Gigabatterien könnten Energiewende vorantreiben

Ohne Großbatterien kannibalisiert Grünstrom die eigenen Erträge. Deutschland hinkt beim Bau von Energiespeichern hinterher

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Batteriesystem «Vitkovice» in Tschechien. Deutschland hinkt beim Bau von Energiespeichern hinterher.
Das Batteriesystem «Vitkovice» in Tschechien. Deutschland hinkt beim Bau von Energiespeichern hinterher.

2023 gab es »eine Explosion negativer Strompreise in der EU«, schreibt die EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden. Besonders ausgeprägt war dieses Phänomen in den skandinavischen Ländern. Aber auch in Deutschland bezogen Stromkäufer letztes Jahr ganze 300 Stunden Strom und bekamen dafür Geld. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren wird das immer häufiger. Solar- und Windkraftanlagen produzieren alle gleichzeitig, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Und dann fallen an der Strombörse die Preise – im Extremfall bis unter null. Die Erneuerbaren »kannibalisieren« so ihre eigenen Erträge und machen ihren Ausbau unattraktiver. »Der Effekt ist mittlerweile so stark, dass das Interesse an Investitionen in Solarparks stark zurückgeht«, sagt Alexander Hauk vom Verband kommunaler Unternehmen.

Die Lösung für dieses Problem sind Batterien, die praktischerweise auch immer billiger werden: »In weniger als 15 Jahren sind die Batteriekosten um mehr als 90 Prozent gefallen«, schreibt die Internationale Energieagentur. Das sei »eine der schnellsten Kostenreduktionen, die man je im Bereich der sauberen Energien gesehen hat«. Letztes Jahr hat sich in Europa die Zubaurate an Batterien zum dritten Mal verdoppelt.

Der Großteil der neuen Batterien hat jedoch höchstens einen indirekten Einfluss auf den Börsenstrompreis. Er dient einzelnen Haushalten dazu, den eigenen Solarstrom in den Abendstunden nutzbar zu machen. Was fehlt, sind Gigabatterien, die Stromangebot und -nachfrage auf Ebene des Stromnetzes in Einklang bringen und damit die Preisschwankungen an der Strombörse glätten, sodass negative Strompreise vermieden werden.

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Derartige Batterien sind riesig: Die im Bau befindliche Großbatterie des Energiekonzerns RWE in Nordrhein-Westfalen besteht etwa aus 690 containergroßen Batterieblöcken, die sich auf einer Fläche von drei Fußballfeldern verteilen. Zusammen haben diese eine Leistung von gut 200 Megawatt, was etwa einem Fünftel der Leistung eines Kohle- oder Atomkraftwerks entspricht.

Der Strommarkt der Zukunft

Eine solche Anlage ist nicht ganz billig: RWE investiert in Neurath und Hamm zusammen 140 Millionen Euro. Diese Investition soll mittels zwei Finanzströmen amortisiert werden: Zum einen durch den Kauf und Verkauf von Strom an der Strombörse und zum anderen durch die Bereitstellung von Regelenergie. Mit Regelenergie werden kurzfristige Spannungsschwankungen im Stromnetz ausgeglichen. Dafür eignen sich Batterien besonders gut, da sie innerhalb von Sekunden anspringen und ihre volle Leistung entfalten.

Großbatterien könnten einen hohen Einfluss auf den Strommarkt der Zukunft haben. Auke Hoekstra von der niederländischen Universität Eindhoven sagt etwa: »Vielleicht bin ich verrückt geworden, aber ich glaube, dass billige stationäre Batterien ein unterschätzter Wegbereiter für den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien sind.«

Hoekstra unterscheidet drei Phasen im Aufbau eines Stromnetzes, das zu 100 Prozent auf Grünstrom beruht: In der ersten, ohne Batterien, sind 60 bis 70 Prozent Grünstrom möglich und in der zweiten, mit Großbatterien, sind es 90 Prozent. Erst in der letzten Phase muss Elektrizität dann etwa in Wasserstoff umgewandelt werden, um auch in tagelangen – und europaweiten – »Dunkelflauten« genug Strom produzieren zu können.

Bislang sind in Deutschland erst Großbatterien mit einer Leistung von 1,2 Gigawatt am Netz. Das liegt nicht zuletzt am unsicheren regulatorischen Umfeld: Batterien gelten als Stromkonsumenten wie auch als -produzenten und müssen daher beim Ein- und Ausspeichern das Netzentgelt bezahlen. Aktuell ist diese Doppelbelastung bis 2029 ausgesetzt, anschließend fehlt Investoren die Rechtssicherheit.

Wie es besser geht, zeigt Kalifornien, wo bereits Großbatterien mit einer Leistung von zehn Gigawatt am Netz sind. Diese sorgen dort für eine höhere Stromnachfrage, wenn die Sonne scheint, und für ein größeres Stromangebot nach Sonnenuntergang. Dadurch wird der Strompreis über den Tag geglättet und Strom von Gaskraftwerken aus dem Netz gedrängt, wie eine Analyse der Firma GridStatus zeigt. Gigabatterien haben also den erwünschten Effekt – wenn man sie erst einmal hat.

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