Tadej, der Unerbittliche – Pogačar gewinnt die Tour de France

Der Slowene dominiert die Frankreichrundfahrt bei seinem dritten Gesamtsieg

  • Tom Mustroph, Nizza
  • Lesedauer: 4 Min.
Tadej Pogačar fuhr in diesem Jahr bei großen Rundfahrten länger im Führungstrikot als jemals ein Fahrer zuvor.
Tadej Pogačar fuhr in diesem Jahr bei großen Rundfahrten länger im Führungstrikot als jemals ein Fahrer zuvor.

Geschenke macht Tadej Pogačar nur seinen Kumpels. Seinen Sieg auf der Skistation Isola 2000 am Freitag begründete er so: »Wir wollten eigentlich nur die Etappe kontrollieren. Dann hat Visma uns aber unter Druck gesetzt. Mein Team musste deshalb viel arbeiten. Und weil sie so einen guten Job gemacht haben, dachte ich mir, ich muss es ihnen mit dem Etappensieg danken.« Opfer seiner Dankbarkeit wurde der US-Amerikaner Matteo Jorgenson. Der hatte am Fuße des Anstiegs noch fast vier Minuten Vorsprung. »Ich dachte, das könnte reichen. Aber gegen Pogacar weißt du nie«, sagte er resigniert im Ziel.

Jorgensons Pech war, dass er bei Visma-Lease a Bike unter Vertrag steht und der wichtigste Helfer von Pogačars Hauptrivalen Vingegaard ist. »Ich lasse doch nicht das Team von meinem härtesten Kontrahenten gewinnen, wenn ich selbst gewinnen kann«, gab Pogačar hinterher zu Protokoll. Und wie sehr er es auf Vingegaard und dessen Team abgesehen hatte, zeigte er noch deutlicher am Samstag. Da zog er mit Vingegaard gemeinsam die Serpentinen hoch zum Col de la Couillole. Vingegaard machte die Führungsarbeit. Er hatte zuvor eine Attacke von Evenepoel pariert und selbst gekontert. Pogačar klebte an seinem Hinterrrad. »Ich beschloss dann, mich etwas hinter Jonas zu erholen, um dann mehr Kraft für den Sprint um den Etappensieg zu haben«, erzählte der Slowene genüsslich. Denn genauso passierte es auch.

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Keine Gnade für Vingegaard

Im Ziel beglückwünschten sich die beiden Rivalen artig. Vingegaard war dennoch geknickt. »Ich habe gehofft, dass Tadej mir diesen Etappensieg überlässt«, sagte er. Nichts da, konterte der Slowene dann auch verbal. »Das ist Sport, wir fahren das aus. Und meinen härtesten Rivalen selbst gewinnen lassen – das geht doch nicht«, meinte Pogačar und versetzte seinem härtesten Gegner beim abschließenden Zeitfahren von Monaco nach Nizza gleich die nächste Niederlage.

Auf den 33,7 Kilometern entlang der Côte d’Azur nahm Pogačar Vingegaard noch einmal mehr als eine Minute ab. Wie beim Giro holte sich der Slowene damit sechs Etappensiege und die Gesamtwertung. Nur das Bergtirkot blieb ihm im Vergleich zur Italienrundfahrt bei der Tour verwehrt. In Frankreich musste er sich Bergkönig Richard Carapaz aus Ecuador geschlagen geben. Trotzdem ähneln sich die Siegesmuster beider Rundfahrten. Ein früher Erfolg sollte die Konkurrenz schocken. Beim Giro schlug Pogačar bereits am zweiten Tag in Oropa zu und fuhr in rosa. Bei der Tour musste er auf den vierten Tagesabschnitt warten. Aber auch dort, bei der Auffahrt zum Galibier, attackierte er. Allein stürmte er dem Gipfel entgegen und stellte dabei eine neue Bestzeit für den berühmten Anstieg auf. Die Etappe am Galibier bezeichnete er rückblickend auch als »meine wichtigste«. »Dort konnte ich den ersten Akzent setzen. Und danach lief alles ganz locker wie geplant durch«, bilanzierte er. Ganz locker kamen für Pogačar am Ende noch fünf weitere Tagessiege und Bergrekorde dazu.

Ergebnisse vom Wochenende
  • 20. Etappe, Nizza–Col de la Couillole (132 km): 1. Pogačar (Slowenien) 4:04:22 h; 2. Vingegaard (Dänemark) + 7 s; 3. Carapaz (Ecuador) + 23 s; ... 53. Geschke (Berlin) + 19:45 min.
  • 21. Etappe, Einzelzeitfahren, Monaco–Nizza (33 km): 1. Pogačar 45:24 min; 2. Vingegaard + 1:03 min; 3. Evenepoel (Belgien) + 1:14 min; ... 62. Geschke + 6:11 min.
  • Endstand Gesamtwertung: 1. Pogačar 83:38:56 h; 2. Vingegaard + 6:17 min; 3. Evenepoel + 9:18 min; ... 75. Politt + 4:03:21 h.

Maximale Planerfüllung konstatierte deswegen auch sein Helfer Nils Politt. »Alle Etappen, die wir uns rot angekreuzt haben, haben wir auch gewonnen«, sagte der Kölner dem »nd« am Start zur 20. Etappe. Diese hatte sich UAE nur gelb markiert, wie Politt lachend verriet. Weil er dann aber allein mit Vingegaard vorn war, sah sich Pogačar in seinem unerbittlichen Siegeshunger schließlich gezwungen, auch diesen Tagesabschnitt zu seiner Erfolgsstatistik hinzuzufügen.

In der Rubrik der meisten Etappensiege bei der Tour liegt der Slowene mittlerweile mit 17 Erfolgen auf einen geteilten 8. Platz mit dem Franzosen Jean Alavoine. Der neue Rekordhalter Mark Cavendish ist mit seinen 35 Siegen zwar noch ein ganzes Stück entfernt. Der Brite warnte Pogačar aber bereits nur halb im Scherz: »Lass mir bitte den Rekord.«

Mehr Etappensiege als der junge Eddy Merckx

Seine Sorge ist nicht unbegründet. Sogar Radsportlegende Eddy Merckx hatte im gleichen Alter, in dem Pogačar jetzt ist, mit 25 Jahren, nur 14 Tageserfolge (plus einen weiteren im Teamzeitfahren) errungen. Einen Rekord musste Merckx dem aktuellen Toursieger schon überlassen. Mit 20 Tagen im rosa Trikot und deren 18 im Gelben übertraf der Slowene die Bestmarke des Belgiers mit 37 Führungstrikots bei Grand Tours in einem Jahr. Im Rausche seiner eigenen Bestleistungen erklärte der Slowene sich in der aktuellen Verfassung sogar zu »meinem besten Ich«.

Kontrahent Vingegaard war dagegen nur das zweitbeste Selbst. »In den ersten beiden Wochen war ich auf der Höhe meines Leistungsstandes von 2023. In der letzten Woche blieb ich leider unterhalb meines Niveaus«, sagte der Däne. So wird dann auch die Dominanz erklärlich. Und ob es bei Pogačar und UAE dabei innerhalb der von der Weltantidopingagentur gesteckten Grenzen blieb, wird man erst wissen, wenn die Testverfahren auf neueste Substanzen besser geworden sind und rückwirkend eingesetzt werden. Zu hoffen bleibt, dass das »beste Ich« des Tadej Pogačar auch moralisch makellos ist.

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