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Schiffbruch der kubanischen Sportnation
Bei den Spielen in Paris manifestiert sich der olympische Niedergang der Karibikinsel
Erislandy Álvarez heißt der Mann, der die Ehre des kubanischen Boxsports verteidigt hat. Álvarez holte am Mittwochabend die erste Goldmedaille für die kubanische Boxstaffel, die so gern als »unsinkbares Schiff« der kubanischen Olympiadelegation bezeichnet wird. Warum? Weil die Boxstaffel in der überaus erfolgreichen Sportgeschichte der Karibikinsel eigentlich immer für mehrere Medaillen gut war. Noch vor drei Jahren in Tokio sorgte die Boxstaffel mit vier von insgesamt sieben Goldmedaillen für eine gute »Medaillenernte« wie es in Kuba so gern heißt.
Doch diese Zeiten sind vorbei und das hat viele Gründe: Einer ist das geänderte Reglement, das mit dafür gesorgt hat, dass der kubanischen Staffel diesmal nur fünf statt einst elf Faustkämpfer angehören. Ein anderer ist die Tatsache, dass kubanische Trainer auch in anderen Ländern arbeiten und diese erfolgreich gemacht haben – so wie Pedro Roque in Aserbaidschan. Für das Land tritt auch Loren Berto Alfonso an, ein aus Kuba emigrierter Modellathlet. Alfonso traf im Ring in Paris auf seinen ehemaligen Trainingspartner Julio César la Cruz, immerhin Doppelolympiasieger, und besiegte den kubanischen Medaillenkandidaten.
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Sportlicher »brain drain«
Das Duell der beiden Schwergewichtler ist nicht das einzige zwischen kubanischen Athleten, die unter anderen Flaggen auflaufen. Insgesamt starten mindestens 21 Kubanerinnen und Kubaner in Paris für andere Nationen. Drei davon an diesem Freitag im Dreisprungfinale der Herren. Angeführt wird das Trio von Pedro Pablo Pichardo, dem Favoriten und Titelverteidiger von Tokio im portugiesischen Trikot. Er trifft im Finale auf den unter spanischer Flagge startenden Europameister Jordan Alejandro Díaz sowie auf Andy Díaz im italienischen Trikot. Einzig der vierte kubanische Dreispringer im Bunde, Lázaro Martínez, startet bei dem Wettbewerb unter der Flagge seines Geburtslandes.
Bittere Realitäten aus kubanischer Perspektive, aber zugleich ein Spiegelbild der Verhältnisse in dem Karibikstaat, die seit Jahren von Abwanderung geprägt sind. Abwerbung von Talenten, der sogenannte »brain drain«, ist laut kubanischen Sportfunktionären ein Grund. Die existenzielle Wirtschaftskrise der Insel ein anderer. Der dritte ist die Tatsache, dass Sport und dessen Förderung seit etwa 2006 nicht mehr ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Damals legte Kubas größter Sportfan, Fidel Castro, krankheitsbedingt seine politischen Ämter nieder. Unter seinem Bruder Raúl ging die Förderung der Athleten von der Insel danach spürbar zurück. Die bis dahin als »Botschafter der Nation« etikettierten Athleten wurden weniger gut umsorgt und gefördert.
Niedergang der Athletenförderung
Das Gleiche gilt für die Sportanlagen auf der Insel, sagt Iván García, kubanischer Journalist und Sportfan: »Ein Beispiel dafür ist das Estadio Panamericano. Heute mehr oder minder eine Ruine.« Kein Einzelfall auf der Insel, doch die Sportstätte vor den Toren von Havanna, im Stadtteil Alamar, war so etwas wie die Heimat der Leichtathletikequipe. Dort trainierten die Sportstars der Insel von Hochsprungikone Javier Sotomayor, über 110-Meter-Hürden-Olympiasieger Dayron Robles bis zu Weitspringer Iván Pedroso.
Letzterer, immerhin Weitsprungolympiasieger von Sydney, ist heute in Spanien als Coach tätig und trainiert neben Jordan Alejandro Díaz auch zahlreiche andere Weitsprungathleten im Leistungszentrum in Guadalajara. Überaus erfolgreich – nur nicht mehr unter kubanischer Flagge.
Der Niedergang der kubanischen Sportförderung macht sich in Paris erstmals auch nachhaltig bei der Medaillenernte bemerkbar. Sie dürfte deutlich knapper ausfallen als noch in Tokio. Auch die Delegation der Athleten, die nach Paris reisen durfte, ist mit 62 die kleinste seit 1964. Das offizielle Ziel von mindestens fünf Goldmedaillen wird so kaum zu erreichen sein. Und auch die Abwanderung geht weiter: Während der Spiele haben mit Dayle Ojeda und Yariulvis Cobas zwei weitere Athletinnen Kuba den Rücken gekehrt. Sie haben sich von ihrer Delegation abgesetzt.
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