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Mexiko: Krönung ohne König
Antritt von Präsidentin Sheinbaum begleitet Streit zwischen Mexiko und Spanien über die Kolonialzeit
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez gibt sich gerne einen feministischen Anstrich. Ausgerechnet der Einführung der ersten Präsidentin Mexikos in ihr Amt bleiben er und seine Regierung aber fern. Aus Solidarität mit König Felipe VI., wie es heißt. Denn Mexikos zukünftige Präsidentin hat das spanische Staatsoberhaupt nicht eingeladen – ein bewusster diplomatischer Affront. Also schickt die sozialdemokratische Regierung keine Vertreter in die einstige Kolonie.
Der Sozialdemokrat Sánchez nannte die Nicht-Einladung »inakzeptabel und unerklärlich«. Teile des linken Koalitionspartners Sumar sehen das hingegen anders. »Es ist logisch, dass ein König, der andere nicht respektiert, auch nicht respektiert wird«, erklärte der Sumar-Abgeordnete Gerardo Pisarello. Das Mitglied des Parlamentspräsidiums fügte hinzu: »Die Menschen in Mexiko sind keine Untertanen, sondern freie Frauen und Männer.« Pisarello kündigte seinerseits an, am Dienstag der feierlichen Zeremonie beizuwohnen.
Arbeitsministerin und Sumar-Gründerin Yolanda Díaz, die nach Wahlschlappen im Juni von der Parteiführung abtreten musste, sagte ihre geplante Reise nach Mittelamerika hingegen ab. Dafür kritisiert auch die Parlamentarierin Tesh Sidi die ehemalige Galionsfigur ihrer Formation. »Die Anerkennung der kolonialen Vergangenheit ist Erinnerung und Wiedergutmachung zwischen den Völkern«, schrieb sie auf X. Die Teilnahme an der Ernennung »der ersten weiblichen Präsidentin Mexikos« hält sie für »unerlässlich«. Sidi glaubt, dass die Fliehkräfte in Spaniens Regierung stärker werden.
Das gilt auch in Bezug auf linke Unterstützer. Die baskische Linkskoalition EH Bildu (Baskenland vereinen) und die spanische Linkspartei Podemos, auf deren Stimmen Sánchez ebenfalls angewiesen ist, entsenden Vertreter nach Mexiko. Der Bildu-Abgeordnete Jon Inarritu sagte mit Blick auf den König: »Die Bourbonen bleiben arrogant bis zum Ende.« Er nannte es »erbärmlich«, dass die »selbsternannte progressive Regierung« einen »Schulterschluss« mit dem Königshaus vollziehe und sich dabei von der lateinamerikanischen Linken abgrenze.
Zur Erinnerung: Spaniens Monarchie wurde einst von Diktator Francisco Franco restauriert. Der hatte Felipes Vater als Nachfolger an der Staatsspitze ausgewählt. Keiner der beiden besaß jemals eine demokratische Legitimation.
Der aktuelle Konflikt zwischen Mexiko und Spanien nahm seinen Anfang vor fünf Jahren unter Sheinbaums Vorgänger Andrés Manuel López Obrador, bei dessen Amtseinführung 2018 Felipe noch persönlich anwesend war. Ein Jahr später forderte Obrador Felipe in einem Brief zum 200. Jahrestag der mexikanischen Unabhängigkeit auf, auf »höchster Ebene« zusammenzuarbeiten. Spanien solle in einer gemeinsamen Zeremonie »öffentlich und offiziell« die Schäden anerkennen, die durch die »Eroberung« entstanden sind. Damit sollte eine neue Phase in den Beziehungen beider Länder eingeleitet werden. Der koloniale Völkermord wird in Spanien weiter als »Entdeckung« gefeiert.
Dass keine Entschuldigung aus Madrid kam, der Brief aus dem Jahr 2019 sogar »leider keinerlei direkter Antwort würdig war«, wie die designierte Staatschefin Sheinbaum mitteilte, ist der Grund dafür, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern seither praktisch auf Eis liegen.
Der Konflikt spitzt sich weiter zu. Sheinbaum erklärte, dass die »Anerkennung der indigenen Völker fundamental« sei, um bei der Transformation ihres Landes weiter voranzukommen. In ihnen lägen die kulturellen Wurzeln Mexikos. López Obrador hatte 2019 seinerseits die Ureinwohner des Landes um Verzeihung für die Verbrechen gebeten, die an ihnen während der Kolonialzeit begangen wurden und die zur Ausrottung ganzer Völker geführt hatten.
Spaniens Premier Sánchez hingegen behauptet: »Spanien hat seine Position zu der Frage schon dargelegt, und das hat auch der Staatschef getan.« Allerdings verrät der Ministerpräsident nicht, welche Position das sein soll. Spielt er etwa auf seinen damaligen Außenminister Josep Borrell an? Der heutige EU-Außenbeauftragte hatte ein fragwürdiges Geschichtsverständnis an den Tag gelegt. In Bezug auf die Völkermorde an den Ureinwohnern der heutigen USA hatte der Sozialdemokrat diese 2018 heruntergespielt und geäußert, dort seien lediglich »ein paar Indianer umgebracht« worden. Von deren Nachfahren wurde Borrell, der anschließend sein Bedauern über seine Äußerungen bekundete, des Rassismus und der Leugnung des Genozids beschuldigt.
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