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Thekla Kaischauri ist Japans liebstes Wrestling-Badgirl
Als Bösewicht im Spinnenkostüm verkörpert die Österreicherin all das, was den japanischen Showkämpferinnen abgeht. in Japan ist sie eine feste Größe.
Seit fast zehn Minuten treten sich diese Frauen ins Gesicht, schlagen sich in die Magengruben, ziehen sich an den Haaren. Aber irgendwann hat Thekla genug. Einem Schlag ihrer Gegnerin, einer schmächtigen Ringerin in buntem Kostüm, weicht sie aus, beugt ihren Oberkörper blitzschnell hintenüber, stellt ihre Arme Überkopf auf dem Ringboden auf. »Oh! Spider!«, rufen Fans. Es ist der Anfang vom Ende.
Thekla greift mit einer geschmeidigen Bewegung von hinten durch die Beine ihrer Kontrahentin, drückt ihren Rücken auf den Boden. Die eben noch attackierende Kämpferin zappelt hilflos. Mit Schlägen auf den Boden zählt der Ringrichter an: Eins, zwei, drei. K.o.! Die Glocke läutet, der Saal jubelt, laute Musik hämmert durch die Lautsprecher. Thekla reißt die Arme in die Luft. Ihre muskulösen Beine und ihr Sixpack, umhüllt von einem knappen, schwarzen Outfit mit spinnenartigen Streben, schimmern im Scheinwerferlicht. Es ist ihr Moment.
»Das Gefühl, wenn du gewonnen hast, ist Wahnsinn«, gesteht sie Minuten später mit einem Wiener Akzent im Backstagebereich. Über ihr Gesicht legt sich ein strahlendes Lächeln, ganz anders als eben noch im Ring, wo sie als einschüchternde Draufgängerin auftrat. »Ich liebe Wrestling!« Dieses Showgeschäft, in dem Kämpferinnen und Kämpfer vorgeben, sich auf Leben und Tod zu bekämpfen, biete eben alles, was lautes Entertainment brauche: große Emotionen, Höhen und Tiefen, Fairness und Hinterhältigkeit.
Und man muss wohl sagen, dass das Wrestling in Japan, wo die Österreicherin Thekla Kaischauri seit kurz vor der Pandemie lebt, jetzt noch etwas besser geworden ist. Denn im ostasiatischen Land, das neben den USA und Mexiko zu den weltweit größten Märkten für die kämpferischen Stuntshows zählt, ist die 31-Jährige ganz offensichtlich eine Bereicherung. Thekla zählt zu den Shootingstars im Frauenwrestling, einem Boomsegment eines traditionell von Männern dominierten Geschäfts.
In der Korakuen-Halle, einer an die 2000 Personen fassenden Arena im nordöstlichen Zentrum von Tokio, tobt das Publikum regelmäßig, wenn Thekla ihre Spinnenbewegungen im Ring durchführt, ihre hinterhältigen Angriffe fährt und ihre Kontrahenten schon mit ihren finsteren Blicken einschüchtert. In einer Welt, wo der Auftritt alles ist, es eigentlich aber auch alles schon mal gab, hat Thekla Kaischauri doch noch eine Marktlücke gefunden: Eine böse Spinnenfrau wie sie hat der Wrestling-Kosmos noch nicht gesehen. Bis jetzt.
In der bizarren japanischen Wrestlingwelt passt die Figur besonders gut. An einem gewöhnlichen Samstagnachmittag ist das übliche Lineup von Stardom vertreten, der führenden Frauenliga des Landes: Die Charaktere reichen von einer Mischung aus Samurai und Geisha bis zu einer Art Barbie mit blonden Haaren und Sonnenstudio-gebräunter Haut. Was diese Frauen eint: Sie sind körperlich topfit, schlagen fest zu und beherrschen technisch anspruchsvolle Stunts.
Aber anders als in den USA oder Mexiko ist das Wrestling in Japan trotzdem auch von Höflichkeit und sogar Niedlichkeit geprägt. »Viele unserer Kämpferinnen sind ein bisschen kawaii«, erklärt Kanae Imai, eine schmale Frau mit Sonnenbrille in den Haaren, die bei Stardom die PR verantwortet. Kawaii heißt niedlich. »Unsere Fans mögen das so.« Ehe die Kämpferinnen im Ring aufeinander losgehen, verbeugen sie sich häufig oder umarmen sich zwischendurch. »Respekt ist bei uns auch im Wrestling wichtig«, betont Imai.
Thekla Kaischauri zuckt mit den Schultern, wenn sie so etwas hört. »Ich sag auf der Bühne gerne ›Fuck you‹ und zeig den Leuten den Mittelfinger.« Sie ist das Badgirl, das der Branche anscheinend gefehlt hat. Seit es Wrestling gibt, teilt sich dieses kaum subtile Universum in »Faces« und »Heels«, also gute und böse Typen. In der japanischen Kultur, die auch außerhalb des Wrestlings ein auffallendes Faible für das Süße und beinahe Infantile hat, gab es bisher jedoch kaum fiese Kämpferin. Thekla Kaischauri grinst: »Genau mein Ding.«
Die Tochter einer georgischen Mutter hatte schon früh einen Geschmack für Hardcore. Als Heranwachsende in Wien übte sich die junge Thekla im Schwimmen, Turnen und Ballett, bald aber auch in Martial Arts. In der Pubertät spielte sie E-Gitarre, gründete ihre Punkband »Death Row Groupies.« Während sie als Studentin gelegentlich durch Europa tourte, stieß sie aufs Wrestling. »So was kannten meine Freunde und ich nicht. Aber als wir zu einer Show gingen, war ich komplett geflasht. Es war wie Sport und Metal zusammen!«
In einer durchzechten Nacht traf ihr Freundeskreis eine Abmachung: Sie alle würden mit dem Wrestlen anfangen. »Ich war die Einzige, die es durchgezogen hat«, sagt die heutige Profikämpferin nach ihrem K.o.-Sieg in Tokio und lacht. Kaischauri, damals noch Studentin der Transmedialen Kunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, suchte sich einen Wrestlingverein, lernte Grundtechniken des Abrollens, Greifens und Schlagens. Sie leckte Blut, wurde besser. Bis ihr Trainer sagte, er habe Kontakte nach Japan.
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»Zuerst war ich eingeschüchtert. Aber ich hab nicht lang gezögert.« Auf den ersten Trip nach Japan im Jahr 2017 folgten bald weitere, Ende 2019 war Thekla zum ersten Mal für eine Art längeres Trainingslager in Tokio. Neben ihren akrobatischen Fähigkeiten fiel auch die Persona auf, die Kaischauri sich ausgedacht hatte. »Das Badass-Image passte mir. So war ich bei den ›Death Row Groupies‹ auf der Bühne ja auch: Laut, schrill, furchtlos.« Als die Pandemie ihre Kreise zog, ergriff sie nicht die Flucht aus Tokio, sondern blieb und lernte Japanisch.
»Thekla zählt zu den wenigen Ausländerinnen, die in Japan ihre Karriere begonnen haben«, schwärmt Managerin Kanae Imai im Backstagebereich, während in der Halle der nächste Kampf angekündigt wird. Auch wegen dieses Stallgeruchs wolle man Thekla bei Stardom weiter aufbauen und pushen. Dies wiederum könnte für die Österreicherin in Zukunft noch viel wert sein. Die Topverdienerinnen im Wrestling sollen schon heute jährlich eine Million Euro einnehmen.
»Da bin ich noch lange nicht«, sagt die 31-Jährige nach dem Event. Für den Ruhm in der Wrestlingwelt trainiert sie fast jeden Tag entweder im Kraftraum oder auf der Matte. Ebenso wichtig ist ihr Social-Media-Auftritt, den Kaischauri noch selbst managt. Auf X zählt sie bisher 31 200 Follower, auf Instagram 45 600. Auf der Straße wird sie regelmäßig angesprochen. »Es ist manchmal auch ein bisschen viel.«
Die Fans sind vor allem männlich und jenseits der 40. In der Halle sind sie oft mit Objektivkameras ausgestattet. »Viele sind auf der Suche nach den sneaky shots«, sagt die Wrestlerin. Dass sie auch sexualisiert wird, sei ihr klar. »Das gehört wohl dazu. Ich gewöhne mich dran.« In den nächsten Jahren dürfte die Aufmerksamkeit jeglicher Art ohnehin noch mehr werden. Seit Kurzem pusht Stardom das Frauenwrestling durch landesweite Touren und häufigere TV-Übertragungen. »Kämpfende Frauen passen gut in die heutige Zeit der Geschlechtergleichheit«, sagt PR-Managerin Imai am Rande des Rings.
Es gehe dabei schließlich um Diversität. Wobei das in Japan so eine Sache ist. »Anfangs wollte man von mir, dass ich wie die anderen ein bisschen niedlicher werde«, erinnert sich Kaischauri und muss lachen. Ihr Bizeps zuckt. »Als Angestellte von Stardom hab ich meine Rechte abgetreten.« Die Frage nach ihrem Auftreten aber sei für sie nicht verhandelbar gewesen. Eines Tages habe sie im Ring einfach den Mittelfinger gezeigt. Das Publikum war nicht empört, sondern jubelte. »Das gehört jetzt zu meiner Marke.«
In einem Land, das so viel Wert auf Gesten der Höflichkeit und Bescheidenheit legt, ist eine Karriere als Bösewicht schon eine Leistung. Wobei Thekla als »Heel« wohl nie der größte Champion werden wird, da in der simplen Welt des Wrestlings am Ende doch meistens das Gute siegen muss. Als fieser Gegenpart aber macht sich die Wienerin in Japan gerade unverzichtbar. Zumal Thekla Kaischauri weiß: »Das, was ich hier vertrete, gehört ja auch zu Diversität, oder?«
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