• Politik
  • Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen

Kampagne: »Wir müssen eine AfD-Sperrminorität verhindern«

Die Kampagne »Taktisch Wählen« ruft dazu auf, so zu wählen, dass die rechtsextreme Partei kein Drittel der Stimmen erhält – und zeigt, wie das geht

  • Interview: Pauline Jäckels
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch die jungen Kampagnengründer von »Taktisch Wählen« wollen vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen entschlossen handeln. Mit ihrer Aktion wollen sie eine Sperrminorität der AfD verhindern.
Auch die jungen Kampagnengründer von »Taktisch Wählen« wollen vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen entschlossen handeln. Mit ihrer Aktion wollen sie eine Sperrminorität der AfD verhindern.

Mit eurer Kampagne ruft ihr zum taktischen Wählen auf, um eine Sperrminorität der AfD zu verhindern. Nicht unbedingt die inspirierendste antifaschistische Praxis, oder?

Absolut, aber in der aktuellen Lage sehen wir uns dazu genötigt. Drei Parteien drohen aus dem Landtag zu fliegen. Das könnte der AfD bis zu zehn Prozent mehr Stimmgewicht verleihen und damit zu einer Sperrminorität verhelfen, also über einem Drittel der Sitze. Mit diesen könnte die AfD wichtige Abstimmungen im Landtag blockieren, zum Beispiel die Ernennung der Verfassungsrichter oder Änderungen der Landesverfassung.

Auch die CDU ruft zum taktischen Wählen auf, um für sich Stimmen zu gewinnen… 

Viele Parteien nutzen den Begriff, um für sich selbst Wahlkampf zu machen. Wir wollen aber neutral und datenbasiert darstellen, wie genau man taktisch wählen muss, um das Stimmgewicht der AfD so klein wie möglich zu halten und eine Sperrminorität zu verhindern. Das heißt etwa in Sachsen, seine Zweitstimme an die Linken, die Grünen oder die SPD zu geben. In Thüringen würde es bedeuten, die Zweitstimme SPD oder Grünen zu geben, weil beide den Einzug in den Landtag verpassen könnten. Für die Erststimmen empfehlen wir immer den Kandidaten mit den aussichtsreichsten Chancen, ein AfD-Direktmandat zu verhindern.

In bestimmten Wahlkreisen würde nach euren Daten taktisch wählen auch bedeuten, die CDU anzukreuzen. Wie antifaschistisch ist das, wenn die Migrationspolitik der CDU sich kaum noch von der der AfD unterscheidet?

Interview

Tristan Runge ist Mitinitiator der Initiative Taktisch Wählen. Er ist in Grimma in Sachsen aufgewachsen und setzt sich für Klimaschutz, eine starke Zivilgesellschaft und gegen die AfD ein.

Dieser Aufruf bereitet mir persönlich auch nicht besonders viel Freude. Aber: Zuerst müssen wir das Schlimmste verhindern und dann können wir uns wieder um konkrete Inhalte streiten. Worauf wir natürlich geachtet haben, ist, dass wir nur Kandidaten empfehlen, die zur Brandmauer stehen und eine Zusammenarbeit mit der AfD im Landtag ausschließen.

Wird die Brandmauer nicht auf gewisse Weise obsolet, wenn Parteien wie die CDU einfach die Inhalte der AfD übernehmen?

Natürlich ist es auch eine Frage der politischen Inhalte. Die werden wir aber einfach zwei Wochen vor der Wahl nicht mehr lösen können. Als wir beschlossen haben, das Portal ins Leben zu rufen, ging es darum, jetzt schnell etwas zu tun, um die Sperrminorität der AfD zu verhindern. Entscheidend ist, dass keine der demokratischen Parteien knapp den Einzug in den Landtag verpasst. Danach können wir uns wieder um vernünftige Inhalte streiten.

Wie habt ihr die Daten erhoben?

Eine Herausforderung war, dass es keine wahlkreisspezifischen Umfragen gibt. Wir haben daher vergangene Wahlergebnisse, aktuelle Umfragen, demografische und Strukturdaten genutzt. Zusätzlich haben wir uns mit Datenexperten zum Beispiel von wahlkreisprognose.de sowie Politikwissenschaftlern ausgetauscht. Basierend darauf haben wir für jeden Wahlkreis einen Trend errechnet. Ist dieser nicht deutlich genug ist, sprechen wir für die Erststimme keine Wahlempfehlung aus. Bei unserem Portal taktisch-wählen.de kann man seine Postleitzahl eingeben und dann seine Empfehlung für die Erst- und Zweitstimme abrufen.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Wie ist denn die Resonanz zu eurer Kampagne bisher gewesen?

Laut unseren anonymisierten Nutzungsdaten haben schon mehr als 130 000 Einzelpersonen eine Wahlempfehlung abgerufen und durchschnittlich fünf Minuten auf dem Portal verbracht. Das zeigt den großen Bedarf für diese Infos. Uns hat auch einiges an Kritik zu bestimmten Kandidaten und ihrer Position zur Brandmauer erreicht – solche Hinweise überprüfen wir natürlich und passen unsere Empfehlungen an. 

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -