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Abschiebung ohne Asthmaspray

Nach Frankfurt am Main und Düsseldorf starten die meisten Rückführungen vom BER

Ein Flugzeug hebt am Flughafen BER hinter einem Zaun mit Draht ab.
Ein Flugzeug hebt am Flughafen BER hinter einem Zaun mit Draht ab.

»Wir müssen endlich im großen Stil abschieben«, lautet ein verkürztes Zitat des Bundeskanzlers Olaf Scholz aus einem »Spiegel«-Interview im Oktober 2023. Damit rollte Scholz den roten Teppich für Rechtsgesinnte aus. Seine kaltherzige Haltung gegenüber Geflüchteten erreichte die Mitte der Gesellschaft – und verschaffte unter anderem am Sonntag der braunen Partei die meisten Wähler*innenstimmen in Thüringen, die zweitmeisten in Sachsen.

Dabei wird Scholz’ Forderung der Abschiebung »im großen Stil« bereits nachgegangen. 2023 gab es bundesweit 16 430 aufenthaltsbeendende Maßnahmen, zehn Jahre zuvor waren es 7558. Allein im Vergleich zu 2020 ist die Zahl um über 5600 gestiegen. Von den Gesamtabschiebungen 2023 wurden 2121, also fast 13 Prozent, am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) durchgeführt. Das Forum Abschiebungsbeobachtung Berlin-Brandenburg (FABB) stellt in seinem Tätigkeitsbericht für 2023 fest, dass dies einem 49-prozentigem Anstieg der Abschiebungszahlen am BER im Vergleich zu 2022 entspricht. Bei den meisten Rückführungszielen handelt es sich um Georgien und die Republik Moldau. Mit der Ziffer steht der BER auf Platz drei der Flughäfen mit den meisten Abschiebungen, auf Platz zwei ist Düsseldorf mit 2225, Platz eins Frankfurt am Main mit knapp 4400.

»Die beiden wurden ohne ihr Gepäck nach Georgien abgeschoben.«

Forum Abschiebungsbeobachtung Berlin-Brandenburg (FABB)

Mehrere Rückführungen werden von der FABB kritisiert. So seien der Initiative bei einer Sammelabschiebung am 14. Juni 2023 zwei Männer aufgefallen, die ohne Gepäck am BER angekommen sein sollen. Der eine habe erklärt, dass er von der Abschiebung gewusst und seine Sachen gepackt habe, ihm aber offenbar nicht die Genehmigung erteilt worden sei, seine Gegenstände noch aus der Unterkunft zu holen. Dem zweiten Mann fehlte gar sein Reisepass sowie sein Asthmaspray, beides befand sich noch in der Unterkunft. »Die beiden wurden ohne ihr Gepäck nach Georgien abgeschoben«, erklärt FABB.

Auch was Kinder und Jugendliche betrifft, muss gemäß der UN-Kinderrechtskonvention sowie der Grundrechte der EU das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Nichtsdestotrotz wurden mehrere Familien und Kinder in der Nachtzeit zur Rückführung abgeholt, teilweise aus weit entfernten Bundesländern, wie FABB berichtet. Da die Mehrzahl der Abschiebungen am BER seit 2022 auf die Mittagsstunden verschoben wurde, sind Festnahmen zur Nachtzeit in den meisten Fällen nicht notwendig. Die Praxis wurde 2023 aber trotzdem weiter durchgeführt. So schreibt FABB von einer fünfköpfigen Familie mit einer im sechsten Monat schwangeren Mutter, die am Vorabend gegen 22 Uhr von der Landespolizei abgeholt und nachts nach Brandenburg gefahren wurde. Dies könne bei kleinen Kindern auch zu Traumata führen.

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Ferner komme es bei Abschiebungen regelmäßig zu Familientrennungen. Dies passiere etwa, wenn ein Familienteil aktiv untertaucht, erkrankt oder nicht reisefähig ist. So wurde am 23. November eine Familie getrennt, als ein Mann und seine fünf Kinder ohne Mutter abgeschoben wurden. Die Mutter war aufgrund eines gynäkologischen Befundes ins Krankenhaus eingeliefert und als reiseunfähig eingestuft worden. Der Mann reagierte besorgt auf die Trennung, weil er nicht absehen konnte, wie und wann seine Frau nachreisen konnte.

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