DFB-Team in der Nations League: »Die halbe Mannschaft ist weg«

Die Nationalmannschaft muss viele Ausfälle kompensieren, ein Rückkehrer will die Chance nutzen

  • Frank Hellmann, Herzogenaurach
  • Lesedauer: 4 Min.
Einer von nur drei Bayern-Spielern im DFB-Kader: Rückkehrer Serge Gnabry
Einer von nur drei Bayern-Spielern im DFB-Kader: Rückkehrer Serge Gnabry

Blau-weißer Himmel, sattgrüner Rasen und ein prächtiger Blick über die fränkische Schweiz: Es herrschten mal wieder perfekte Bedingungen bei der deutschen Nationalmannschaft auf dem Firmengelände des DFB-Ausrüsters Adidas in Herzogenaurach, als die Spieler am Dienstagvormittag auf den gepflegten Trainingsplatz spazierten. Dort erklärte dann Co-Trainer Sandro Wagner lautstark die erste Spielform, bei der sich Kevin Schade und Jamie Leveling an den Flügeln postierten, um alsbald die Bälle mit viel Karacho auf Tim Kleindienst zu flanken. Die Kombination leitete übrigens Jonathan Burkardt ein.

Diese vier Namen hatte vor wenigen Tagen kaum jemand für die anstehenden Aufgaben in der Nations League am Freitagabend in Bosnien und Herzegowina sowie drei Tage später gegen die Niederlande in München auf dem Zettel. »Es ist echt verrückt. Gefühlt ist die halbe Mannschaft weg und sind zehn Neue dabei«, konstatierte Kapitän Joshua Kimmich mit Erstaunen. Nach Marc-André ter Stegen, Jamal Musial, Niclas Füllkrug, Robin Koch und Kai Havertz musste kurzfristig auch noch David Raum passen, weshalb auch Robin Gosens nachträglich noch eine Einladung erhielt.

Neues Verantwortungsgefühl

Bundestrainer Julian Nagelsmann ist zu viel mehr Nachbesetzungen gezwungen als gewünscht, aber nicht mal in Ansätzen wollte Kimmich daraus irgendeinen Verdacht ableiten. Es habe sich schließlich ein »anderes Verantwortungsgefühl« für die Nationalelf entwickelt. Früher habe der eine oder andere eine Länderspielpause als solche begriffen, diesmal »sind die Spieler wirklich verletzt – da schont sich keiner«. Demonstrativ strahlte der 29-Jährige jene Begeisterung fürs DFB-Dress aus, die auch bei den letzten Partien beim 5:0 gegen Ungarn und dem 2:2 gegen die Niederlande zu spüren gewesen war. »Es ist etwas ganz Besonderes, Nationalspieler sein zu dürfen«, sagte der Kapitän. »Ob man 100 Länderspiele hat oder drei, ob man 34 ist oder 19.« Nun sollen sich eben »neue Spieler, die hungrig sind und viel Energie mitbringen«, zeigen, gleichwohl werde vielleicht im Oktober nicht mehr alles so glatt laufen wie im September: »Es ist schwierig, das aufzufangen. Denn es ist nicht so, dass wir den Kern der Mannschaft schon seit fünf Jahren haben«, merkte der Anführer an.

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Auffällig ist auch, wie Kimmichs Arbeitgeber FC Bayern die Rolle als wichtigster Zulieferer eingebüßt hat. Früher fuhr die Münchner Abordnung im Kleinbus vor, heute reicht ein Kleinwagen. Neben Aleksandar Pavlovic ist immerhin noch Serge Gnabry dabei, Kimmichs guter Kumpel, der bei dessen Hochzeit sogar den Trauzeugen gab. Und wie es sich für gute Freunde gehört, erschienen dann beide gemeinsam in der Mixed Zone, wobei Gnabry zu vielen Themen gar nichts sagen konnte oder wollte. Wer bei einer fast einjährigen Auszeit wegen Verletzungsproblemen und Formschwäche fehlt, hat einiges versäumt. Insbesondere die verpasste Heim-EM hat den nicht immer bestens beleumundeten Dribbler getroffen. »Es war extrem bitter, da außen vor zu sein.«

Selbstbewusster Topscorer

Dabei hatte der Offensivmann dank seiner Dynamik, Schnelligkeit und Torgefährlichkeit mal eine Phase, in der Ex-Bundestrainer Joachim Löw konstatierte: »Serge spielt bei mir immer!« Fünf Jahre ist das her. Mittlerweile ist der 29-Jährige heilfroh über die Rückkehr unter Nagelsmann, der ihn bereits in Hoffenheim trainiert hatte. »Ich will zeigen, dass ich gut in Form bin. Ich bringe ein gesundes Selbstbewusstsein mit.« Ganz nebenbei ist er ja mit seinen 22 Toren in 45 Länderspielen auch der Topscorer im Kader. Beim 3:3 im letzten Spiel der Bayern in Frankfurt stachen zwar andere Protagonisten hervor, Gnabry fiel mit vielen Vollsprints gegen den Ball positiv auf.

Vielleicht ahnt da einer, dass er mit Blickrichtung auf die WM 2026 Vollgas geben muss, will er noch einen Fußabdruck auf einer solchen Bühne hinterlassen. Wenn er auf seine vor acht Jahren mit einem Dreierpack gegen San Marino begonnene Nationalmannschaftskarriere blicke, falle ihm natürlich auf, »leider titellos« zu sein, »und das ist das, was trotz aller persönlichen Leistungen am meisten zählt.«

Nagelsmann will es nochmal mit Gnabry »nach einem sehr schweren Jahr« versuchen, weil dieser nicht zuletzt mit dem Champions-League-Triumph 2020 bewiesen hat, dass er auf internationalem Topniveau reüssieren kann, wenn er sein Vermögen abruft. Deshalb ist auch Kimmich beim Comeback seines engen Vertrauten überaus zuversichtlich: »Serge macht zwei, drei Dinger rein und wir gewinnen.« Das wäre der allerbeste Rahmen bei einer Rückkehr.

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