Berlin: Wenn der Chef durch die Steckdose zuguckt

Bericht zeigt laxen Umgang mit Datenschutz bei Unternehmen

Gekennzeichnete Videoüberwachung ist eine Sache, versteckte Beobachtung durch Chefs eine ganz andere. Ein Unternehmen musste daher 4000 Euro Strafe zahlen.
Gekennzeichnete Videoüberwachung ist eine Sache, versteckte Beobachtung durch Chefs eine ganz andere. Ein Unternehmen musste daher 4000 Euro Strafe zahlen.

Die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Meike Kamp hat viel zu tun: 5537 Mal wandten sich im vergangenen Jahr Bürger mit einer Beschwerde oder Anfrage an sie. 2022 waren es noch 4445 Eingaben gewesen. Das geht aus ihrem Jahresbericht hervor, den Kamp am Dienstag im Abgeordnetenhaus vorstellte. Die Beschwerden bewegten sich damit auf einem ähnlichen Niveau wie zu Zeiten der Corona-Pandemie, als das Agieren der Gesundheitsämter zu vermehrten Beschwerden führte. Zu den Beschwerden kamen demnach 1129 Datenpannen hinzu, die private und öffentliche Stellen an die Datenschutzbeauftragte meldeten.

Der Bericht dokumentiert an vielen Stellen einen erschreckend laxen Umgang mit Datenschutzbestimmungen bei Unternehmen und Behörden. In einem Fall wandten sich Praktikanten eines Unternehmens an die Datenschutzbeauftragte, weil sie am Arbeitsplatz durchgängig mit in Steckdosen versteckten Kameras beobachtet wurden. Das Unternehmen verteidigte sich, dass die Überwachung verhindern sollte, dass es zu Urheberrechtsverletzungen kommt. Die Praktikanten hätten der Überwachung mit einer Klausel im Arbeitsvertrag auch zugestimmt. »Angesichts des Machtungleichgewichts zwischen Unternehmen und Praktikant*innen war es aus unserer Sicht ausgeschlossen, dass sich die Praktikant*innen mit der Videoüberwachung aus freien Stücken vertraglich einverstanden erklärt haben«, heißt es dazu im Bericht. Das Unternehmen musste eine Strafe in Höhe von 4000 Euro zahlen.

In einem anderen Fall verletzte ein Unternehmen den Datenschutz, um einen Betriebsrat zu erschweren: Eine Abteilungsleiterin erstellte eine Liste aller Mitarbeiter, deren Probezeit zeitnah endete. In der Tabelle wurden persönliche und politische Einstellungen, mögliche psychotherapeutische Behandlungen und die Haltung zur möglichen Gründung eines Betriebsrats festgehalten. Diese Daten hatte die Abteilungsleiterin Diskussionen um Dienstpläne und persönlichen Gesprächen entnommen. Auf Basis der Tabelle wollte die Geschäftsführung entscheiden, welche Mitarbeiter entlassen werden sollen. Dafür verhängte die Datenschutzbeauftragte eine Strafe in Höhe von 215 000 Euro.

Nicht nur Unternehmen, sondern auch einzelne Personen können den Datenschutz verletzen. Besonders Polizisten überschreiten hier immer wieder Grenzen. 35 Vorgänge führt die Datenschutzbeauftragte gegen Polizisten, zumeist wegen unrechtmäßiger Abfragen in der Datenbank der Polizei. Für einen Flirtversuch soll ein Polizist etwa die Handynummer einer Zeugin auf diese Weise recherchiert haben. In anderen Fällen fragten Polizisten die Daten von Angehörigen und Ex-Partnern ab. In 32 Fällen wurden Bußgelder verhängt.

Kritisch sieht die Datenschutzbeauftragte auch Maßnahmen, die aus dem Senat stammen. Zu der von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) forcierten Ausweispflicht in Schwimmbädern heißt es im Bericht etwa: »Die Sichtung der Ausweisdokumente sämtlicher Badegäste ist jedoch weder geeignet noch erforderlich, um die Sicherheit der Gäste und Beschäftigten zu gewährleisten.« Datenschutzrisiken für die Badegäste ließen sich demnach nicht ausschließen, etwa wenn andere Gäste in der Warteschlange einen Blick erhaschen können. Dabei erfülle die Ausweiskontrolle kaum praktische Zwecke: »Die Maßnahme hilft nicht dabei, für die ein Hausverbot besteht, zu identifizieren, denn ein Abgleich mit der Hausverbotsliste erfolgt nicht«, heißt es in dem Bericht.

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