- Sport
- C’est la vie – Die Olympia-Kolumne
Paris geht baden
Unser Olympiareporter findet eine Badestelle in Paris, an der man sich nicht um die Wasserqualität sorgen muss
Herrje, das Wasser! Eau de Paris! Es bereitet den Olympiamachern die größten Probleme. Schon bei der verregneten Eröffnungsfeier gab es zu viel davon. Vor allem aber die Seine, die man so ehrgeizig in ein beschwimmbares Gewässer verwandeln will, macht weiterhin Probleme: Das für Montag angesetzte Seine-Training der Triathleten musste abgesagt werden.
1,4 Milliarden Euro investierten der Staat und die Region Île-de-France, um aus der Seine einen Fluss zu machen, in dem Menschen nach den Spielen wieder baden können. Doch es ist schwierig: Nach den starken Regenfällen von Freitag und Samstag ist die Wasserqualität einfach zu schlecht. Inzwischen steht fest: Der Wettkampf der Triathleten muss von Dienstag auf Mittwoch verschoben werden. Auch eine Verschiebung auf Freitag steht noch im Raum.
nd-Sportchef Jirka Grahl berichtet zum vierten Mal von Olympischen Spielen.
Dabei kann man in Paris schon im Freien baden gehen: im 19. Arrondissement beispielsweise sogar sehr idyllisch, in der »Baignade Villette« am Canal de l’Ourcq. Ein Ponton am Ufer eines sehr beliebten Kanalbeckens mitten in Paris, am Quai de la Loire. Auch dieser Tage ist das Bad bestens besucht: Der Eintritt ist frei, in Paris herrscht Hitze, am Einlass zum abgesperrten Uferbereich stauen sich die Badegäste, drinnen drängen sie sich auf den Liegestühlen. Man hört Lachen und Geschrei. Freibad-Geräusche. Kinder planschen im flachen Becken, es gibt insgesamt vier verschiedene mit Badetiefen von 40 Zentimetern bis zu zwei Metern; sie schwimmen allesamt, sind wie Legosteine zusammengebaut, liegen dabei fest verankert in der leichten Strömung des Kanals.
»Baden ist hier sicher«, erklärt Nessrine Acherar, »wir kontrollieren zwei- bis viermal täglich die Wasserqualität.« Acherar ist Ingenieurin und bei der Stadt angestellt als Verantwortliche für die Sicherheit der Sportstätten. Das Villette-Bad ist ein Vorzeigeprojekt seit seiner Inbetriebnahme. Acherar hat Schautafeln mitgebracht, auf denen sie die Einzigartigkeit des Bades erklärt: die modulare Bauweise, von einer belgischen Firma erfunden. Den Aufwand, den die Stadt betreibt: mit dem Aufbau im Juni und dem Abbau Ende September. Die Kosten: zwei Millionen Euro. Die stolzen Besucherzahlen: Seit der Eröffnung 2017 waren pro Saison jährlich etwa 80 000 Menschen zu Gast.
Die Pariser lieben das Draußensein, schon immer: Im 17. Jahrhundert ist auch noch sehr viel in der Seine gebadet worden, damals noch nackt, wenn auch getrennt nach Männlein und Weiblein. Im 18. Jahrhundert hatten sogenannte Badeboote auf der Seine Hochkultur, sie ähnelten dem schwimmenden Villette-Ponton von heute. Doch mit der Industrialisierung kam der Dreck, und schließlich wurde 1923 das Baden in der Seine verboten. Wenn alles gut läuft, kann man 2025 wieder regelmäßig im Fluss baden. Bürgermeisterin Anne Hidalgo planschte vor zwei Wochen schon öffentlichkeitswirksam an der geplanten Badestelle Bras Marie. Hinterher zeigten Messungen, dass das Wasser nach europäischen Normen zum Baden ungeeignet war.
Auch auf der Website des Villette-Bades wird gewarnt: Bei schlechter Wasserqualität bleibt das Bad geschlossen! Heute herrscht indes Hochbetrieb, vor allem im Kinderbecken. Ein Mädchen mit Rastazöpfen springt vom Rand in einen Wasserring, sie verfehlt ihn platschend. Zwei Jungen toben mit Wasserpistolen über die holzgedielte Beckenumrandung. Sie quietschen vor Vergnügen. »Die Stadt bietet hier Schwimmkurse an; insgesamt hat Paris zu wenige Schwimmbäder und zu viele Nichtschwimmer«, sagt Acherar.
Im Schwimmerbecken nur ein paar Meter weiter hingegen tut sich verdächtig wenig, es ist komplett leer. Die meisten Besucher liegen schlicht in den Liegestühlen und lassen sich lieber die Sonne ins Gesicht scheinen. Vielleicht trauen sie dem Frieden nicht? Den Wasserkontrollen der Stadt? Nein, nein: »Das Wasser ist hier sauber, das wissen alle«, lächelt die Ingenieurin. »Der Kanal hat ja eine leichte Strömung Richtung Seine und mündet in den Fluss. Hier ist das gute Pariser Wasser!«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.