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Klimawandel: Zu viel Grau, zu wenig Grün
Noch immer hapert es in zahlreichen deutschen Städten am Hitzeschutz
Hitze ist das größte durch die Klimakrise bedingte Gesundheitsrisiko in Deutschland. Vor allem in dicht bebauten Städten wird das zum wachsenden Problem. Dass Handlungsbedarf besteht, kommt langsam auch in der Politik an. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) stellte am Montag ihre Hitzeschutzstrategie vor. Auf 24 Seiten empfiehlt das Papier unter anderem mehr Parks, Straßenbäume und grüne Dächer, die in der Stadt für Abkühlung sorgen. Auch das Thema Entsiegelung wird angesprochen. Damit Pflanzen in längeren Trockenperioden nicht absterben, heißt es in der Strategie, müssten Flächen geschaffen werden, wo Regen versickern kann.
Doch das sei nicht genug, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die Organisation veröffentlichte am Dienstag ihren ersten »Hitze-Check«, in dem sie analysiert, wie hoch die Belastung in den 190 deutschen Städten mit mehr als 50 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist. Wie gut sind die Städte vorbereitet, wo leiden die Menschen am meisten unter zu viel Beton und Asphalt, lauten die zentralen Fragen. Das Ergebnis: Zu wenige Städte bieten ausreichend Grün als Schutz vor der Hitze.
Zwei Kriterien legte die Umwelthilfe ihrer Auswertung zugrunde: Zum einen den Anteil an versiegelten Flächen im Stadtgebiet, zum anderen das sogenannte Grünvolumen, in das neben der Größe auch die Qualität der vorhandenen Grünflächen eingeht. Wie sehen die unversiegelten Flächen aus? Ist es nur Rasen oder wachsen dort Bäume, die Schatten spenden, CO2 binden und durch Verdunstung kühlend wirken? »Grün ist nicht gleich Grün«, sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. »Der Rollrasen kann mit dem alten Baumbestand nicht mithalten. Deshalb ist es entscheidend, dass neben Rasenflächen auch Bäume, Büsche und Wiesen in unseren Städten zu finden sind.«
Nicht einmal die Hälfte der Städte, nämlich 84, erhält bei dem Hitze-Check eine grüne Karte, also eine gute Bewertung. Darunter sind Städte wie Detmold, Potsdam, Jena, aber auch eine Metropole wie Berlin. Die Versiegelung liegt jeweils unter dem bundesweiten Durchschnitt von 45 Prozent, bei gleichzeitig hohem Grünvolumen. 82 Städte bekommen hingegen eine gelbe Karte, etwa Sindelfingen oder Kaiserslautern, die zwar stark versiegelt sind, aber auch viel Grünvolumen haben. Oder auch Pulheim und Wilhelmshaven, wo es umgekehrt ist. 24 Städte erhalten eine rote Karte. Angeführt wird die Negativliste von der Industriestadt Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz, wo fast 60 Prozent versiegelt sind und auf den Grünflächen kaum Bäume wachsen. Auffällig ist, dass vor allem Städte in den alten Bundesländern hohe Versiegelungsanteile aufweisen.
»Wir fordern ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen.«
Barbara Metz DUH-Bundesgeschäftsführerin
»Wir versiegeln immer noch zu viel«, fasst Barbara Metz zusammen. Derzeit verschwänden 50 Hektar pro Tag in Deutschland unter neuen Straßen, Häusern, Logistikhallen und Gewerbeflächen. Bis 2030 will die Bundesregierung den Flächenfraß auf 30 Hektar pro Tag reduzieren, 2050 soll er bei null liegen. Die Umwelthilfe hält das für zu spät. Vor allem kritisiert sie, dass die Ziele bislang nicht gesetzlich verankert sind. Auch Ministerin Geywitz hat dies in ihrer Hitzeschutzstrategie nicht vorgesehen. »Wir fordern ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen«, sagt Metz. »Der anhaltende Trend zu mehr Beton und weniger Grün ist alarmierend.« So wie es verpflichtende Vorgaben für den Bau von Pkw-Stellplätzen gebe, müsse es auch Vorgaben für verbindliche Grünanteile auf kommunaler Ebene geben.
Möglichkeiten zur Entsiegelung gebe es aus DUH-Sicht genug, etwa Parkplätze oder asphaltierte Hinterhöfe sowie Schottergärten und ungenutzte Flächen. Oder Schulhöfe: In Mannheim und Singen soll dies mit dem Projekt »Gesund unterwegs im Stadtquartier« der Umwelthilfe und von Krankenkassen an zunächst vier Schulen und den umgebenden Stadtvierteln umgesetzt werden. Mehr Hitzeschutz könnten auch Fassaden- oder Dachbegrünungen bringen und nicht zuletzt der Erhalt vorhandener Baumbestände.
Doch vielfach fehlt es am Geld. Nachdem Ministerin Geywitz ihre Hitzeschutzstrategie vorgelegt hatte, meldeten sich Kommunen und Sozialverbände zu Wort und forderten mehr finanzielle Unterstützung des Bundes für die »Daueraufgabe Hitzeschutz«. Die Oberbürgermeisterin von Bonn und Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, Katja Dörner, sagte der »Rheinischen Post«, es gebe in vielen Kommunen zwar bereits Hitzeaktionspläne, doch solche Pläne blieben »Papiertiger, wenn wir die geplanten Maßnahmen nicht umsetzen können, weil den Kommunen das Geld fehlt«. Auch die Präsidentin des Sozialverbands VDK, Verena Bentele, forderte mehr Unterstützung vom Bund. So müssten vor allem Altersheime, Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser mit Klimaanlagen ausgerüstet werden.
Woher das Geld kommen soll, ist in Zeiten leerer Kassen und ständiger Sparhaushalte eine offene Frage. Die Deutsche Umwelthilfe jedenfalls will ihren Hitze-Check nun regelmäßig durchführen.
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