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Ein Superstar unter »ferner liefen«: Sydney McLaughlin-Levrone
Hürden-Olympiasiegerin McLaughlin-Levrone tritt bei der Diamond League nur in zwei Einladungsrennen an. Die 400 Meter könnten spektakulär werden
Es ist paradox: Die Leichtathletiksaison geht an diesem Freitagabend mit dem Finale der Diamond League in Brüssel zu Ende. In 16 Disziplinen der Männer und Frauen werden die Gesamtsieger gesucht, die jeweils 30 000 US-Dollar Preisgeld nach Hause mitnehmen und einen Startplatz für die WM 2025 in Tokio sicher haben. Doch der am sehnlichsten erwartete Star des Meetings startet außerhalb der Wertung: Sydney McLaughlin-Levrone, die 400-Meter-Hürden-Sprinterin aus den USA, Olympiasiegerin und Weltrekordlerin, tritt in Brüssel nur bei zwei Einladungsrennen an. Und könnte dennoch die Konkurrenz blamieren.
Bereits am Dienstag präsentierte Meeting-Direktorin Kim Gevaert die kapriziöse US-Sprinterin bei einer Pressekonferenz den aufgeregten Leichtathletikreportern. Mit einem strahlenden Lächeln setzte sich die 25-Jährige aus Dunellen, New Jersey, aufs Podium und verkündete, sie wolle zum Abschluss der Saison vor allem noch einmal Spaß in Brüssel haben. Sie sei »dankbar«, an dem traditionsreichen Meeting in Belgien teilnehmen zu dürfen.
»Ich hoffe, auf beiden Strecken einen persönlichen Rekord aufzustellen.«
Sydney McLaughlin-Levrone Hürdensprinterin
Dankbar sind sie auch in Brüssel: Die Sprinterin, die seit 2022 mit dem Ex-Football-Star Andre Levrone verheiratet ist, macht sich üblicherweise extrem rar. Sie trat in den vergangenen Jahren nur bei den ganz großen Rennen wie WM oder Olympia an, beziehungsweise bei den US Trials, bei denen man sich für große Wettbewerbe qualifiziert.
Ihre Bilanz ist allerdings atemberaubend: Seit 2019 hat sie kein einziges Rennen über 400 Meter Hürden verloren. Und bei sechs der letzten zehn Hürdenfinals, die sie seit 2021 bestritten hat, stellte sie jeweils einen Weltrekord auf, unter anderem beim Olympiasieg 2021 (51,46 Sekunden), dem Finale der Weltmeisterschaften 2022 (50,68), bei den US Trials im Juni 2024 (50,65). Zum Vergleich: Skadi Schier aus Berlin gewann in 52,36 Sekunden den deutschen Meistertitel über 400 Meter – flach, ohne Hürden.
Millionenschweres Sponsoring
Die Frau, die von ihrem Ausrüster New Balance stattliche 1,5 Millionen US-Dollar pro Jahr erhält, hat 2024 an keinem der bisher 14 Diamond-League-Meetings teilgenommen und ist deswegen beim Brüsseler Saisonfinale nicht einmal mit einer Wild Card startberechtigt. Um die Ausnahmeathletin überhaupt auf die Bahn des König-Baudouin-Stadions zu bringen, haben die Veranstalter eigens zwei Rennen aufs Programm gesetzt, zu »Ehren von Sydneys bemerkenswerten Leistungen, einschließlich ihres unvergesslichen 400-Meter-Hürdenweltrekords in Paris«.
Auf 50,37 Sekunden schraubte Sydney McLaughlin-Levrone den Weltrekord bei Olympia in Paris im August. Auch ein Unterbieten der 50-Sekunden-Schallmauer hält sie für möglich, wie sie am Dienstag der belgischen Zeitung »Het Laatste Nieuws« verriet: »Aber dann muss es der perfekte Lauf sein.« In Brüssel startet sie allerdings auf den ungewohnten 400 und 200 Metern: »Ich laufe die 400 oder 200 Meter nicht oft, aber ich hoffe, auf beiden Strecken einen persönlichen Rekord aufzustellen.«
Mit einer persönlichen Bestleistung könnte Sydney McLaughlin-Levrone vor allem über die flachen 400 Meter die versammelte Weltelite blamieren: Am Freitag wird um 19.53 Uhr der Startschuss für das Einladungsrennen über 400 Meter fallen, ehe um 20.04 Uhr die 400-Meter-Spezialistinnen um die Diamond-League-Krone sprinten. Gut möglich, dass die ehrgeizige US-Amerikanerin dabei schneller unterwegs ist als die meisten Spezialistinnen um die dominikanische Olympiasiegerin Marileidy Paulino, die in Paris in 48,17 Sekunden Gold gewann, immerhin olympischer Rekord.
47,7 Sekunden in der Staffel
Denn McLaughlin-Levrone hat auch das Zeug zum ganz großen Wurf auf der flachen Stadionrunde: Als sie Anfang Juni probehalber über 400 Meter antrat, lief sie auf vier Hundertstel an den US-Rekord heran: 48,74 Sekunden. Und beim Goldlauf der US-Staffel zum 4x400-Meter-Sieg von Paris sprintete sie an zweiter Stelle laufend zur schnellsten Zeit aller Finalteilnehmerinnen: 47,7 Sekunden sind im Abschlussbericht für McLaughlin-Levrone verzeichnet. Bei fliegendem Start gemessen, natürlich, aber dennoch ist es eine Zeit, die aufhorchen lässt: Der Uraltweltrekord der Rostockerin Marita Koch aus dem Jahr 1985 liegt bei 47,60 Sekunden.
Die Dominanz der US-Amerikanerin weckt Argwohn in einer Sportart, die so von Doping gebeutelt ist wie die Leichtathletik. Zumal die schaumgepolsterten Superspikes, die den Fuß schneller von der Bahn zurückschnellen lassen, ja auch der Konkurrenz zur Verfügung stehen. Immerhin: Wie einst Jamaikas Supersprinter Usain Bolt fiel auch sie bereits in ihrer Jugend als außergewöhnliches Talent auf. So stellte sie 2014 über 100 Meter Hürden mit 13,34 Sekunden eine Weltbestleistung für 14-Jährige auf. Mit 16 schaffte Sydney McLaughlin bereits die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro über 400 Meter Hürden, wo sie als Fünfte des Halbfinales nur knapp den Endlauf verpasste.
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Trainer unter Dopingverdacht
Doch auf der anderen Seite trainiert sie seit 2020 unter Bob Kersee: Der 70-jährige Coach hat unzählige US-Sprintstars zu Höchstleistungen gebracht. Seit den Sommerspielen 1984 kam stets mindestens ein Olympiasieger oder eine Olympiasiegerin aus seiner Trainingsgruppe, zu der beispielsweise seine Frau Jackie Joyner-Kersee, Florence Griffith-Joyner, Gail Devers oder Allyson Felix zählten.
Etliche von ihnen wurden des Dopings verdächtigt. Florence Griffith-Joyner, die noch immer die Weltrekorde über 100 (10,49 Sekunden) und 200 Meter (21,34) hält, starb 1998 – zehn Jahre nach ihren drei Olympiasiegen in Seoul – an einem epileptischen Anfall, der nach Meinung von Experten eine Folge von Anabolika-Doping gewesen sein könnte. Ehemalige Athleten beschuldigten Kersee, ihnen Steroide gegeben zu haben. Nachgewiesen wurde Kersee allerdings nie etwas.
Sydney McLaughlin-Levrone lobt ihren Trainer. »Er hat mich als Mensch und als Sportler weiterentwickelt und mich auf eine Weise gefordert, die ich nicht für möglich gehalten hätte«, schwärmte sie gegenüber der Nachrichtenagentur AP vor den Spielen von Paris.
Nach ihrem Olympiasieg dankte die fromme Amerikanerin allerdings noch höheren Instanzen. Das Laufen sei die Gabe, die Gott ihr gegeben habe: »Indem ich sie nach besten Kräften nutze und die Aufmerksamkeit demütig auf ihn lenke, wird er gepriesen.«
Ob mit oder ohne irdische Hürden: Am Freitag und am Samstag wird McLaughlin-Levrone zum Saisonabschluss noch einmal alles geben.
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