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Die Polizei ist rassistisch

Neue Studie zu struktureller Diskriminierung im Polizeialltag vorgelegt

Polizist*innen zeigen insbesondere gegenüber jungen Männern mit vermutetem Migrationshintergrund ihre Machtüberlegenheit.
Polizist*innen zeigen insbesondere gegenüber jungen Männern mit vermutetem Migrationshintergrund ihre Machtüberlegenheit.

Dass Polizeibeamt*innen in Deutschland im Alltag Rassismus praktizieren, belegen Berichte von Betroffenen seit Jahren. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Urteilen zum »Racial Profiling«, also gezielten Kontrollen von Menschen, denen die Polizei einen Migrationshintergrund unterstellt und die nur deshalb in eine Maßnahme geraten. Diese Praxis widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Artikel 14 ein Diskriminierungsverbot bestimmt.

Eine Studie der Polizeiakademie Niedersachsen hat untersucht, welche polizeilichen Arbeitsprozesse die beobachtete Diskriminierung begünstigen. Astrid Jacobsen und Jens Bergmann haben dazu in verschiedenen Abteilungen den Alltag von Polizist*innen im Streifendienst, bei der Bereitschaftspolizei oder der Kriminalpolizei analysiert.

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Begonnen wurde diese teilnehmende Beobachtung noch unter dem Innenminister Boris Pistorius (SPD); möglich war sie nur, weil die Forschenden selbst Angehörige der Polizei sind. Im Ergebnis haben sie zwölf »kritische Momente« in Arbeitsabläufen identifiziert. Fünf davon betreffen rassistische Diskriminierung, erklärte Jacobsen bei der Vorstellung der Studie am Montag.

Zu den anlasslosen Kontrollen stellt die Studie fest, dass oft Richtlinien fehlen, welche Personen ausgewählt werden sollen. Dies führe dazu, dass Beamt*innen eigene Kriterien heranziehen, darunter Klassenzugehörigkeit, gesundheitliche Einschränkungen oder das äußere Erscheinungsbild. Polizeiliche Lagebilder, die bestimmte Orte als Brennpunkte für bestimmte Straftaten und Delinquent*innen definieren, verstärkten dies.

Ebenso vage ist laut den Forschenden »verdächtiges Verhalten« definiert, das von den Beamt*innen dann selbst ausgelegt wird. Als Kriterien für einen solchen »polizeilichen Tunnelblick« nennt die Studie »Rumstehen«, »Blickverhalten« oder »Austausch von Dingen« und belegt dies mit Beispielen: »Man erkennt die Dealer am äußeren Erscheinungsbild«, wird ein Polizist zitiert. Andere potenzielle Verdächtige blieben so unbeachtet.

Ein weiteres Beispiel für diskriminierende Praxis ist die stereotype Gefahreneinschätzung vor Einsätzen. Beamt*innen stützten sich dabei auf pauschale Annahmen und Vorurteile, darunter: »Südeuropäer sind impulsiv« oder: »Russen sind gewaltbereit.« Diese Vorannahmen beeinflussen die Entscheidung, wie viel Personal und welche Ausrüstung eingesetzt wird.

Bei einer angenommenen bestimmten ethnischen Zugehörigkeit der Beteiligten (etwa bei einem Einsatz in einem Wohnblock, in dem »besondere Leute« wohnen sollen) würden etwa die Kapazitäten ohne konkrete Anhaltspunkte stark erhöht. Ähnliches gelte bei Einsätzen gegen »Sippen«, die angeblich die polizeiliche Autorität missachteten.

Möglich war die Polizeistudie nur, weil die beiden Forschenden selbst Angehörige der Polizei sind.

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Auch beobachteten die Forschenden, dass Polizist*innen insbesondere jungen Männern mit vermutetem Migrationshintergrund oder vermeintlichen »Clan«-Angehörigen pauschal Respektlosigkeit und Polizeifeindlichkeit unterstellen. Diese Annahmen führten mitunter dazu, dass die Beamt*innen »ihre Machtüberlegenheit« gegenüber den Personengruppen demonstrierten, heißt es in der Studie. In Vierteln, wo Menschen ohne Migrationshintergrund leben, zeige sich die Polizei hingegen »respektvoller und zugewandter«.

Die Studie beleuchtet zudem, wie moralische Werturteile, die auf ethnischen Kategorien basieren, zu diskriminierenden Entscheidungen führen können. Ein Beispiel ist eine Besprechung im Kommissariat, in der eine Vergewaltigungsanzeige behandelt wird. Der zuständige Beamte kommentiert die indischen Namen der Beteiligten abschätzig und äußert Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Falles aufgrund kultureller Vorurteile.

Eine Diskriminierung beobachteten die Forschenden auch in Fällen, in denen die Polizei Befragungen von Opfern oder Verdächtigen aufgrund von Sprachbarrieren frühzeitig abbricht, statt alternative Kommunikationswege zu suchen. In einem Fall häuslicher Gewalt konnte ein Opfer nur unzureichend befragt werden, weil keine Dolmetscher*innen verfügbar waren und Übersetzungsblätter fehlten.

Vergangene Woche hat ein ARD-Bericht belegt, wie Beamt*innen auch innerhalb der Polizei rassistisch diskriminiert werden. Protagonist der Sendung ist der Berliner Abdel, dessen vollständiger Name nicht genannt werden soll und dessen Familie inzwischen in dritter Generation in Deutschland lebt. Abdel berichtet, dass er und andere migrantisch gelesene Polizist*innen regelmäßig rassistische Witze bis hin zu ernsten abfälligen Bemerkungen über ihre Herkunft oder Religion hören müssen. Auch würden Personen mit Migrationshintergrund oder nichtdeutschen Namen im Bewerbungsverfahren oder bei Beförderungen benachteiligt.

Schließlich beklagt Abdel auch, dass Polizist*innen, die Diskriminierung ansprechen oder sich dagegen wehren wollen, oft nicht die nötige Unterstützung von ihren Vorgesetzten erhalten. Diese Beobachtung haben auch die Forschenden in Niedersachsen gemacht: Es gebe immer noch Vorgesetzte und Einheiten, die über institutionelle Diskriminierung nicht sprechen oder diese sogar verdecken, sagte Jacobsen zum »nd«.

Abdel hat seinen Dienst bei der Berliner Polizei inzwischen quittiert. Er schlägt vor, die diskriminierenden Missstände mit Schulungen und einer Reform zu bekämpfen, die Diversität in den Vordergrund stellt. Auch die Autor*innen der Polizeistudie fordern systematische Reformen und Schulungen, um diskriminierende Routinen und Arbeitsgewohnheiten zu ändern.

In der Polizei Niedersachsen gebe es jedenfalls großes Interesse an den Ergebnissen der Studie und eine große Bereitschaft, Empfehlungen umzusetzen, sagte Jacobsen am Montag. Dabei könnten Beschwerdestellen helfen, die unabhängig und mit eigener Ermittlungskompetenz ausgestattet sind, so Jacobsen auf Nachfrage des »nd«.

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