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Russland: Machtspiel mit Generälen
In Russland werden immer mehr hochrangige Militärs wegen Korruption verhaftet
Zum Wochenbeginn klickten in Russland erneut die Handschellen in der Führungsetage des Verteidigungsministeriums. Dieses Mal traf es mit Generalmajor Wladimir Schesterow, zuständig für den Bereich Innovation, und Wjatscheslaw Achmedow zwei Männer, die für den Militärfreizeitpark Patriot bei Moskau verantwortlich waren.
Das Staatliche Ermittlungskomitee wirft ihnen »Betrug im Rahmen einer organisierten Bande oder großen Ausmaßes« vor. Sie sollen zusammen mit Komplizen 40 Millionen Rubel (430 000 Euro) aus dem Verteidigungshaushalt abgezweigt haben, die für den Militärpark bestimmt waren. Ihnen drohen zehn Jahre Haft.
Schesterow ist nicht der erste General, gegen den das Ermittlungskomitee vorgeht. Seit dem 26. Juli sitzt Dmitri Bulgakow in einem Moskauer Gefängnis in Haft. Über die Gründe seiner Verhaftung gibt es von offizieller Seite bisher nur rare Informationen: Es geht um Korruption. Bulgakow, von 2008 bis Herbst 2022 stellvertretender Verteidigungsminister und Chef für rückwärtige Dienste, war auch für die Versorgung der Armee, etwa in Syrien, zuständig. Dabei soll weit über dem Marktpreis bezahlt worden sein. Außerdem sollen Unternehmen Schweine- und Geflügelfleisch statt des vereinbarten Rindes geliefert haben.
Verhaftungen fast im Wochentakt
Seit dem 14. Mai vergeht kaum eine Woche, ohne dass hochrangige Militärbeamte zurücktreten oder verhaftet werden. Schesterow ist inzwischen der sechste wegen Korruption Inhaftierte im Generalsrang – nach dem Generalmajor Juri Kuznezow, Generalmajor Iwan Popow sowie der Generalleutnant Wadim Schamarin. Ein Sonderfall ist der bereits im April verhaftete Stellvertreter des damaligen Verteidigungsministers Sergei Schoigu, Armeegeneral Timur Iwanow. Zunächst wurden ihm Schmiergeldzahlungen in einer für seinen Rang lächerlichen Summe vorgeworfen.
Iwanow war für die Immobilien des Verteidigungsministeriums zuständig. Eine Goldgrube, gilt doch der öffentliche Bausektor in Russland als äußerst anfällig für Korruption. Mittlerweile wurde die Anklage auf »Vaterlandsverrat« ausgeweitet, ein Vorwurf, den Iwanows Anwalt bestreitet.
Verhaftete Generäle waren Zivilisten
Ein Blick auf die Biografien der gefallenen Generäle zeigt eine auffällige Gemeinsamkeit. Bis auf Generalmajor Popow, der zeitweise die 58. Armee im Ukraine-Krieg befehligte, haben alle Beschuldigten ihren Rang lediglich »amtshalber«. Sie sind Topmanager im Bereich von Logistik, Bau, Immobilien- oder Personalverwaltung. Die meisten gelten als eng mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Sergei Schoigu affiliert.
Bis zu seiner Absetzung im Mai war Schoigu Russlands dienstältester Minister. Bereits 1994 wurde er Minister für Katastrophenschutz, später Mitbegründer der Kreml-Partei Einiges Russland und Gouverneur des Moskauer Gebiets. Ein Berufsmilitär war Schoigu jedoch nie – genau wie Präsident Wladimir Putin hat er nicht mal den Grundwehrdienst geleistet. Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges galt Schoigu sowohl bei der Truppe als auch in der öffentlichen Meinung als zunehmend unpopulär. Nach seiner Wiederwahl ersetzte Putin seinen Gefährten deshalb durch Andrej Belousow, ebenfalls ein Zivilist.
»Säuberung« im Machtapparat?
Oppositionelle Medien sprechen inzwischen von einer »Säuberung im Verteidigungsministerium«. »Ultra-Patrioten«, »Z-Blogger« und Hardliner kommentieren das Vorgehen gegen hochrangige Beamte, die kaum mit dem Kriegshandwerk in Berührung gekommen sind, mit Schadenfreude und spekulieren über einen »Austausch der Eliten«.
Anzeichen, dass die Repressionen gegen Schoigu-Vertraute einen politischen Kurswechsel oder das Nachrücken verdienter Frontkämpfer nach sich ziehen würde, gibt es aber nicht. Offen bleibt die Frage, ob die militärischen Misserfolge des ersten Kriegsjahres nun offiziell mit Korruption und Verrat erklärt werden sollen.
Es geht um Machtkämpfe und Ressourcen
Putins Machtsystem wird von seinen Gegnern gerne als durch Korruption geprägt bezeichnet, wodurch der irrtümliche Eindruck entsteht, der Staat gehe nicht gegen Korruption vor. Allerdings sind medienwirksame Korruptionsermittlungen ständige Begleiter von Putins Amtsführung.
Bürgermeister und Gouverneure müssen immer damit rechnen, vor Gericht zu landen. Dabei geht es jedoch nur vordergründig um Korruption. Jeder neue Prozess wird von der russischen Öffentlichkeit – durchaus realistisch – als Ergebnis von Machtkämpfen verschiedener Fraktionen um den Zugang zu Staatsressourcen gedeutet. Die Trennung von staatlichen und privatkapitalistischen Interessen, die die liberale Opposition für ein Ideal und die linke Opposition für unvorstellbar hält, ist auch nach den aktuellen Prozessen in Russland nicht zu erwarten.
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