Niko Kappel und das neue Level im Para-Sport

Der deutsche Kugelstoßer geht bei den Paralympics in Paris als Vollprofi an den Start

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 4 Min.
Neben dem Sport engagiert sich Niko Kappel politisch: Auf Bundesebene ist er für die CDU im »Netzwerk Sport« aktiv.
Neben dem Sport engagiert sich Niko Kappel politisch: Auf Bundesebene ist er für die CDU im »Netzwerk Sport« aktiv.

In einem Gespräch mit Niko Kappel fällt sofort auf, wie schnell er zwischen Humor und Ernsthaftigkeit wechseln kann. Zunächst berichtet der Kugelstoßer von einer Werbekampagne: Ein Bäckerunternehmen hatte auf Plakaten sein Gesicht neben einem Brot abgebildet. »In der Hoffnung, dass man uns nicht verwechselt«, sagt Kappel und lacht kurz auf. Wenige Momente später spricht er mit ernstem Blick über den Alltag behinderter Menschen.

Bei den Paralympics in Paris ist Niko Kappel eine der bekanntesten Persönlichkeiten unter den 143 Sportlerinnen und Sportlern im deutschen Team. Er hat das seinen Erfolgen zu verdanken, seiner paralympischen Goldmedaillle 2016 in Rio und seinen beiden WM-Titeln 2017 in London und vor Kurzem im japanischen Kōbe. Aber der Erfolg allein ist es nicht: Mit seiner Kommunikation und seinem Management symbolisiert Kappel die Professionalisierung des paralympischen Sports. Er sagt: »Ich kann mich auf den Sport konzentrieren und weiter an wichtigen Details tüfteln.«    

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Der Kugelstoßer ist unter den deutschen Paralympiern einer der wenigen Vollprofis. Nach seinem Sieg in Rio 2016 hatte der gelernte Bankkaufmann seinen Job in der Kundenberatung Schritt für Schritt reduziert. Kappel erweiterte sein Netzwerk an Sponsoren stetig – darunter eine Bank, eine Versicherung und mittelständische Unternehmen aus seiner Heimatregion nahe Stuttgart. »Es macht mir großen Spaß, mit den Sponsoren neue Initiativen zu entwickeln«, sagt er. Zu seinem Wettkampf am Montag hat er mehr als 30 Personen aus seinem Sponsorenumfeld eingeladen.

Dieses Umfeld sichert Kappel Freiräume fürs Training, aber auch für die Politik. In seiner Heimatstadt Welzheim sitzt er für die CDU im Gemeinderat. Auf Landesebene in Baden-Württemberg engagiert er sich für Sport und Ehrenamt, auf Bundesebene ist er für die CDU im Netzwerk Sport aktiv. Außerdem spricht er immer wieder auf Konferenzen und erläutert Schülern ausführlich, dass seine Größe von 1,40 Meter kein Nachteil sein muss.

Im Alter von 13 Jahren verfolgte Niko Kappel im Fernsehen die Paralympics von Peking, wo der kleinwüchsige Kugelstoßer Mathias Mester Silber gewann. Kappel schlug einen ähnlichen Weg ein. 2012, mit 17, nahm er in London am paralympischen Jugendlager teil, einer sportlichen Bildungsreise für Jugendliche mit und ohne Behinderungen. Kappel saß mit 80 000 Zuschauern im Stadion. Er war begeistert und wollte unbedingt selbst zu den Paralympics.

Dass er bereits in Rio, mit 21, seinen bislang größten Erfolg feierte, sicherte ihm auch politische Glaubwürdigkeit. Während etliche Volksverterter abstrakt über Inklusion sprechen, über die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen, liefert Kappel anschauliche Beispiele aus seinem Alltag. In Stuttgart trainieren paralympische Kugelstoßer wie er in einer Gruppe mit olympischen Athleten. Sie profitieren von denselben Trainern, Räumlichkeiten, Physiotherapeuten. »Wir sind keine Konkurrenz«, sagt Kappel. »Wir können uns Geheimnisse erzählen und Tipps geben. Wir lernen voneinander.«

Mit 29 Jahren ist Kappel heute im besten Kugelstoßalter. Auch an den Paralympics 2028 in Los Angeles möchte er gern teilnehmen. Doch ob er bis 2032 weitermachen will, wenn die Spiele im australischen Brisbane stattfinden, kann er noch nicht sagen. In jedem Fall möchte er sich weiter für Menschen mit Behinderungen starkmachen, vielleicht in einem politischen Amt in Baden-Württemberg oder auf Bundesebene. Bereits 2020 hat er mit dem ehemaligen Leichtathleten Heinrich Popow einen Verein zur Förderung paralympischer Talente gegründet.

Wenn man so will, verkörpert Kappel einen paralympischen Standard, auf den auch andere Athleten hinarbeiten. Er vertraut auf eine Sportagentur und auf einen Kommunikationsberater. Ob dieses Netzwerk weiter wächst, hängt auch von seiner Leistung in Paris ab. Mit einer Goldmedaille würde er wieder in Talkshows und später in Jahresrückblicken auftauchen. »Es sind meine dritten Paralympics, aber sie fühlen sich wie die ersten an«, sagt er. »Ich werde die Atmosphäre im Stadion genießen.«

Niko Kappel kann locker und ernsthaft sein, oft sogar im selben Moment.

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