Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark: Baggerschaufeln vorm Sportpark

Der traditionsträchtige Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Osten Berlins soll abgerissen und neu gebaut werden

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 5 Min.
Identifikationssymbol und Relikt der Ostmoderne: Der Jahn-Sportpark in Berlin-Prenzlauer Berg
Identifikationssymbol und Relikt der Ostmoderne: Der Jahn-Sportpark in Berlin-Prenzlauer Berg

Lange lag es in der Luft – Mitte Juli platzte dann die architektonische Bombe. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg soll komplett abgerissen werden. Die schwarz-rote Koalition verabschiedete einen entsprechenden Beschluss im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Den Streit über eine der größten Sportflächen in der Bundeshauptstadt gibt es schon seit Jahren. Dabei trainieren hier nicht nur professionelle Vereine wie Alba Berlin oder der BFC Dynamo; auch der Breitensport hat hier sein Zuhause. Erst vor Kurzem wurde eine überdachte Anlage für Freizeit-Basketballer installiert.

Auf dem Gelände befindet sich nicht nur die Geschäftsstelle des erfolgreichsten Basketballvereins der Hauptstadt. Im Stadion trugen auch viele Berliner Amateurfußballvereine ihre DFB-Pokalspiele aus, und der Jahn-Sportpark wird von den Anwohnern als Naherholungsgebiet genutzt. Nun sollen die Sportstätten und die sie umgebenden Grünanlagen in eine überdimensionierte Baustelle verwandelt werden. Eine Baustelle, die einst nicht weniger als ein europaweites »Leuchtturm-Projekt für inklusive Sport- und Freizeitangebote« hervorbringen sollte, wie es die ehemalige Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini (SPD) formulierte. Seitdem sind die angenommenen Kosten explodiert. Eine Komplettumsetzung der ursprünglichen Pläne ist in weite Ferne gerückt.

Abriss und Neubau des Stadions sollen mittlerweile 182 Millionen Euro kosten. Das bestätigte die Senatsverwaltung für Bauen gegenüber »nd«. Zunächst war von 97 Millionen Euro ausgegangen worden. Die enorme Kostensteigerung führt zu erneuten Diskussionen. »Wir kritisieren den Plan des Senats, das Stadion abzureißen, ohne die Finanzierung für einen Neubau sicherzustellen«, erklärt Klara Schedlich, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, gegenüber »nd«. Sollte der Senat derzeit nicht mehr Mittel zur Verfügung stellen können, fordert Schedlich, dass die Bauabschnitte getauscht und vom vorhandenen Geld erst der Sportpark ertüchtigt werden sollte.

»Die Sportanlagen im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark sollen modernisiert, erweitert und inklusiv gestaltet werden«, sagt der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion, Kristian Ronneburg, zu »nd«. Allerdings hält Die Linke die geplanten Neubaumaßnahmen für überdimensioniert. Des Weiteren kritisiert Ronneburg, dass die Planung »den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels nicht gerecht« wird und »wertvolles Stadtgrün und Lebensraum vieler Tiere« zerstören werden würde. Unterm Strich, sagt Ronneburg, sei das Vorhaben eine inakzeptable Ressourcenverschwendung und ein stadtgeschichtlicher Frevel.

»Wir kritisieren den Plan des Senats das Stadion abzureißen, ohne die Finanzierung für einen Neubau sicherzustellen.«

Klara Schedlich Grüne

»Auf Grundlage des prämierten Entwurfs müssten 171 Bäume gefällt werden, wovon 99 Bäume unter die Baumschutzverordnung fallen«, sagt Martin Pallgen, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Bauen zu »nd«. Durch die Festsetzungen im Bebauungsplanentwurf werde der Erhalt von 322 Bäumen gesichert; die zu fällenden Bäume seien »auf Grundlage der Baumschutzverordnung im Plangebiet zu ersetzen«, erklärt Pallgen. Ob die Neupflanzungen wirklich einen Ersatz für jahrzehntealte Bäume darstellen, bleibt fraglich. »Einen vollständigen Ersatz der Biomasse werden die Neupflanzungen erst in einigen Jahrzehnten erzielen«, hatte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt gegenüber dem Grünen-Abgeordneten Andreas Otto eingeräumt.

Die Linksfraktion setzt sich nach eigenen Angaben seit 2016 für eine »behutsame, ökologisch und sportpolitisch nachhaltige Sanierung des Jahn-Sportparks« ein. Mit der Grünen-Fraktion und »entgegen den Intentionen der SPD und der Innenverwaltung« habe man laut Ronneburg durchgesetzt, »dass es ein geordnetes Bebauungsplanverfahren und einen städtebaulichen Wettbewerb gibt, in dem der Erhalt und Umbau des Stadions eine Option war«.

2021 setzte sich ein Entwurf durch, der von einem Neubau an gleicher Stelle ausgeht. Das Verfahren fand laut Pallgen »unter Beteiligung der Öffentlichkeit, der Verbände und Behörden statt«. Das Preisgericht, in dem auch Aktivisten von Bürgerinitiativen vertreten waren, empfahl damals laut Pallgen einstimmig, den Entwurf mit dem 1. Platz auszuzeichnen.

Prominente Architekten und Mitglieder der Akademie der Künste stellen sich dem nun entgegen. Eine Petition, gestartet von Friedrich Tuczek, Professor an der Fachhochschule Erfurt, fordert den Erhalt des Stadionensembles als ein »wichtiges, denkmalwürdiges Zeugnis der Ostmoderne«. Unterstützung bekommt Tuczek von Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, der Schriftstellerin Jenny Erpenbeck und dem ehemaligen Kultursenator Thomas Flierl, der sich schon zu DDR-Zeiten gegen den Abriss des denkmalgeschützten Gasometers in Prenzlauer Berg engagierte.

Die gesamte Anlage des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks repräsentiert für die Initiatoren der Kampagne mit all »ihren Bestandteilen, den Rängen wie der Tribüne, in baulicher Gestalt Anfang und Ende der DDR«. Eines der letzten städtebaulichen Ensembles der Ostmoderne gelte es daher als würdiges Denkmal zu erhalten.

Das 1951 vom Bauhaus-Absolventen Rudolf Ortner für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten gebaute Stadion wurde 1987 mit einer Tribüne von einer Baufirma aus dem tschechischen Ostrava ergänzt. Bis heute ist nicht ganz klar, wer die von der Zeitschrift »Bauwelt« als farbenfrohes Raumschiff bezeichnete Haupttribüne entworfen hat. Bekannt sind nur die Nachnamen der beiden tschechischen Architekten: Fišarová und Ondrej.

Die Fachzeitschrift zitiert ein umfangreiches bauhistorisches Gutachten, das »dem Gebäude vielerlei Attribute« attestiert, die für einen Denkmalrang sprächen. Denn den Abriss des Stadions überhaupt erst möglich macht die Tatsache, dass das bestehende Tribünengebäude nicht unter Denkmalschutz steht. Die vier alten Flutlichtmasten dagegen schon. Deshalb müssen diese zum Teil in den Stadionneubau integriert werden.

»Für die Anwohner wurde der Jahn-Sportpark mit dem imposanten Stadionbau nach dem Verschwinden der Grenzeinrichtungen und der Öffnung des Sportgeländes für die Alltagsnutzung durch jedermann zu einem Ort der Identifikation«, beschreibt Ronneburg die Gefühlslage. Nun wird diese Oase im Berliner Betonmeer in eine überdimensionierte Baustelle verwandelt. Der Ausgang des Vorhabens ist allein aufgrund fehlender Finanzmittel ungewiss.

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