- Wirtschaft und Umwelt
- Devisenknappheit
Kuba will mehr Dollar ins Land holen
Neue Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise sind unter Ökonomen umstritten
In Anbetracht der schweren Wirtschaftskrise hat Kubas Regierung neue makroökonomische Maßnahmen angekündigt – und die haben es in sich. Zuvor hatte die Regierung erklärt, dass die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent geschrumpft ist. »Wir haben nicht ausreichende Deviseneinnahmen, fast keinen Zugang zu externen Krediten und eine geringe Erholung der nationalen Produktion«, umriss Wirtschaftsminister Joaquín Alonso das Szenario. »Gleichzeitig gibt es Einschränkungen bei Brennstoffen und Energie, eine hohe und anhaltende Inflation und eine hohe Auslandsverschuldung.«
Vor diesem Hintergrund werde die Regierung die Wirtschaft weiter dollarisieren, erklärte Ministerpräsident Manuel Marrero vor der Nationalversammlung. Hotels, Geschäfte und andere Einrichtungen im Tourismussektor akzeptieren in Zukunft Zahlungen in US-Dollar und anderen Devisenwährungen in bar. Zudem werden bestimmte Hafendienste sowie die Einfuhrzölle privater Unternehmen künftig in Devisen berechnet. Die Vision der Regierung ist es, »die Wirtschaft überhaupt nicht zu dollarisieren«, so der Premier, aber in diesem Szenario »müssen wir diesen Weg gehen, damit der Peso eines Tages seinen Wert wiedererlangen kann«.
Der kubanische Ökonom Omar Everleny Pérez blickt kritisch auf die Ankündigung: »Es hat bereits eine Teil-Dollarisierung der Wirtschaft stattgefunden, und es wurde gesagt, dass dies nicht noch einmal geschehen würde, aber genau das passiert.« Er empfiehlt die Einrichtung privater Wechselstuben zu den vom (informellen) Markt festgelegten Kursen. »Der Staat würde für diese Operationen eine Provision verlangen, hätte aber realistischere Statistiken über die gehandelten Beträge.« Derzeit existiert kein regulärer Wechselmarkt; offizieller und informeller Umtauschkurs liegen weit auseinander. Die Anpassung des Wechselkurses werde schrittweise erfolgen, so Ministerpräsident Marrero. Zunächst müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, durch die Reduzierung des Bargeldumlaufs in kubanischen Peso (CUP), das Vorantreiben der »Bankarisierung«, also bargeldloser Zahlungen, und die Erhöhung der Einnahmen durch Abgaben und Steuern.
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Gleichzeitig erhöht die Regierung die Kontrolle gegenüber dem Privatsektor. Mehr als 11 000 Unternehmen sind seit der Schaffung einer Rechtsform für Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) vor drei Jahren gegründet worden. Sie erwirtschaften nach Regierungsangaben bereits 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und haben seit Anfang 2023 Waren im Wert von mehr als zwei Milliarden US-Dollar importiert.
Doch nun errichtet die Regierung neue Hürden. Neben Zollgebühren in Devisen und weiteren Auflagen sollen die Zahlungen für Importe künftig ausschließlich von Konten bei kubanischen Banken erfolgen. Bislang werden Importe in der Regel über Auslandskonten oder Mittelsmänner bezahlt. Da die Regierung keine Devisen an nichtstaatliche Unternehmen verkauft und es derzeit keinen Mechanismus gibt, der es einem Privatunternehmen ermöglicht, Devisen über das kubanische Bankensystem ins Ausland zu transferieren, ist unklar, wie die Maßnahme in der Praxis funktionieren soll.
Staatspräsident Miguel Díaz-Canel kritisierte derweil in seiner Rede vor dem Parlament, dass viele der Privatunternehmen »das Vertrauen des Staates nicht erwidert haben«. Er versprach, gegen »mangelnde Kontrolle, Illegalität, Steuerhinterziehung, Spekulation und Betrug« vorzugehen. Und er bemängelte, dass »ein großer Teil« der KKMU »sich der Vermarktung von importierten Produkten verschrieben hat, die zwar einige der unmittelbaren Bedürfnisse der Bürger befriedigen, aber nicht zur Entwicklung des Landes beitragen«. Die KKMU seien konzipiert worden, um »den staatlichen Sektor vor allem durch die Produktion zu ergänzen«.
In der Tat importieren diese Unternehmen primär Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs. Aber sie stopfen so eine Versorgungslücke, die der klamme Staat zu füllen nicht mehr in der Lage ist. Angesichts der starken Inflation führte die Regierung Anfang Juli Preiskontrollen für eine Reihe von Basisprodukten ein. Die Maßnahme ist jedoch umstritten. Das Problem der hohen Preise allein auf die Privaten zu schieben, greift auch zu kurz. Die geringe Produktion und das hohe Haushaltsdefizit sind das eigentliche Problem, das erkennt selbst die Regierung an.
Ökonom Pérez zeigt sich skeptisch. »Jedes Jahr werden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien verabschiedet, aber es zeigen sich keine Ergebnisse.« Unter den angekündigten Maßnahmen seien keine, um die strukturellen Veränderungen herbeizuführen, die das Land für die Steigerung der Produktion insbesondere von Lebensmitteln brauche. »Die Wirtschaft ist geschrumpft, das Haushaltsdefizit ist hoch, es gibt Inflation, Knappheit an Grundgütern, der Transport verbessert sich nicht. Wann werden sich diese Indikatoren also ändern?«
»Wir haben nicht ausreichende Deviseneinnahmen, fast keinen Zugang zu externen Krediten und eine geringe Erholung der nationalen Produktion.«
Joaquín Alonso Wirtschaftsminister
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