Iryna Farion: Mord an einem rechten Medienphänomen

Die nationalistische ukrainische Politikerin Iryna Farion fiel in Lwiw einem Mordanschlag zum Opfer

  • Ewgeniy Kasakow
  • Lesedauer: 4 Min.
Iryna Farion hetzte gern gegen alles vermeintlich Russische und brachte damit auch ihre Landsleute gegen sich auf.
Iryna Farion hetzte gern gegen alles vermeintlich Russische und brachte damit auch ihre Landsleute gegen sich auf.

Zwei Wochen lang soll der Täter sein Opfer beobachtet haben, bevor er am Freitag zuschlug und Iryna Farion per Kopfschuss tötete. Mit der 60-Jährigen ist eine der bekanntesten rechtsnationalistischen Figuren in der Ukraine gestorben.

In der 2010er Jahren wurde Farion zu einer der am meisten von Skandalen umwitterten Persönlichkeiten des ukrainischen Nationalismus. Immer wieder sorgten ihre Aussagen zur Sprachpolitik für Empörung, und immer war ihr die Aufmerksamkeit der Medien eines Nachbarlandes sicher – nämlich Russlands, wo man ihre Aussagen gern als Beleg für die Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine verbreitete.

Kommunistische Vergangenheit

Dass ihre politische Karriere 1987 in der KPdSU begann, leugnete die überzeugte Antikommunistin und Verehrerin der faschistischen Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) lange Zeit. Erst als 2013 entsprechende Dokumente veröffentlicht wurden, gab sie an, sie habe die Partei »von innen zersetzen« wollen.

Nach der Unabhängigkeit der Ukraine widmete sich Farion der wissenschaftlichen Karriere. Radikale Nationalisten hatten damals nur sehr bescheidene Wahlerfolge, vor allem außerhalb Farions Heimatregion Lwiw. Militante Neonazis aus der Ukraine kämpften zu dieser Zeit noch Seite an Seite mit russischen Nationalisten und Stalinisten gegen Moldau für die Unabhängigkeit der Republik Transnistriens. Heute ein Kapitel, an das man sich auf allen Seiten nur ungern erinnert. Nicht so Farion, die das Gebiet von Transnistrien stets als Teil der historischen Ukraine sah.

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Kurz vor der »Orangenen Revolution« 2004 fanden auf der äußersten rechten Flanke der ukrainischen Politik rasante Veränderungen statt. Aus der bis dahin völlig marginalen sozial-nationalen Partei der Ukraine (SNPU) wurde die Allukrainische Vereinigung Swoboda (Freiheit), die verstärkt um Wähler jenseits ihrer westukrainischen Hochburgen warb. Während die »Orangenen« um Wiktor Juschtschenko und Julia Timoschenko für Westintegration warben und die »Blauen« (die Partei der Regionen) um Wiktor Janukowitsch für enge Beziehungen zu Russland, proklamierte Swoboda den Kampf um nationale Souveränität und Identität.

Neben antimigrantischer und antisemitischer Rhetorik geht es der Partei, der Farion 2005 betrat, vor allem gegen die Nutzung der russischen Sprache. Forscher wie Andreas Umland und Taras Tarasiuk verweisen auch auf die enge Zusammenarbeit von Swoboda und prorussischen rechtsradikalen Parteien in Europa.

Hetze gegen Kindergartenkinder

Von 2006 bis 2012 war Farion Mitglied des Regionalrates der Region Lwiw. Weit über die Landesgrenzen hinaus wurde sie bekannt, als sie 2011 Kindergartenkinder aufforderte, keine russischen Koseformen für Vornamen zu akzeptieren. Russischsprachige Ukrainer bezeichnete sie als »degeneriert« und forderte ihre rechtliche Verfolgung. Wähler von Janukowitschs Partei der Regionen waren für sie »reine Kriminelle«.

Die Medien der »Gegenseite« machten die Lokalpolitikerin zum Aushängeschild des radikalen Nationalismus. Von 2012 bis 2014 war Farion kurzzeitig Abgeordnete des ukrainischen Parlaments.

Nach Lwiw zurückgekehrt, machte sie mit der Pflege ihres Images weiter. Mal erzählte sie stolz, dass ihr Enkelsohn im Kindergarten Altersgenossen verprügelt, die es wagen, ihn auf Russisch zu begrüßen; mal führte sie einen Rechtsstreit mit dem Journalisten Dmitri Gordon, der sie der Zusammenarbeit mit sowjetischen und russischen Geheimdiensten beschuldigte.

Protest nach Kritik an Soldaten

Auch vor der Armee, die Russlands Invasion bekämpft, macht Farion nicht halt. Im November 2023 führte ihre Aussage, die russischsprachigen ukrainischen Soldaten seien »keine Ukrainer« und gehören »in die Strafbataillone«, für eine Welle der Empörung.

An der Polytechnischen Universität Lwiw, an der Farion unterrichtete, kam es wenige Tage später zu heftigen Studentenprotesten, bei denen der Rauswurf der Nationalistin gefordert wurde. Schließlich gab das Bildungsministerium nach und kündigte ihr, der Geheimdienst SBU nahm sogar Ermittlungen wegen rassistischer Aussagen und Beleidigung auf. Im Februar verlor Farion schließlich den Rechtsstreit um ihre Wiedereinstellung.

Auch in nationalistischen Kreisen machte sie sich zunehmend unbeliebt, nachdem sie auf Telegram sensible Daten eines angeblichen Anhängers auf der Krim veröffentlicht hatte, der dadurch ins Visier der russischen Behörden geriet.

Am Montag wurde Farion in Lwiw beerdigt, die Fahndung nach dem Schützen läuft weiter. Auf Telegram kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj, der Farions Familie sein persönliches Beileid ausgesprochen hatte, an, »alle Versionen« des Mordes, die infrage kommen, zu untersuchen, »inklusive der, die nach Russland führt«.

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