Wenn die Öltanker stillstehen

Ein Drittel der globalen Schifffahrtskapazität dient derzeit dem Transport fossiler Energien

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.
LNG-Tanker wie die »Arctic Lady« sind besonders teuer.
LNG-Tanker wie die »Arctic Lady« sind besonders teuer.

Den Reedereien geht es derzeit blendend. Seit Beginn des Jahres haben sich die Preise für den Transport von Containern verdoppelt. Der Grund dafür sind die Überfälle der jemenitischen Huthi-Armee auf Frachtschiffe im Roten Meer. Diese nutzen daher nicht mehr den Suezkanal auf dem Weg von Europa nach Asien, sondern den deutlich längeren Weg um das Kap der guten Hoffnung. Das gleiche gilt für Öl- und Gastanker aus den Golfstaaten. Die längeren Fahrten binden Transportkapazität und treiben so die Frachtraten nach oben – auf ein Niveau, das nur während der Corona-Pandemie übertroffen wurde.

Doch da solche Krisen irgendwann enden, dürften sich die Frachtraten zumindest für Containerschiffe wieder normalisieren. Anders sieht das bei Kohlefrachtern sowie insbesondere bei Öl- und Gastankern aus, die gemessen am Transportvolumen ein Drittel der Hochseeflotte ausmachen. Wenn die Länder der Welt ernsthaft die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen und die Nutzung der fossilen Brennstoffe weitgehend beenden, werden viele dieser Schiffe schlicht nicht mehr gebraucht. Im Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) fallen der Kohleverbrauch bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent, der Ölverbrauch um 75 Prozent und der Gasverbrauch um 78 Prozent. Folglich fällt auch der Bedarf an Transportkapazität für diese Energien.

Dies hätte dramatische Folgen für Reedereien und deren Geldgeber. Ein durchschnittlicher Öltanker kostet mehr als 40 Millionen Dollar und ein Tanker für Flüssiggas sogar knapp 200 Millionen Dollar. Dieses Geld muss in der rund 25-jährigen Nutzungsdauer der Schiffe wieder eingespielt werden. Dabei geht es um beachtliche Summen: Die weltweite Flotte von knapp 13 000 Öltankern hat einen Wert von 286 Milliarden und die der knapp 2900 Gastanker von 253 Milliarden Dollar, wie eine Studie der Kühne-Stiftung aus der Schweiz zeigt. Zusammen entspricht der Wert dieser Schiffe dem Bruttoinlandsprodukt von Österreich.

Mangels Nachfrage nach Öl- und Gastransporten werden aber viele der Schiffe vorzeitig abgewrackt werden müssen: Selbst wenn ab sofort keine neuen mehr gebaut werden, dürften bereits im Jahr 2030 die Öl- und Gastankerkapazitäten um 25 bis 30 Prozent zu groß sein. Solche Spezialschiffe lassen sich nur schwer umnutzen.

Wenn Investitionsgüter wie Schiffe ihren Wert früher als erwartet verlieren, spricht man in Finanzkreisen von »gestrandeten Vermögenswerten«. Im Fall der Öl- und Gastanker geht es um erhebliche Summen: Im Jahr 2030 könnten Schiffe im Wert von 90 bis 108 Milliarden Dollar »gestrandet« sein und noch viel mehr, falls noch zusätzliche Schiffe auf Kiel gelegt werden. Das ist nicht nur ein Problem für Reedereien, sondern auch für Banken, die in der Schiffsfinanzierung aktiv sind, wie die Hamburg Commercial Bank (HCOB). Deren Chef für Schifffahrt, Jan-Philipp Rohr, sagte kürzlich gegenüber dem Branchendienst Shipping Watch: »Die Frage ist, wie lange der Tankermarkt noch gut sein wird und ob die Reeder die Möglichkeit haben, die Kredite über diesen Zeitraum zurückzuzahlen.« Aus Sicht von HCOB ist daher Vorsicht geboten: »Langfristig werden wir vielleicht nicht diejenigen sein, die Kredite für Öltanker vergeben.«

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