Nächste Ausschreibung für Berlin: Sonderfahrdienst auf Prüfstand

Sozialausschuss berät über die Zukunft der mobilen Teilhabe für behinderte Menschen

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Frau im Rollstuhl wird von einem Fahrdienst abgeholt.
Eine Frau im Rollstuhl wird von einem Fahrdienst abgeholt.

Per Anruf oder App einen Fahrer buchen und zum Termin aus der Wohnung abgeholt werden – das klingt fast schon luxuriös. Doch der Sonderfahrdienst (SFD) für Menschen mit Behinderung kann nicht ansatzweise die volle Bewegungsfreiheit bieten. Am Donnerstag wurde im Ausschuss für Soziales im Abgeordnetenhaus über Defizite des SFD beraten, und mögliche Anforderungen für die nächste Ausschreibung ab Juli 2026 wurden formuliert.

Seit 1979 werden in Berlin Menschen vom SFD befördert, die wegen ihrer Einschränkung nicht am öffentlichen Nahverkehr teilnehmen können. Der Fahrdienst ist dabei ausdrücklich für die gesellschaftliche Teilhabe gedacht, also für Fahrten zu Freunden, zum Einkaufen oder zu Kulturveranstaltungen. Bei Bedarf gibt es eine Treppenhilfe, wenn Wohnungen nicht barrierefrei sind. Gebucht werden kann der Service per Telefon, Website oder App – um sicherzugehen, mehrere Tage bis Wochen im Voraus.

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Für den Fahrdienst hat Berlin seit 2021 einen Vertrag mit dem Anbieter Via Mobility, der deutschlandweit 40 ÖPNV-Dienste betreibt. Der SFD in Berlin läuft mit eigenen Fahrer*innen und drei Subunternehmen unter dem Namen WirMobil. Laut Geschäftsführer Lorenz Wiedemann werden Fahrten meist drei bis sieben Tage im Voraus gebucht, 17 Prozent am selben Tag.

Von über 80 000 Fahrten bei Übernahme des Dienstes 2022 habe man sich auf voraussichtlich über 110 000 Fahrten dieses Jahr gesteigert, so Wiedemann im Sozialausschuss. An den Weihnachtsfeiertagen gebe es den größten Bedarf, vergangenes Jahr wurden in dieser Zeit 1700 Fahrten absolviert. Bezogen auf größere Änderungen des Angebots, etwa bei der Buchung, könne man aufgrund der Beauftragung durch das Land nicht immer alle Wünsche umsetzen: »Wir haben auch ein gewisses vertragliches Konstrukt, in dem wir uns bewegen.« Die Kapazität könne trotzdem ausgeweitet werden.

Nutzer*innen des SFD müssen eine gestaffelte Eigenbeteiligung stemmen. Die Preise betragen 2 Euro für die ersten Fahrten, 5 Euro ab der 9. Fahrt und 10 Euro ab der 17. Fahrt. »Das kann sich ja kaum jemand leisten, wenn man sich überlegt, dass man heute für 29 Euro durch ganz Berlin fahren kann und niemand sagt, wann man kann und wann nicht«, sagt Beate Ender vom Fahrgastbeirat des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung. In Zukunft müsse vor allem der Preis gesenkt werden und eine kurzfristige Buchung garantiert möglich sein.

Eine gute Sache sei der Service trotzdem: »Am wichtigsten daran ist, dass Menschen mit Behinderung sichtbar werden«, so Ender. Es wurden auch Fortschritte gemacht: »In anderen Städten ist das nicht in der epischen Breite vorhanden«, sagt Kathrin Geyer, Vorsitzende des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung. In der Anfangszeit des Angebots habe es noch größeren Bedarf gegeben – heute sei der ÖPNV weitaus barriereärmer als 1979. Auch gibt es nun ein Taxi-Konto für SFD-Berechtigte, bei dem maximal 125 Euro bezuschusst werden.

Mehrmals wird eine bessere Schulung der Fahrdienstmitarbeiter*innen gefordert. Während bei sexuellen Übergriffen keine extra Beschwerdestelle, sondern direkt die Polizei eingeschaltet werden müsse, so Geyer, müsse man die Fahrer*innen auf professionellen Umgang vorbereiten. Beate Ender, die selbst im Rollstuhl sitzt, gibt hier ein Beispiel für psychische, möglicherweise unbewusste Gewalt: Es sei nicht schön, Sätze wie »Jetzt muss ich Sie schon wieder tragen« zu hören.

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