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Solarausbau in Berlin: Das Ziel ist nicht sonnenklar

In Berlin passiert einiges, um den Photovoltaik-Zubau anzukurbeln. Doch der Nachholbedarf ist groß – und die politischen Vorgaben sind mager

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 7 Min.
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) präsentiert stolz Photovoltaik-Anlagen – dabei hinkt Berlin seinen Zielen hinterher.
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) präsentiert stolz Photovoltaik-Anlagen – dabei hinkt Berlin seinen Zielen hinterher.

Das Rekordjahr beim Photovoltaik-Bau in Deutschland war mit großem Abstand 2023. Es gibt dazu mehr als eine Statistik, aber die neu errichtete Leistungskapazität lag übereinstimmend in etwa um die 15 Gigawatt (GW). Für das erste Halbjahr 2024 verzeichnet das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur einen Zuwachs um 7,8 GW, es geht also auf diesem Niveau weiter.

Doch ob das Niveau als wirklich hoch angesehen wird, hängt davon ab, ob der Blick in die Vergangenheit oder – angesichts des Energiewendebedarfs – in die Zukunft gerichtet ist. Das zeigt sich besonders deutlich an Berlin, wo die Solarstromproduktion seit jeher gering ist.

2023 wurden in der Hauptstadt Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von über 77 Megawatt (MW) errichtet, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Seit 2019 gibt es jedes Jahr steigende Rekordwerte. Ende 2023 war eine Spitzenleistung von rund 272 MW installiert, alleine 2023 wurde also mehr als ein Viertel davon geschaffen.

Der Blick in die Vergangenheit sieht also einen immensen Zuwachs. Doch angesichts des offiziell angestrebten Ausbaus der hauptstädtischen Photovoltaik ist das Niveau niedrig: 2018 gab das Abgeordnetenhaus der Landesregierung den Auftrag, »möglichst schnell ein Viertel der Berliner Stromversorgung durch Solarenergie zu decken«. Für den »Masterplan Solarcity« wurde ein »Expertenkreis« einberufen, in dem 26 Menschen aus staatlichen und privaten Unternehmen, Zivilgesellschaft, Berufsverbänden, der Landespolitik und der Wissenschaft eine »Masterplanstudie« und einen Maßnahmenkatalog erarbeiteten. Im März 2020 beschloss der Senat das dazugehörige Umsetzungskonzept.

Die Solarenergie ist besonders wichtig, denn eine Großstadt hat wenig Platz für andere Arten der ökologischen Stromerzeugung. Doch von wegen »möglichst schnell« – der Solarstromanteil von 25 Prozent am Berliner Verbrauch soll gemäß Umsetzungskonzept erst 2050 erreicht werden. In der Masterplanstudie wird geschätzt, dass das einer Jahresproduktion von 3900 Gigawattstunden entspräche, wofür 4400 MW installierte Leistung nötig wären. Dieses Ziel sei auch in wirtschaftlicher Hinsicht realistisch. Angesichts der Zahlen von 2023 wird aber deutlich: Bleibt der Zubau auf dem Niveau des bisherigen Rekordjahres, dauert es noch 53 Jahre, bis das Ziel erreicht ist.

Das Ziel soll mittlerweile sogar noch vor 2050 erreicht werden, wobei aber unklar ist, wann. Die seit 2023 amtierende Energiesenatorin und vorherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nennt immer wieder 2035 als Zieljahr. Auf die Frage, ob es dazu einen offiziellen Beschluss gibt, antwortet ihre Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, dieses Zieljahr entstamme dem Koalitionsvertrag von 2021, als die SPD noch mit den Grünen und Linken regierte, was sie nach der Berliner Wiederholungswahl von 2023 nicht mehr wollte. Im dann mit der CDU geschlossenen Koalitionsvertrag ist kein Zieljahr mehr enthalten. Dort wird nur angekündigt, die 25 Prozent Solarstrom »so schnell wie möglich zu erreichen«, und »deutlich vor dem Jahr 2045 das Ziel der Klimaneutralität in Berlin zu erreichen«.

Immerhin wurde mittlerweile einiges angeschoben. Im Dezember 2023 veröffentlichte die Senatswirtschaftsverwaltung einen Evaluationsbericht zum Masterplan, der von der Berliner Arepo GmbH erstellt worden war. Demzufolge wurden die Ziele der 27 Maßnahmen in neun Handlungsfeldern im Durchschnitt »fast vollständig erreicht«. Am besten schneiden in der Evaluation die Handlungsfelder »Verbesserung der Rahmenbedingungen«, »Koordinierung und Monitoring« sowie »Vorbilder durch Leuchtturmprojekte« ab. Es gibt neue Förderungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen (etwa für Anlagen in Gartenkolonien oder auf Gründächern, Speicher für Eigenheime und Unternehmen mit großen Dächern), eine Solaranlagenpflicht für Neubauten und erneuerte Dächer sowie das Solarzentrum als Beratungsstelle für Privat- wie Fachleute.

Die Auswirkung auf den Zubau ist aber noch beschränkt. 2023 war das erste Jahr, an dessen Ende die insgesamt installierte Leistung den Wert des Ausbaupfads für das Zieljahr 2050 erreichte und sogar leicht übertraf, geht aus dem Monitoringbericht der Senatsverwaltung hervor. Der erreichte Wert war aber weit entfernt von dem Ausbaupfad, der nötig wäre, um das Zieljahr 2035 zu erreichen. Dass Giffey immer wieder von letzterem spricht, hat also mehr mit Propaganda als mit der Realität zu tun.

Am schlechtesten lief es laut Evaluation bis vor einem Jahr in den Handlungsfeldern »Marktinitiativen unterstützen«, »Beratung, Information und Öffentlichkeitsarbeit«, »Wirtschaftlichkeit aufzeigen« sowie »Partnerschaftsvereinbarungen«. Konkret »zeigt sich ein zu geringes Interesse seitens gewerblicher Gebäudeeigentümer*innen, Solaranlagen auf großen Dächern zu installieren«, heißt es in der Evaluation. Die anderen seien der Fachkräftemangel und eine »fehlende Kosteneffektivität« für die diversen Branchenakteure »aufgrund von bürokratischen Genehmigungsprozessen«.

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Ein großer Erfolg ist hingegen das Förderprogramm Solarplus, vor allem für die sogenannten Steckersolargeräte, die auf Balkonen oder in Kleingartenanlagen angeschlossen werden dürfen. Da gibt es pro Installation bis zu 500 Euro vom Land, was normalerweise einen Großteil der Anschaffungskosten deckt. Allerdings sind dafür nur sieben Millionen Euro vorgesehen. Die Höchstzahl der bewilligbaren Anträge ist auf 14 000 festgesetzt. Von September 2022 bis Ende Juli gingen 14 700 Anträge ein, von denen zu diesem Zeitpunkt schon 11 300 bewilligt waren, teilt die Senatsverwaltung auf Anfrage mit. Ebenfalls stark nachgefragt sei die Förderung für Stromspeicher. Von 6500 Anträgen seien schon 3800 bewilligt worden.

Es gibt Kritik an der Verständlichkeit der Antragsformulare und der dazugehörigen Online-Software. Berit Müller, Geschäftsführerin des Landesverbands Berlin-Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, teilt auf Anfrage mit: »Die Förderinstrumente sind sehr sinnvoll und orientieren sich an den Rückmeldungen aus der Praxis.«

Werbung für die Anschaffung eines Steckermoduls hat Plan B gemacht, ein als gemeinnütziger Verein registriertes »Koordinations-Netzwerk«. Es will staatliche Stellen, Vereine und Basisinitiativen für konkrete Schritte der Energiewende zusammenbringen und entwickelt auch Pilotprojekte für Kommunikationsmaßnahmen in die Breite der Bevölkerung.

2023 war das erste Jahr, in dem die installierte Leistung den Wert des Ausbaupfads für das Zieljahr 2050 erreichte.

Sprecherin Lu Yen teilt auf Anfrage mit: »Die Auswertungen zeigen, dass die bisherigen Fördergelder weitgehend in den Außenbezirken, die von Einfamilienhäusern geprägt sind, landen. Die Förderung Solarplus gewann an Schwung, als die Anträge für Eigentümer von Mietwohnungen geöffnet wurden. Es ist anzunehmen, dass die meisten Förderanträge von Eigentümern gestellt wurden.« Dabei wohnten in Berlin 84 Prozent der Haushalte zur Miete. Die Photovoltaikförderung des Landes sei somit »weder sozial gerecht noch partizipativ«. Yen sieht zudem Wohnungsunternehmen in der Pflicht, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen und weniger restriktiv bei der Genehmigung von Balkonmodulen zu sein.

Inwieweit gehen die Landeswohnungsunternehmen bei all dem mit gutem Beispiel voran? In der Expertenempfehlung zum Masterplan von 2019 ist zu lesen: »Dem Land Berlin gehören nur 5,4 Prozent der Gebäude, die über 8,3 Prozent des Solarpotenzials bereitstellen. Die öffentliche Hand spielt allerdings für die Umsetzung des Masterplans als Vorbild für andere Akteur*innen eine sehr wichtige Rolle.« 2021 ergab ein Volksentscheid, dass das Land die Bestände großer Wohnungsunternehmen vergesellschaften soll, was die derzeitige Landesregierung aber ablehnt. Auf die Frage, inwieweit der Senat das Potenzial eines gewachsenen Bestandes an Hausdächern in öffentlicher Hand für Solaranlagen jemals ins Auge gefasst hat, geht die Senatsverwaltung in ihrem Antwortschreiben nicht ein.

Auch auf die Frage nach dem Diskussionsstand hinsichtlich einer Solaranlagenpflicht für alle, also nicht nur neue oder umfassend sanierte Gebäude, geht der Senat nicht ein. Dabei sprach sich selbst der Ökonom Claus Pretzell von der Investitionsbank Berlin, die die Fördermittel vergibt, schon vor einem Jahr für eine solche allgemeine Pflicht aus, wobei er einen Vorlauf von 15 Jahren bis zum Inkrafttreten nannte.

Der Senat hat mittlerweile zusammen mit Handwerksinnungen eine Werbekampagne für eine Ausbildung in der Solarbranche begonnen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Der Masterplan Solarcity soll nun neben diesem als weiteren Schwerpunkt die »Beschleunigung des Ausbaus auf großen Dächern« haben, wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe auf Anfrage mitteilt. Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorgestellt werden.

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