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Greenpeace-Bericht: Deutschlands Asphalt-Lobby lebt

Für den Neubau von Autobahnen spricht eigentlich nichts mehr. Warum sind trotzdem noch viele Projekte geplant?

  • Joachim Wille
  • Lesedauer: 4 Min.
Einbau der Asphaltschichten an der neu gebauten Trasse der Ostseeautobahn A20
Einbau der Asphaltschichten an der neu gebauten Trasse der Ostseeautobahn A20

Deutschlands Fernstraßennetz ist eines der dichtesten in Europa – mit rund 13 000 Kilometern Autobahnen und 38 000 Kilometern Bundesstraßen. Trotzdem sollen 6000 Kilometer Fernstraßen neu gebaut werden und 4000 Kilometer Strecke zusätzliche Fahrspuren bekommen – während gleichzeitig das Bestandsnetz wegen fehlender Mittel zunehmend sanierungsbedürftig ist. Als eine Hauptursache für diesen Widerspruch sieht die Umweltorganisation Greenpeace den in Jahrzehnten gewachsenen Lobbydruck der Bauindustrie und anderer Akteure, die vom Neu- und Ausbau profitierten. Laut einem gerade erschienenen Report reicht das Interessengeflecht von den Baukonzernen über die Straßenbauverwaltungen und Autohersteller bis hin zu den Hochschulen. Es geht um gewaltige Umsätze, aber auch um Arbeitsplätze und politischen Einfluss.

Für die Erweiterung des Netzes sind laut Greenpeace in den letzten Bundesetats jeweils 2,5 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben worden. Wollte man alle geplanten Projekte bis 2035 realisieren, müssten die jährlichen Mittel auf rund zehn Milliarden Euro steigen, künftige Kostensteigerungen nicht eingerechnet.

Besonders einflussreich sind große Unternehmen und Verbände. Zwei Drittel aller im Lobbyregister des Bundestages erfassten Akteure im Bereich Verkehrsinfrastruktur sind danach Konzerne und andere Firmen sowie Wirtschaftsverbände. Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass einige wenige Baukonzerne die größten Profiteure des Straßenbaus seien. In den letzten vier Jahren erhielten danach fünf große, darunter Hochtief, Strabag und Max Bögl, Aufträge für Erhalt, Neu- und Ausbau von Autobahnen, deren Gesamtwert nach Schätzungen mehre Milliarden Euro beträgt und höher liegt als der aller anderen Auftragnehmer zusammen. Die Vergabepraxis ist dem Bericht zufolge in großen Teilen intransparent.

Greenpeace wirft dieser »gut organisierten Lobby« vor, einen unzeitgemäßen Ausbau der Straßen-Infrastruktur voranzutreiben. Das schade nicht nur dem Klimaschutz, sondern durch zunehmende Bodenversiegelung und Zerschneidung der Landschaft auch der Biodiversität. »Die deutsche Straßenbaumaschinerie betoniert unaufhaltsam und ignoriert dabei nicht nur Umweltbedenken, sondern erschwert auch eine nachhaltige Verkehrswende«, sagt Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. Es sei dringend erforderlich, dass sich die Infrastrukturplanung künftig an klima- und sozialpolitischen Zielen orientiert und nicht an den Gewinninteressen von einigen wenigen.

Greenpeace fordert, Mittel, die für den Ausbau der Fernstraßen geplant sind, in die Sanierung des bestehenden Netzes und Alternativen wie die Bahn zu stecken. Donat: »Eine funktionierende Bahn und Straßen ohne Schlaglöcher bringen den Menschen mehr als immer weitere Betonschneisen durch die Landschaft.«

Die Ausbaupläne für die Fernstraßen bis 20230 sind im Bundesverkehrswegeplan festgelegt, der 2016 unter der Merkel-GroKo verabschiedet wurde. Sie basieren auf Verkehrsprognosen, die als überholt gelten. Spätestens die Corona-Epidemie hat das Verkehrsverhalten durch mehr Homeoffice verändert. So waren nach einer Analyse des Berliner Thinktanks Agora Verkehrswende 2023 auf den Autobahnen sieben Prozent weniger Pkw unterwegs als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019.

Der Kasseler Verkehrsprofessor Helmut Holzapfel kritisiert im Greenpeace-Report, in kaum einem anderen Land werde das Fahren über lange Distanzen so gefördert wie in Deutschland – etwa durch die Kilometerpauschale, das Dienstwagenprivileg und die kostenfreie Nutzung fast aller Fernstraßen. Dagegen gebe es in 16 Ländern Europas eine streckenbezogene Autobahnmaut. »Das wachsende Autobahnnetz bei uns und dessen hohe Attraktivität hängt also auch mit einer massiven Subventionierung großer Entfernungen mit dem Automobil zusammen.«

Eine problematische Rolle spielt laut Holzapfel die »Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen«, deren Methodik die Prognosen stark beeinflusse. Diese arbeite bis heute ohne Einbeziehung von Umweltfachleuten und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Bisher sei es nicht möglich gewesen, das Gremium von der Notwendigkeit einer Neubewertung des Straßenbaus unter Berücksichtigung von Klima- und Biodiversitäts-Schäden zu bewegen.

Bundesverkehrsminister Wissing hält an den Ausbauplänen trotz der Finanzknappheit im Bundesetat grundsätzlich fest. Darunter auch an sehr umstrittenen Projekten wie dem Weiterbau der A20 in Norddeutschland, wobei für Ökologie und Klimaschutz wichtige Moorgebiete durchquert werden sollen, oder dem dem Ausbau der A5 bei Frankfurt am Main auf zehn Spuren, womit die erste Autobahn dieser Dimension in Deutschland entstehen würde.

Das sieht mittlerweile selbst der Autoclub ADAC anders: Man lehne »einen sofortigen zehnstreifigen Ausbau der A5 ab«, teilte der ADAC Hessen-Thüringen mit. Gründe: Die prognostizierten Verkehrsmengen für 2025 würden voraussichtlich deutlich unterschritten. Zudem seien »die enorm hohen technischen, finanziellen und personellen Aufwände bei gleichzeitig begrenzten planerischen und baulichen Kapazitäten nicht gerechtfertigt«.

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