Brandenburg: Personalmangel und steigende Arbeitslosigkeit

Erwerbslosenquote in Berlin und Brandenburg steigt weiter

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch Kfz-Mechaniker werden inzwischen in Brandenburg gesucht.
Auch Kfz-Mechaniker werden inzwischen in Brandenburg gesucht.

Ein 47 Jahre alter Industriemechaniker aus der Ukraine spricht keineswegs gut Deutsch, kann sich aber verständigen. Nach einer Weiterbildung und einem Praktikum hat ihn im August ein Autohaus in Lübbenau als Kfz-Mechatroniker eingestellt. Die Agentur für Arbeit wartet am Freitag mit diesem positiven Beispiel einer erfolgreichen Vermittlung in eine Stelle auf.

Die am selben Tage veröffentlichten Arbeitsmarktdaten tendieren jedoch in eine andere Richtung – und auch, was dazu gesagt wird, klingt nicht gut. So sagt Alexander Schirp von den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg: »Wirtschaftsdaten und Stimmungsindikatoren kennen aktuell nur eine Richtung – nach unten. Da wundert es nicht, wenn auch der Arbeitsmarkt in der Hauptstadtregion in der Krise festsitzt.«

Die Arbeitslosenzahlen steigen weiter. 209 827 Berliner waren im August erwerbslos gemeldet. Das waren 14 125 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum August 2023 um 0,5 Prozentpunkte auf 9,9 Prozent. In Brandenburg sind 84 616 Arbeitslose registriert und damit 3784 mehr als vor einem Jahr. Hier stiegt die Arbeitslosenquote binnen Jahresfrist um 0,1 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent. Die Vermittlung allein kann das Problem demnach nicht lösen, denn in Berlin sind lediglich 21 892 Stellen offen und in Brandenburg 24 138 Stellen.

Arbeitslosenzahlen in Berlin und Brandenburg
  • In Berlin sind 8,1 Prozent der Arbeitslosen 15 bis 25 Jahre alt und 27,1 Prozent sind 50 Jahre und älter.
  • In Brandenburg sind 10,1 Prozent der registrierten Arbeitslosen zwischen 15 und 25 Jahre alt und 35,4 Prozent sind 50 Jahre und älter.
  • 29,4 Prozent der arbeitslosen Berliner und 37,9 Prozent der arbeitslosen Brandenburger sind schon länger als ein Jahr ohne Job.
  • Unter die Rubrik »Ausländer« fallen 42,7 Prozent der Arbeitslosen in Berlin und 22,6 Prozent der Arbeitslosen in Brandenburg.
  • 4,0 Prozent der Berliner und 5,0 Prozent der Brandenburger Erwerbslosen sind schwerbehindert.
  • Seit Oktober vergangenen Jahres meldeten sich 21 118 Berliner und 12 037 Brandenburger auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bei der Arbeitsagentur. Jetzt sind immer noch 7144 Berliner unversorgt, während es in der Hauptstadt gleichzeitig noch 5665 freie Lehrstellen gibt. In Brandenburg haben 3350 junge Menschen noch nichts gefunden, während noch 4659 Ausbildungsplätze frei sind. af

    Allerdings erklärt Nicole Korset-Ristic, es seien viel mehr Arbeitsplätze frei. Die Vizepräsidentin der Berliner Industrie- und Handelkammer appelliert an die Firmen, alle freien Stellen der Arbeitsagentur zu melden, damit der tatsächlichen Bedarf klarer ersichtlich wird. »In Berlin kommen fast zehn Arbeitslose auf eine gemeldete Stelle. Trotzdem brauchen die Unternehmen im Schnitt mehr als ein halbes Jahr, um offene Stellen zu besetzen«, beklagt Korset-Ristic. »Viele berichten uns, dass die Vermittlungsvorschläge der Arbeitsgenturen nicht zufriedenstellend sind.«

    Was Ramona Schröder, die Regionaldirektionschefin der Arbeitsagentur, sagt, geht in dieselbe Richtung. »In Berlin und Brandenburg suchen die Unternehmen weiter Personal«, bestätigt Schröder. Aber: »Die Aussichten, eine Stelle zu besetzen, werden geringer, weil potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern die erforderliche berufliche Qualifikation oder bestimmte Eigenschaften für eine Tätigkeit fehlen.« Demnach sind die Bewerber zu jung und unerfahren oder zu alt, haben persönliche oder körperliche Einschränkungen, keine ausreichenden Sprachkenntnisse oder nur im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse. Solche Hindernisse ließen sich jedoch überwinden durch Qualifizierung und Sprachkurse, bei denen die Arbeitsagentur und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Seite stehen könnten.

    Sind die Bewerber wirklich nicht geeignet oder die Firmen zu anspruchsvoll? Dazu kann Tobias Lübbert etwas sagen. Er ist Kandidat der Linken für die Brandenburger Landtagswahl am 22. September, hat früher beim Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg gearbeitet und ist jetzt bei der Arbeitsagentur in Zossen tätig. Lübbert machte unterschiedliche Erfahrungen. Manchen Unternehmen sei es egal, welchen Beruf der Bewerber wo erlernt hat, wenn er nur die Tätigkeit ausführen könne, für die man ihn brauche. »Andere Firmen sind da zu streng«, schätzt Lübbert ein.

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