Letzte Generation: Bolzenschneider for Future

Letzte Generation legt vier Flughäfen lahm. Ihre Forderung: völliger Verzicht auf Kohle, Öl und Gas

Mehr braucht es nicht, um einen Flughafen lahmzulegen: Zwei Aktivisten und zwei Bolzenschneider aus dem Baumarkt.
Mehr braucht es nicht, um einen Flughafen lahmzulegen: Zwei Aktivisten und zwei Bolzenschneider aus dem Baumarkt.

Klimaaktivisten der Letzten Generation haben an mehreren deutschen Flughäfen Protestaktionen gestartet und so zeitweise den Flugbetrieb gestört. Je zwei Aktivisten drangen Angaben der Organisation zufolge auf die Flughäfen Berlin-Brandenburg, Stuttgart, Nürnberg und Köln/Bonn ein.

Am Flughafen Köln/Bonn wurde der Flugbetrieb infolge der Protestaktion nach Polizeiangaben zeitweise eingestellt. Auch nach der Wiederaufnahme könne es noch zu Verzögerungen kommen, teilte der Flughafen mit. Die Aktivisten hatten sich demnach Zutritt zum Abflugbereich des Flughafengeländes verschafft. In einem Zaun des Geländes sei ein Loch entdeckt worden.

Auch in Nürnberg wurde der Flugbetrieb nach Angaben eines Polizeisprechers für etwa eine Stunde eingestellt. Zwei Aktivistinnen waren am frühen Morgen auf das Rollfeld des Flughafens vorgedrungen. Ein dpa-Reporter vor Ort berichtete von einem Loch im Zaun im Bereich der Rollbahn. Daneben lagen zwei Bolzenschneider. Am Hauptstadtflughafen BER und in Stuttgart klebten sich nach Polizeiangaben jeweils zwei Aktivisten fest. Alle vier kamen demnach in Gewahrsam. Der Flugverkehr wurde nach Angaben der Polizei in beiden Fällen nicht beeinträchtigt.

Die Letzte Generation erklärte in einer Mitteilung, die Aktivisten leisteten mit den Aktionen »friedlich ihren Widerstand«, indem sie Banner mit der Aufschrift »Oil kills« (Öl tötet) und »Sign the treaty« (den Vertrag unterschreiben) zur Schau stellten. »Die Start- und Landebahnen wurden dabei nicht betreten.«

Die Gruppe fordert radikalen Klimaschutz, darunter den völligen Verzicht auf Kohle, Öl und Gas. Die Proteste seien Teil der weltweiten Kampagne »Oil Kills«, teilten die Aktivisten mit. Gemeinsam mit verbündeten Protestbewegungen unter anderem in den USA und Kanada fordert die Letzte Generation demnach die Unterzeichnung eines Ausstiegsvertrags für fossile Brennstoffe. Die Bundesregierung solle sich zu entsprechenden internationalen Verhandlungen verpflichten, die »einen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bis 2030« zum Ziel haben sollen.

»Solange systematisch unsere Lebensgrundlagen verbrannt werden, hören unsere Proteste nicht auf«, sagte die Aktivistin Anja Windl, die an der Aktion in Stuttgart teilnahm.

»Solange systematisch unsere Lebensgrundlagen verbrannt werden, hören unsere Proteste nicht auf.«

Anja Windl Aktivistin

Die Medizinstudentin Regina Stephan, die in Berlin protestierte, erklärte mit Hinblick auf Kritik aus der Politik: »Mir ist klar, dass politische Verantwortliche und Menschen, die aus dem immer weiter wachsenden Flugbetrieb Profit schlagen, uns hier gerne weghaben würden.« Der einzige Weg dahin seien wirksame Maßnahmen gegen die Zerstörung, die vorangetrieben werde. »Die Klimakatastrophe ist so viel beängstigender als jede Strafandrohung: Sie zerstört meine, unser aller Zukunft! Es geht um unsere Existenz!«

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Klebeaktionen scharf. Auf der Plattform X verwies sie zugleich auf eine geplante Gesetzesverschärfung, die das Kabinett im Juli beschlossen hatte. »Diese kriminellen Aktionen sind gefährlich und dumm«, schrieb Faeser. »Wir haben empfindliche Freiheitsstrafen vorgeschlagen. Und wir verpflichten die Flughäfen, ihre Anlagen deutlich besser zu sichern.«

Die Bundesregierung will mit einer Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes radikale Klimaschützer von gefährlichen Aktionen auf Flughäfen abhalten. Kern der geplanten Reform, über die noch der Bundestag entscheiden muss, ist die Schaffung einer neuen Vorschrift, die das »vorsätzliche, unberechtigte Eindringen« unter anderem auf das Rollfeld sowie die Start- und Landebahnen unter Strafe stellt – und zwar dann, wenn dadurch die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs beeinträchtigt wird.

Die Vorfälle seien »ein konzertierter Akt der kriminellen Erpressung«, sagte der ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel laut Mitteilung. Das mehrstufige Sicherheitskonzept der Flughäfen mit den Zaunanlagen als ein Baustein habe sich bewährt. Der Flugverkehr sei unmittelbar eingestellt worden. »Die Melde- und Alarmketten funktionieren zuverlässig«, sagte Beisel.

Der ADV hatte den Klimaaktivisten in der vergangenen Woche ein Gesprächsangebot gemacht. In einem offenen Brief hieß es: »Es ist unbestreitbar, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Kriminelle Blockaden von Flughäfen tragen nicht zur Lösung bei.« Die Letzte Generation teilte auf X mit, sie nehme das Gesprächsangebot gern an.  Mit Agenturen

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