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Funan-Techo-Kanal: Kambodschas neuer Kanalkoloss
Zum Baubeginn des Funan-Techo-Kanals sind viele Fragen offen, Umweltschützer warnen vor Risiken
Der feierliche Klang von Glocken, Gongs und Trommeln, dann der symbolische Druck auf den Knopf durch Kambodschas Premier Hun Manet: Damit starten die Arbeiten an einem riesigen Infrastrukturvorhaben, dessen Kosten mit 1,7 Milliarden US-Dollar veranschlagt sind. Rund 10 000 Gäste wohnten dem Festakt am Montag in einem Dorf westlich der Hauptstadt Phnom Penh in der Nachbarprovinz Kandal bei. Schüler*innen, Studierende, Beamt*innen und andere hatten den Rest des Tages frei.
Die Regierung des südostasiatischen Königreiches inszeniert aber nicht nur den Auftakt zum Funan-Techo-Kanal als Staatsakt. Generell wird das Vorhaben mit einer geplanten Bauzeit von vier Jahren, bis Schiffe die erste künstliche Wasserstraße des Landes nutzen können, als »historisches« Zukunftsprojekt dargestellt – und jeder Einwand kategorisch zurückgewiesen. »Wir müssen diesen Kanal um jeden Preis bauen«, sagte der Regierungschef.
Der Startschuss fand ein Jahr nach dem dynastischen Machtwechsel statt: Im August 2023 übernahm Hun Manet das Amt des Premiers von seinem Vater Hun Sen, der Kambodscha seit 1985 mit nur einer kurzen Unterbrechung geführt hatte. Die ersten Vorbereitungen samt einer Machbarkeitsstudie fielen noch in dessen Regierungszeit. Am Montag war auch der Geburtstag Hun Sens, der nun als Vorsitzender des Senats das Projekt weiter genau verfolgt.
Der Kanal soll mit einer Länge von 180 Kilometern den Hafen von Phnom Penh mit dem Golf von Thailand verbinden. Im Oberlauf wird der südostasiatische Kanal, zu dem elf Brückenbauten und eine begleitende Uferstraße gehören, 100 Meter breit sein, im südlichen Abschnitt werden es 80 Meter. Die Tiefe der Fahrrinne für Schiffe bis 3000 Tonnen soll 5,4 Meter betragen.
So sehr Kambodschas Politik nationalistische Töne anschlägt, weil das Vorhaben das Land mit einer »unabhängigen Frachtroute« versorgt und »Souveränität sichert«, handelt es sich auch um ein Teilprojekt von Chinas Belt and Road Initiative, hierzulande unter dem Begriff Neue Seidenstraße bekannt. Kritiker*innen sehen darin einen Versuch der Volksrepublik, mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten ärmere Länder an sich zu binden. Auch der Bau des Kanals erfolgt mit massiver chinesischer Hilfe, wenngleich Kambodscha 51 Prozent der Anteile hält und die fertige Wasserstraße später in nationale Hände übergehen soll.
Bisher werden Waren auf dem Seeweg von und nach Phnom Penh über vietnamesische Häfen im Mekongdelta bei Ho-Chi-Minh-Stadt geleitet. Der Kanal soll diese Abhängigkeit vom östlichen Nachbarn erheblich verringern, mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen.
Und Kambodschas Regierung wirbt damit, dass im Umfeld des Kanalbaus fünf Millionen neue Jobs entstehen würden, allein 40 000 in der Bauzeit: ein gewichtiges Argument in einem Land, in dem es gerade für die gut ausgebildete Jugend nicht genügend Arbeitsplätze mit solider Entlohnung gibt. Einen Aufschwung erhofft man sich zudem für den Ökotourismus. Für die südlichen Provinzen dürfte es, so die Befürworter, weitere Investitionen, Infrastrukturmaßnahmen und wirtschaftliches Wachstum geben.
Abseits regierungsamtlicher Stellen in Kambodscha gibt es aber auch Bedenken oder zumindest Hinweise auf offene Fragen. So wird nicht nur die Seriosität der bisherigen Kostenschätzung in Zweifel gezogen, sondern auch auf mögliche ökologische Gefährdungen durch das Mega-Projekt hingewiesen, das in mehreren Provinzen einen massiven Landschaftseingriff darstellt.
So ist bislang kaum untersucht, wie sich durch den Kanalbau der Wasserlauf des mächtigen Mekong, der blauen Lebensader des festländischen Teils Südostasiens, verändern wird. Das vietnamesische Institute for Environment and Natural Resources sieht Gefahren dadurch, dass das Kanalbett bis zu zwölf Meter tief ausgehoben wird, was darunterliegende Bodenschichten beschädige. Schwefelsäure sowie gesundheitsschädliche Schwermetalle wie Arsen, Kadmium und Blei könnten so freigesetzt werden, Ackerflächen und Wasser-Ökosysteme verseuchen, zitierte das Umweltportal Mongabay den Institutsdirektor Le Phat Quoi.
Vannarith Chheang, Chef des Sozialunternehmens Angkor Social Innovation Park, das Nachhaltigkeitsbestrebungen in Kambodscha unterstützt, verwies auf ähnliche Kanalprojekte in China, die eher zehn Milliarden Dollar kosteten. Auch die Erwartungen, der Kanal würde schon im ersten Betriebsjahr 88 Millionen Dollar Gewinn einspielen und diesen bis 2050 auf 570 Millionen jährlich steigern, seien nicht unterlegt und zu hoch gegriffen. Kritiker*innen sehen ferner außenpolitisches Konfliktpotenzial: Das mit den Nachbarländern nicht abgesprochene Großprojekt könnte perspektivisch sogar das von 1995 stammende Mekong-Abkommen zwischen Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam aushebeln, wenn weitere Anliegerstaaten mit ähnlichen Alleingängen folgten.
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