DDR-Staat und Fußballfans: Die ewige Machtprobe

Die Ausstellung »Im Objektiv der Staatsmacht« widmet sich einer umkämpften Beziehung

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Fußballfans von FC Magdeburg heben Schals hoch
Fußballfans von FC Magdeburg heben Schals hoch

Nachdem die Fußball-Europameisterschaft der ganzen Welt gezeigt hat, dass Deutschlands Verkehrsinfrastruktur am Rand der Dysfunktionalität steht, gibt es in Potsdam eine Nachlese der anderen Art. Auch Sommermärchen, die keine sind, werfen Schatten, lange Schatten. Eine Wanderausstellung, die bis zum 18. August auf dem Alten Markt neben dem Landtagsgebäude gastiert, befasst sich mit dem Thema Fußball als Sicherheitsproblem vor 1990. Hinter »Im Objektiv der Staatsmacht« stehen das Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg und die Agentur Exhibeo. Förderer sind die Bundesstiftung Aufarbeitung und die Kulturstiftung des Deutschen Fußball Bundes.

Angesichts von Vandalismus und Randale im Umfeld von Fußballspielen rief ein Leipziger Universitätsprofessor zu DDR-Zeiten einmal aus, gegen diese Gefahr müsse die Gesellschaft »feldmarschmäßig Front machen«. So weit kam es zwar nicht, aber die Ausstellung auf dem Alten Markt vermittelt, dass auch damals von den Begleiterscheinungen des Fußballsports eine Belastung ausging, die mit den Jahren nicht kleiner wurde. Das wurde nicht dadurch abgemildert, dass die Sportnation DDR genau in dieser populärsten aller Sportarten im weltweiten Vergleich bis zum Schluss eher Mittelmaß blieb.

Die etwa 15 Tafeln der Open-Air-Ausstellung betrachten diese Geschichten durch die Linsen der Staatsmacht, fußen also auf der Beobachtung und Dokumentation von Volkspolizei und Staatssicherheit. Hooligans und Rechtsradikale gab es auch in der DDR. Sie waren Teil der Oberliga-Spiele, ließen gelegentlich zerstörte Stadien und demolierte Reichsbahnwaggons zurück. »Bei Hochsicherheitsspielen sind die Sicherheitsorgane im Großeinsatz« heißt es, und die Rede ist von »weiträumigen Kontroll- und Observationspunkten«. Fotos von Hieb- und Stichwaffen, die die Transportpolizei eingezogen hatte, Schlagringe und -ketten, die durch eingebaute Rasierklingen noch gefährlicher gemacht wurden, geben die punktuelle Gefährlichkeit wieder.

Es ist die Geschichte vom alten Duell zwischen Fußballanhängern und Sicherheitskräften, ein Spektakel, das überall auf der Welt aufgeführt wird. Ausgelöst durch den leicht entzündlichen Hass auf die Vertreter der Staatsmacht, der nun einmal in jeder Menschen-Zusammenballung schlummert. So ist das Fußballspielen am Rande immer auch Gelegenheit für eine Machtprobe zwischen unten und oben.

In der DDR hieß es, das Fußballspiel biete »breiten Raum für unerwünschtes Verhalten und Sympathieerklärungen sowie auch für Kritik am Staat«. Das in der demokratischen Republik kultivierte sozialistische Menschenbild war für den Rahmen des Erlaubten maßgeblich: »Das Blasen auf Signalhörnern, westliche Fan-Utensilien, kritische Transparente oder Fan-Choräle, die den Staat, Partei und Sicherheitsorgane herabwürdigen, gehören nicht dazu und werden als unerwünscht bekämpft.« Ungern gesehen war auch, wenn DDR-Fans neben ihren Mannschaften einem westdeutschen Klub die öffentlich bekundete Treue hielten.

Die Klubs und Betriebssportgemeinschaften waren bemüht, Gewalt und Zerstörung mit Unterstützung der Polizei einzugrenzen. Polizei und auch Staatssicherheit waren darauf aus, Aktivisten und Initiatoren unerlaubten Verhaltens »erkennungsdienstlich zu behandeln und strafrechtlich zu verfolgen«. Die Volkspolizei richtete spezielle »Fotoaufklärungsgruppen« ein, die das in den Stadien angefertigte Bildmaterial auswerteten. Unter die Fotoreporter von Zeitungen mischten sich demzufolge auch Fotografen, die nicht am Spiel, wohl aber an den Stadionrängen Interesse zeigten.

Parolen wie »Trotz Mauer, Stasi, Stacheldraht – gemeinsam sind wir ewig stark« waren in den DDR-Stadien undenkbar, sie waren in westdeutschen Sportstätten fotografierbar, wenn sich DDR-Mannschaften dort einfanden. Bezeichnend auch bei dieser Gelegenheit der Spruch: »Reißt die Mauer nieder, Dresden in die Bundesliga«. Tatsächlich ist es dann so gekommen: Im Jahr nach der Wiedervereinigung wurden die DDR-Klubs Hansa Rostock (letzter DDR-Meister) und Dynamo Dresden (Vizemeister) in die Bundesliga aufgenommen, aus der sie aber alsbald wieder verschwanden.

»Im Objektiv der Staatsmacht. Fußballfans im Blick von Stasi und Volkspolizei«, bis 18. August auf dem Alten Markt in Potsdam, ganztägig zugänglich, Eintritt frei.

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