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Proteste gegen Rheinmetall beim Bundesliga-Debüt von Nuri Sahin

Die Fans machen beim 2:0 gegen Eintracht Frankfurt gegen den Rüstingskonzern als Sponsor mobil

  • Daniel Theweleit, Dortmund
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Kraft der »Gelben Wand«: Dortmunder Fanprotest gegen Sponsor Rheinmetall.
Die Kraft der »Gelben Wand«: Dortmunder Fanprotest gegen Sponsor Rheinmetall.

Nuri Sahin ist ganz bestimmt kein Angeber, kein Typ, der in den Mittelpunkt drängt. Und so zweifelte der neue Trainer von Borussia Dortmund auch nicht daran, dass Jamie Gittens nach dem 2:0 des BVB gegen Eintracht Frankfurt als Held des Abends gefeiert werden musste. Der 20 Jahre alte Flügelspieler schoss beide Tore – jeweils direkt vor der Südtribüne, die ihn mit Zuneigung überschüttete.

Ihre Kraft hatte die »Gelbe Wand« schon vorher demonstriert. Die zweite Hälfte begann mit einer Protestaktion auf der Südtribüne gegen den Sponsoring-Deal des BVB mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall. Unzählige Transparente wurden entrollt mit Sprüchen wie: »Werte erschießen – Geld genießen« oder »Kämpfen und Glücksspiel – BVB übernimmt Verantwortung«. Letzteres war eine Anspielung auf den Rheinmetall-Slogan »Taking responsibility in a changing world«. Und tatsächlich behaupten die Dortmunder Verantwortlichen ja, dass sie mit dieser Partnerschaft explizit zu einer ebenso aktuellen wie kontrovers geführten Diskussion beitragen wollen: Sind Rüstungskonzerne moralisch zweifelhaft? Oder können Herstellung und Verkauf von Waffen angesichts der vielen Bedrohungen tatsächlich als Akt der Verantwortung im Umgang mit der Weltlage betrachtet werden? Diese Fragen sind mit dem Ende Mai geschlossenen Vertrag in der Bundesliga angekommen. Die Dortmunder Fans haben ihre Antwort am Samstagabend gegeben: »Wir lassen uns nicht vor einen Panzer spannen.«

Sportlich war das 1:0 von Gittens in der 72. Minute der Wendepunkt in einem engen Spiel. »Ich war im Eins-gegen-Eins und ich habe dem Gegner auf die Füße geguckt, bin nach innen gezogen und bang! Lange Ecke«, beschrieb er seinen Führungstreffer. Aber auch Sahin beanspruchte seinen Anteil an diesem Tor und der Heldengeschichte beim erfolgreichen Auftakt in der Bundesliga.

Der frühere Mittelfeldstratege ist ein Fußballlehrer, der immer wieder von »Klarheit« spricht. Der jedem seiner Spieler sehr offen und deutlich erklärt, was erwartet wird, woran gearbeitet werden muss und wie es um seinen Status innerhalb des Teamgefüges bestellt ist. Im Fall von Gittens sei die Sache folgendermaßen, berichtete der Trainer: »Ich habe ihm ganz klar gesagt, er muss sich über Tore definieren und nicht nur über Dribblings.« Es sei zu wenig, immer »noch einen Haken und noch einen Haken« zu schlagen, der junge Angreifer müsse »diese Reife erlangen« und seine Aktionen eben auch mit Toren sowie sauber gespielten Vorlagen veredeln. »Das hat er heute gemacht«.

Nicht nur im fußballerischen Gesamtbild, auch in der Entwicklung von Einzelspielern scheint Sahins Arbeit erste Früchte zu tragen. Seit vier Jahren spielt Gittens beim BVB, im Alter von 16 Jahren kam er von Manchester City. Bereits vor drei Jahren absolvierte er Bundesligaspiele und schoss auch sein erstes Tor. Aber ein endgültiger Durchbruch ist ihm bislang nicht gelungen, was ungeduldigere Anhänger auch schon zweifeln ließ. Die Reihe dieser BVB-Talente, die trotz aller Qualität den letzten Schritt auf das Champions League-Niveau nicht dauerhaft schaffen, ist ja lang: Youssoufa Moukoko und Giovanni Reyna sind aktuelle Beispiele von Spielern aus dem Kader, die an Grenzen gestoßen sind.

Gittens hingegen, der auch von Verletzungen zurückgeworfen wurde, könnte den Sprung in dieser Saison tatsächlich schaffen – beflügelt von diesem Glücksmoment vom Samstag. Das 1:0 war wegweisend, das 2:0 in der Nachspielzeit die Erlösung. »Es ist verrückt«, sagte Gittens. Und Sahin lächelte zufrieden. Weil in funktionierenden Mannschaften alle von solchen individuellen Erfolgsgeschichten profitieren. Und weil er dem jungen Engländer sein Glück gönnte. »Ich mag den Spieler, ich mag die Person«, sagte der Trainer. Gittens könnte einer der großen Profiteure des neuen BVB-Fußballs werden, der auf einem klareren und ambitionierteren Passspiel durchs Mittelfeld basiert.

In der ersten halben Stunde hakte und holperte das Spiel der Dortmunder noch sehr, Frankfurt war besser und gefährlicher. »Aber nach den ersten 30 Minuten haben wir dann sehr viel Kontrolle gehabt«, sagte Torhüter Gregor Kobel. Noch ist dieser neue BVB ein gutes Stück entfernt von einer Form, in der die Mannschaft so eine Bundesligapartie mit Kombinationsfußball und Ballbesitz kontrollieren kann. Und wenn der Frankfurter Fares Chaibi kurz vor Gittens Führungstreffer aus drei Metern Entfernung nicht über das leere Dortmunder Tor geschossen hätte, wäre das Spiel vermutlich anders verlaufen.

Aber die Borussia hat sich in die Partie hinein gekämpft. Die Führungsspieler Marcel Sabitzer und Emre Can blieben im Mittelfeld zwar blass. Das Spiel von Verteidiger Waldemar Anton mit dem Ball ist noch entwicklungsfähig. Stürmer Maximilian Beier kam nach einer Stunde gemeinsam mit Gittens ins Spiel, blieb jedoch unauffällig. Aber der dritte Neue, Mittelfeldspieler Pascal Groß, ordnete das Geschehen auf dem Platz. Spürbar war zudem, dass diese Mannschaft nach den Abgängen der alten Chefspieler Marco Reus und Mats Hummels einen neuen Geist entwickelt. Es entstehen Räume im Gefüge, die auch Gittens zur Entfaltung nutzen könnte.

Der frühere BVB-Star Jude Bellingham hat vor einiger Zeit sogar gesagt, dass Gittens in seinen Augen neben Arda Güler von Real Madrid zu den Kandidaten für die Auszeichnung »Golden Boy« zählt, den jedes Jahr der weltweit beste Nachwuchsspieler unter 21 Jahren erhält. Um diesen Titel zu gewinnen, muss Gittens allerdings auch in der Champions League für Aufsehen sorgen. Die Chancen dafür sind seit Samstag sicher nicht kleiner geworden.

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