Brandenburg: Koalition aus BSW und SPD oder gar nicht

SPD und BSW in Brandenburg vor ihrer ersten Sondierungsrunde

  • Andreas Fritsche und Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.
Öffnet BSW-Landeschef Robert Crumbach der SPD die Tür zum Machterhalt?
Öffnet BSW-Landeschef Robert Crumbach der SPD die Tür zum Machterhalt?

Vermutlich am Mittwoch beginnt die SPD von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auszuloten, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Nach der Landtagswahl vom 22. September hat die SPD nur noch diese eine Option. Das ist eine ungewohnte Lage. 1994 verfügte die SPD über eine absolute Mehrheit und brauchte keinen Koalitionspartner. Bei allen anderen Landtagswahlen seit 1990 konnte die SPD zwischen mehreren möglichen Partnern entscheiden und diese gegeneinander ausspielen. Erstmals ist das nun anders.

Von den 88 Sitzen im Landtag bekam die SPD 30, die AfD 29, das BSW 14 und die CDU 12. Grüne, Linke und Freie Wähler verpassten den Wiedereinzug ins Parlament. Damit ist eine Fortsetzung der rot-schwarz-grünen Koalition unmöglich geworden und SPD und CDU fehlt eine Stimme an einer Mehrheit im Landtag.

Am Donnerstag gab es eine Sondierungsrunde dieser beiden Parteien, deren Ausgang aber vorher klar war. Wie angekündigt erteilte die CDU der SPD eine Absage. Weitere Termine seien nicht verabredet worden, sagte der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann. »CDU und SPD haben in der Landesregierung in den letzten fünf Jahren gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet«, behauptete Redmann beschönigend. Denn es hatte immer wieder Zwistigkeiten gegeben und das nicht nur mit den Grünen. »Auch nach einer Landtagswahl gehört es sich, anständig miteinander umzugehen«, meinte Redmann. Aus diesem Grund sei die CDU der Einladung zum Gespräch gefolgt. Es habe in »freundlicher Atmosphäre« stattgefunden. »Trotzdem gilt: Die Mehrheiten sind, wie sie sind.« Die SPD habe zusammen mit dem BSW eine Mehrheit von zwei Stimmen im Landtag, um eine Regierung zu bilden. Das solle sie nun tun.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Zwar könnten sich SPD, CDU und BSW theoretisch auch auf eine Regierung aus drei Parteien einigen. Aber die Aussicht, dass die AfD dann die einzige Oppositionsfraktion im Parlament wäre, gefällt ihnen gar nicht. Der CDU fiel die Absage auch an diese Variante auch deshalb nicht so schwer, weil sie politische Vorbehalte gegenüber der Wagenknecht-Partei hat (Stichwort: Waffenlieferungen an die Ukraine) und sich von Woidke im Wahlkampf überrannt fühlte.

Der SPD bleibt also nichts anderes übrig, als auf die fragile Mehrheit von zwei Stimmen mit dem BSW zu bauen. Zur Erinnerung: Nach der Landtagswahl 2019 hatte die rot-rote Koalition nach zehn Jahren keine Mehrheit mehr. Es wäre allerdings eine rot-grün-rote Koalition rechnerisch möglich gewesen. Sie hätte eine Mehrheit von zwei Stimmen gehabt und wäre den Grünen lieber gewesen als eine Koalition mit der CDU. Doch Ministerpräsident Woidke waren diese zwei Stimmen damals zu wenig. Nun sind zwei Stimmen über den Durst das Beste, was er noch bekommen kann. Andernfalls blieben als letzter Ausweg nur noch eine Minderheitsregierung – oder Neuwahlen.

Fragil wäre ein Bündnis der SPD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht auch deshalb, weil ein Regieren mit der neuen Wagenknecht-Partei noch nirgends erprobt ist. Verlassen müsste sich Woidke auf einen bunt zusammengewürfelten Haufen von 14 BSW-Abgeordneten, die alle Neulinge im Landtag sind und sich vor ein paar Monaten oft noch nicht einmal untereinander kannten. Nicht gänzlich unbeleckt im parlamentarischen Geschäft sind immerhin die ehemaligen Linken beim BSW, die kommunalpolitische Erfahrungen etwa als Stadtverordnete vorweisen können.

Der BSW-Landesvorsitzende Robert Crumbach ist immerhin früher mal Referent der SPD-Landtagsfraktion gewesen. Aber auf die alte Kameradschaft darf Dietmar Woidke nicht spekulieren: Schließlich sind Konvertierte sind in der neuen Religion zumeist die Orthodoxen.

»Wenn es darum geht, auf mehr diplomatische Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Krieges hinzuwirken, halte ich einen Kompromiss für möglich.«

Daniel Keller SPD-Fraktionschef

Zudem sind die Kassen in Brandenburg leer. Große Geschenke kann die nächste Regierung nicht machen. Sie wird den Tisch nicht decken können, sondern abräumen müssen. Denn in den vergangenen fünf Jahren wurden die vor 2019 angesparten Rücklagen so gut wie aufgebraucht und neue Schulden angehäuft. Das BSW muss sich fragen, ob es dafür nun die Prügel einstecken möchte.

Zwar gleicht das BSW der umworbenen Braut. Aber es ist ebenfalls in einer schwierigen Lage. Für die Außenwirkung der erst zu Jahresbeginn gegründeten Partei wäre es verheerend, wenn sie sich nun sofort zum Steigbügelhalter der SPD machen müsste. Die BSW-Wähler sind ja mit dem traditionellen Parteien gerade nicht zufrieden gewesen und mindestens so leicht und so schnell zu verärgern, wie sie für das BSW gewonnen wurden. Auch das ist ein Dilemma. Crumbach nannte Neuwahlen deshalb ausdrücklich eine Option.

Aber all das ist vermutlich nicht einmal das Entscheidende. Denn über allem steht die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht höchstselbst. Sie will ohne Blessuren in den Bundestagswahlkampf 2025 ziehen. Da darf ihr BSW sich nicht schon in Landesregierungen entzaubert haben.

In der vergangenen Woche traf sich Sahra Wagenknecht mit Dietmar Woidke und sprach danach von »Kennenlerngesprächen«. Ihre Bedingungen für mögliche Regierungsbeteiligungen in Ostdeutschland: Die jeweilige Landesregierung wende sich unmissverständlich gegen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. »Das sollte in die Präambel des Koalitionsvertrags«, fordert Wagenknecht. Dazu gehöre eine entsprechende Bundesratsinitiative, vor allem aber sollte die Landesregierung öffentlich und beharrlich diese Position vertreten, verlangte die Politikerin. »Wir wollen, dass es eine breite Debatte in Deutschland zu diesem Thema gibt.« Und: »Wenn die anderen sich nicht wirklich bewegen wollen, dann ist unser Wählerauftrag die Opposition.«

Das sind die Stöckchen, über die Ministerpräsident Woidke springen soll. Die SPD zeigte sich im Grundsatz bereit dazu. »Wenn es darum geht, auf mehr diplomatische Initiativen zur Beendigung des Ukraine-Krieges hinzuwirken, halte ich einen Kompromiss für möglich«, erklärte SPD-Fraktionschef Daniel Keller. »Wir werden uns auch weiteren sicherheitspolitischen Diskussionen nicht versperren.« Klar müsse aber sein, »dass die zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen der Bundesrepublik nicht in Brandenburg entschieden werden«, schränkte Keller ein.

Derweil sorgte für Stirnrunzeln, dass sich das BSW offen für Gespräche mit der AfD zeigte, wenngleich Robert Crumbach eine Koalition mit dieser Partei ausdrücklich ausschloss. Eine solche Koalition wäre auch gar nicht möglich, weil sie keine Mehrheit im Landtag hätte. Aber schon allein die Gesprächsbereitschaft öffne Türen und sei damit gefährlich, beschwerte sich Laura Jasmin Iden, Landesvorsitzende der in Brandenburg allerdings völlig bedeutungslosen FDP-Jugend.

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