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Maja T.: Blitz-Auslieferung mit Bundesbehörden
Neue Details zur Überstellung von Antifa-Aktivist*in nach Ungarn
An der über zwei Wochen vorbereiteten Blitz-Auslieferung der Antifa-Aktivist*in Maja T. nach Ungarn waren auch Bundesbehörden beteiligt. So hat etwa das Landeskriminalamt Sachsen die Bundespolizeiinspektion Passau drei Tage vor der am 28. Juni 2024 durchgeführten Maßnahme um die Abholung am Flughafen Vilshofen in Bayern und die Übergabe an die Grenzbehörden aus Österreich gebeten. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Martina Renner hervor, die dem »nd« vorliegt.
Zu dem Flughafen nahe der österreichischen Grenze war T. im Morgengrauen aus Dresden mit dem Hubschrauber gebracht worden. Nach der vollzogenen Auslieferung hat die Bundespolizei das für den Geschäftsbereich des »gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotentials« zuständige Bundesinnenministerium darüber unterrichtet.
Das Bundesministerium der Justiz habe am selben Tag erst um 8.41 Uhr durch einen Bericht des Generalbundesanwalts davon erfahren. Zu diesem Zeitpunkt soll sich T. bereits in Österreich befunden haben. Ebenfalls erst »am Vormittag« sei dann das Auswärtige Amt durch das Kammergericht Berlin, das die Auslieferung nach Ungarn beschlossen hatte, informiert worden.
Das Bundesverfassungsgericht habe der Antwort zufolge die Generalbundesanwaltschaft nicht in Kenntnis gesetzt, dass dort ein Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Auslieferung anhängig war. Dieser wurde positiv beschieden, nachdem T. bereits an einer Fessel und mit einem Sack über dem Kopf von der österreichisch-ungarischen Grenze nach Budapest geschafft wurde.
Maja T. soll zusammen mit weiteren Aktivist*innen in Budapest wegen angeblicher Übergriffe im Februar 2023 beim sogenannten »Tag der Ehre« vor Gericht gestellt werden. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ermittelt in der gleichen Sache gegen T., unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und weiterer Straftaten.
Auf Basis der Kriterien zur Regelung »konkurrierender Strafverfolgung« in verschiedenen EU-Staaten wurde dem Verfahren in Ungarn »der Vorzug« gegeben und die Überstellung von T. nach Ungarn eingeleitet, schreibt das Bundesinnenministerium. Diese Kriterien wurden von der EU-Agentur für justizielle Zusammenarbeit, Eurojust, erarbeitet. Die Betroffenen und ihre Anwält*innen hatten jedoch aufgrund der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Ungarn gefordert, die Verfahren in Deutschland durchzuführen. In diesem Fall wären auch mehrere Untergetauchte bereit, sich zu stellen.
Auch das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden war an der Auslieferung von Maja T. nach Ungarn beteiligt, allerdings nur indirekt: Über das dort angesiedelte Sirene-Netzwerk wird der Schriftverkehr deutscher mit ausländischen Polizeidienststellen abgewickelt. zur Rolle des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt das Bundesinnenministerium mit Verweis auf den Geheimschutz keine öffentliche Auskunft. Die Mithilfe bei Auslieferungen oder bei der Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gehört nicht zu den Aufgaben des deutschen Inlandsgeheimdienstes – ausdrücklich jedoch der Austausch von Informationen zu »gewaltbereitem Linksextremismus« mit ausländischen Stellen.
In seiner Antwort betont das Bundesinnenministerium, dass die Übergabe verfolgter Personen auf der Grundlage Europäischer Haftbefehle »ein rein justizielles Verfahren« sei. Tatsächlich ist dies auch in einer EU-Richtlinie mit bestimmten Fristen geregelt. Dennoch können Generalstaatsanwaltschaften gegen eine Auslieferung Einspruch erheben, wie es die Behörde in Mailand in einem ähnlichen Fall tat, indem sie Ablehnungsgründe wegen der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Häftlingen in Ungarn geltend machte. Die deutsche Justiz – in diesem Fall das Berliner Kammergericht – verließ sich jedoch ausschließlich auf »Garantieerklärungen« aus Budapest, wonach die Behörden eine grundrechtskonforme Behandlung von T. versprachen.
»Der Generalbundesanwalt hat seine eigenen Ermittlungen zurückgestellt und stattdessen einem Verfahren in Ungarn den Vorzug gegeben. Die menschenrechtswidrigen Haftbedingungen wurden dabei bewusst in Kauf genommen«, erklärt die Fragestellerin Martina Renner gegenüber »nd«. Den Beschluss des Verfassungsgerichts gegen die Auslieferung nennt sie »eine Ohrfeige für die beteiligten Behörden«, darunter auch der Generalbundesanwalt, der sich in der Sache »weggeduckt« habe.
Vergangene Woche erklärte eine Delegation der Linkspartei in Budapest, zu der neben Renner auch der Noch-Ko-Vorsitzende und EU-Abgeordnete Martin Schirdewan gehörte, dass die ungarische Untersuchungshaft von Maja T. der EU-Grundrechtecharta widerspreche. Schirdewan forderte daraufhin gegenüber »nd«, dass sich der deutsche Justizminister Marco Buschmann für ihre Rückholung einsetzen solle.
Doch der FDP-Politiker hat in diesem Fall weder die Zuständigkeit noch die Befugnis, da es sich um Vorgänge auf ungarischem Hoheitsgebiet handelt. Ein Beispiel, wie es dennoch funktionieren könnte, lieferte die Freilassung von Ilaria Salis aus dem Untersuchungsgefängnis in Budapest nach Druck aus Italien: Ihre erniedrigende Behandlung führte zu landesweiten Protesten und Ärger in allen demokratischen Parteien. Daraufhin wurde der ungarische Botschafter einbestellt, Italiens Außenminister schaltete sich ein, und die rechtsextreme Ministerpräsidentin Giorgia Meloni telefonierte mit ihrem Amtskollegen Viktor Orbán in Ungarn. Die endgültige Entlassung aus dem Hausarrest in Budapest erfolgte jedoch erst, nachdem Salis bei der Wahl im Juni erfolgreich für eine links-grüne Liste ins EU-Parlament gewählt worden war und deshalb Immunität genießt.
Ungarn hat dieses Halbjahr den EU-Ratsvorsitz inne. Aus diesem Grund haben sich auch die Innenminister*innen der Mitgliedstaaten im Juli in der Hauptstadt getroffen – aus Protest gegen Orbáns Besuch in Moskau jedoch vielfach ohne Beteiligung der Amtsleitungen. Wie bei derartigen Präsidentschaften üblich, reisen auch EU-Agenturen demnächst nach Ungarn. Am 18. und 19. September fliegt der Frontex-Verwaltungsrat nach Budapest, eine Woche später folgen die EU-Polizeichefs mit Europol. Am 15. und 16. Oktober trifft sich dort das Sirene-Netzwerk unter Beteiligung des BKA.
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