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Das diplomatische Feigenblatt der Zweistaatenlösung
Für israelisch-palästinensischen Konflikt gibt es Lösungsansätze, allerdings jenseits der Zweistaatenlösung, findet Mehmet M. Sis.
Im vergangenen Juli verabschiedete das israelische Parlament eine Resolution, die die Gründung eines palästinensischen Staates ablehnt. Die Bundesregierung reagierte entsetzt und bekräftigte erneut, dass es keine Alternative zur Zweistaatenlösung gebe. Damit wurde das vermeintliche Allheilmittel des israelisch-palästinensischen Konflikts erneut aus der politischen Mottenkiste geholt. Doch wer genauer hinsieht, erkennt, dass die Zweistaatenlösung längst zu einem Symbol für politische Trägheit verkommen ist – eine diplomatische Fassade, die dringend durchbrochen werden muss.
Seit dem Sechstagekrieg von 1967 hält Israel das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem fest im Griff. Während Israel 2005 die Siedlungen im Gazastreifen aufgab, wird die völkerrechtswidrige Besiedlung des Westjordanlands und Ostjerusalems unvermindert fortgesetzt. Heute leben dort 700 000 israelische Siedler – auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung, deren Alltag von Diskriminierung, Bewegungseinschränkungen und Landraub geprägt ist. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch sowie der Internationale Gerichtshof sprechen längst von Apartheid. Und während der Gazastreifen in Schutt und Asche liegt, tobt im Westjordanland ein stiller Krieg: Seit Oktober sind dort etwa 500 Palästinenser der Gewalt israelischer Sicherheitskräfte zum Opfer gefallen.
Mehmet M. Sis studiert Politikwissenschaft und Islamische Theologie an der Universität Münster.
Der Gazastreifen selbst ist ein Mahnmal menschlichen Versagens. Zwei Prozent der Bevölkerung – über 40 000 Menschen, darunter 16 500 Kinder – sind tot. Die fast vollständige Zerstörung der Infrastruktur hat 1,9 Millionen Menschen zu Binnenvertriebenen gemacht, die von Hunger und lebensbedrohlicher Versorgungsknappheit geplagt sind. Das Gesundheitssystem ist kollabiert, und nun breitet sich auch noch Polio aus. Inmitten dieser Trümmerlandschaft soll ein lebensfähiger palästinensischer Staat entstehen? Wer das glaubt, verschließt die Augen vor der Realität.
Es wird höchste Zeit, sich der harten Wahrheit zu stellen und endlich an neuen Lösungsansätzen zu arbeiten. Eine israelisch-palästinensische Konföderation mit durchlässigen Grenzen oder sogar ein gemeinsamer Staat mit föderaler Struktur mögen heute utopisch erscheinen, doch sie bieten zumindest eine politische Vision jenseits des ausgetretenen Pfades der Zweistaatenlösung. Sie senden ein Signal der Hoffnung an jene, die sich seit Jahrzehnten ihrer Rechte beraubt sehen.
Davor aber muss die internationale Gemeinschaft endlich massiven Druck auf Israel ausüben, um das Sterben in Gaza zu beenden. Gleichzeitig gilt es, den Staat Palästina anzuerkennen und damit das unveräußerliche Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung zu stärken. Friedensbewegungen weltweit und auch innerhalb Israels zeigen, dass eine Zukunft möglich ist, in der alle Menschen in Frieden und Würde leben können. Es liegt nun an der internationalen Gemeinschaft, den Blick zu weiten und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Sodann kann das diplomatische Feigenblatt der Zweistaatenlösung auch fallen und der Weg für eine gerechtere Zukunft geebnet werden.
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