der Stadt Nauen entgegen, beklagt er. Die Satzung dient unter anderem dazu, die von Fachwerkhäusern und Backsteingebäuden geprägte Altstadt vor Verschandelungen zu schützen. Dass davon auch der am Stadtrand gelegene Zweckbau der 1998 eröffneten Klinik berührt wird, stört Spychalskis Ziel, als Krankenhaus klimaneutral und sogar energieautark zu werden.

Immerhin eine neue Solaranlage auf dem Dach können Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher und Umweltminister Axel Vogel (beide Grüne) am Donnerstag besichtigen. Weil die Sonne so schön scheint, könnte schon Strom fließen. Doch die Klinik hat leider noch nichts davon. »Die Panele waren schnell da«, erzählt Christina Tech, Chefin der zur Unternehmensgruppe der Kliniken gehörenden Gesundheitsservicegesellschaft Havelland. Aber ein Teil für den Anschluss, das bereits geliefert sein sollte, fehlt noch. »Dieses Ding ist noch nicht gekommen«, bedauert Tech.

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Es ist nicht die erste Solaranlage der Havelland-Kliniken, die neben dem Krankenhaus in Nauen auch das Krankenhaus in Rathenow betreiben sowie Pflegeheime, einen Rettungsdienst und eine Ausbildungsstätte für Gesundheitsberufe. Insgesamt knapp 660 000 Euro Fördermittel hat die Unternehmensgruppe im vergangenen und im laufenden Jahr für ihren Standort Nauen bewilligt und teils auch schon ausgezahlt bekommen – für Invesititionen, die dazu dienen, sich Stück für Stück unabhängig zu machen von Preisschwankungen für fossile Energie.

Die gut auf den Termin vorbereitete Gesundheitsministerin Nonnemacher kann die Summe ganz genau beziffern: Es sind 659 350 Euro. Das Geld stammt aus einem Sofortprogramm, das 65 Millionen Euro für Kliniken und Pflegeheime zur Verfügung stellte. Die Mittel waren im Brandenburg-Paket des Landes eingeschnürt. Nun brachte das Landesverfassungsgericht mit einem Urteil vom 21. Juli das Brandenburg-Paket zwar ins Wanken. Doch die Mittel seien nicht gefährdet, sondern werden jetzt über einen Nachtragshaushalt abgesichert, beruhigt Ministerin Nonnemacher.

Die Havelland-Kliniken haben sich bereits vor dem im Februar 2022 offen zwischen Russland und der Ukraine ausgebrochenen Krieg und der damit zusammenhängenden Energiekrise Gedanken über ihren Energieverbrauch gemacht. »Wir haben das ›der Weg ins Grüne‹ genannt«, berichtet Geschäftsführer Spychalski. Er versichert schmunzelnd: »Das ist nicht parteipolitisch gemeint.«

Es ist eine Frage des Klimaschutzes und keine Kleinigkeit. Denn wie Spychalski erläutert, sorgt ein Krankenhausbett mit allem drum und dran pro Jahr für so viel CO2-Ausstoß wie ein Einfamilienhaus. In der Summe gehen vier Prozent aller CO2-Emmissionen in Deutschland auf das Konto der Krankenhäuser. »Viele habe das gar nicht so im Blick«, weiß Spychalski. Er schon. Die Havelland-Kliniken haben fast 600 Betten. Allein die Beleuchtung der Flure auf sparsame LED-Lampen umzustellen, wie es schon geschehen ist, sparte 6500 Kilowattstunden Strom im Jahr.

Die Solarzellen auf dem Dach werden jährlich 300 000 Kilowattstunden erzeugen. Damit kann der eigene Bedarf aber noch nicht gedeckt werden. Krankenhäuser fressen enorm viel Energie – allein schon durch den Dampf, der zum Sterilisieren der Instrumente benötigt wird. Zum Heizen verwendet das Nauener Krankenhaus die Abwärme eines Betriebs, die sie für sieben Cent die Kilowattstunde bezieht. »Das ist sehr günstig.«

Schätzungsweise 150 000 Euro spart die Unternehmensgruppe durch ihre Solaranlagen. Die komplette Eigenversorgung mit Energie würde jedoch keine Klinik in Deutschland vor der Pleite retten, stellt der Geschäftsführer klar. Es hapert da bei der auskömmlichen Finanzierung. »Frau Nonnemacher weiß das«, sagt Thilo Spychalski – und die Ministerin nickt.

Nichtsdestotrotz wollen die Havelland-Kliniken von ihrem einmal beschrittenen Weg nicht abweichen und in fünf oder zehn Jahren klimaneutral und energieautark sein. In Brandenburg wären sie damit die ersten – zumindest unter den schon bestehenden Krankenhäusern, glaubt Spychalski. Bei einem modernen Klinikneubau wäre es einfacher, das gesteckte Ziel zu erreichen. So aber steht für den Geschäftsführer fest: »Das ist nicht innerhalb kurzer Zeit zu erledigen. Das sind riesige Investitionen, die da zu tätigen sind.« 1,8 Millionen Euro Fördermittel sind bisher geflossen und zusammen mit dem Eigenanteil 2,9 Millionen Euro investiert worden. Insgesamt müsse wahrscheinlich eine Summe im zweistelligen Millionenbereich investiert werden, schätzt Spychalski.

Wie weit man in Nauen schon vorangekommen sei, lasse sich schwer sagen. Es solle demnächst eine Übung geben, bei der ein kompletter Stromausfall in ganz Deutschland mit seinen Auswirkungen auf das Krankenhaus in Nauen simuliert werde. Mit Diesel betriebene Notstromaggregate sind vorhanden. Aber wie soll zusätzlicher Diesel von der nächsten Tanksstelle herbeigeschafft werden, wenn die Zapfsäulen ebenfalls auf Strom angewiesen sind. »Mal gucken, wie weit wir kommen«, sagt Spychalski. »Es wird nicht lange reichen. Das kann ich jetzt schon sagen. Die Prognosen gehen von drei Tagen aus.« Die Patienten müssten aber keine Angst haben. Bei dieser Übung werde der Strom nicht wirklich abgeschaltet.

Auf dem Parkplatz der Nauener Klinik gibt es schon Ladesäulen, um den Fuhrpark auf Elektroautos umstellen zu können. Das ist keine unwesentliche Sache angesichts vieler Transporte zwischen den Standorten Nauen und Rathenow. Dass auch Rettungswagen mit Strom fahren – Spichalsky ist überzeugt: Es werde so kommen, aber noch dauern. Es dürfe nämlich nicht passieren, dass bei einem Notruf schulterzuckend zu sagen wäre: »Wir kommen später, der Akku muss erst aufgeladen werden.«

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