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Sergej Barbarez mit »großen Gefühlen« im Spiel gegen das DFB-Team
Der 53-Jährige gibt In der Nations League sein Heimdebüt in Bosnien-Herzegowina gegen die Mannschaft seiner Wahlheimat
Es ist acht Jahre her, dass Sergej Barbarez den Kahlschlag wagte. Der ehemalige Fußballprofi ließ sich damals im Urlaub auf Ibiza eine Glatze schneiden. Als stürmende Legende des Hamburger SV ist noch das blondierte Haupthaar in Erinnerung. Am Freitagabend rückt nun der markante Schädel beim Nations-League-Spiel zwischen seinem Team aus Bosnien-Herzegowina und Deutschland ins Rampenlicht. Der Nationaltrainer bildet für dieses Duell die leibhaftige Klammer. »In mir sind ganz große Gefühle! Es ist mein Heim-Debüt als Nationaltrainer – gegen meine zweite Heimat«, sagte der 53-Jährige dem »Kicker«.
Vom Spielort, der früheren Bergarbeiterstadt Zenica, liegt seine Heimatstadt Mostar rund 150 Kilometer entfernt. Als im ehemaligen Jugoslawien der Krieg ausbrach, hatte ihn sein Vater zum Onkel nach Hannover geschickt. Anfang 1992 absolvierte er ein Probetraining in der zweiten Mannschaft von 96, um irgendwie in neuer Umgebung Fuß zu fassen.
Es sollte ein Glücksfall sein, dass Frank Pagelsdorf in dem technisch hoch veranlagten Kicker vom Balkan etwas entdeckte, was andere nicht sahen. Der Trainer holte ihn erst zu Union Berlin, dann zu Hansa Rostock und später auch zum HSV, wo sich Barbarez zum Torgaranten und Großverdiener aufschwang. Ein Freigeist, der auf dem Rasen häufiger mal die Nerven verlor und abseits des Platzes das Nachtleben der Elbmetropole nicht verachtete, die seit 2000 seinen Lebensmittelpunkt bildet.
Als Barbarez seine aktive Karriere 2008 beendete, wollte ihn der Fußballverband Bosnien-Herzegowinas sofort verpflichten, aber damals wirkten die Querelen um seinen Rücktritt als Kapitän des Natioanlteams 2006 noch nach. Auch in der Folgezeit fanden beide Seiten nie zusammen.
»Jetzt ist die Mannschaft weit unten und das Vertrauen da, dass ich etwas bewegen kann«, sagt der im April eingestellte Nationalcoach. Die meisten Landsleute verehren ihn, auch wenn das Team unter seiner Regie bislang nur beim torlosen Remis gegen Ungarn gepunktet hat. Die 2:5-Niederlage in der Nations League bei den Niederlanden war genauso vorhersehbar wie die mit 0:3 gegen England und mit 0:1 gegen Italien verlorenen Testspiele.
Als Trainer hat sich Barbarez noch nicht viele Meriten verdient. Mitunter vertrieb er sich die Zeit bei Pokerturnieren, die ihn bis nach Las Vegas führten. Die Aufgabe in seiner Heimat ist weniger schillernd. Zwar spielt Bosnien-Herzegowina in der A-Kategorie der Nations League, rutschte in der Fifa-Weltrangliste aber auf Platz 75 ab.
»In den vergangenen Jahren ging es nur noch bergab. Ein normaler Mensch hätte diese Aufgabe nicht angenommen«, meint er. Der mit einem Vier-Jahres-Vertrag gebundene Hoffnungsträger nennt die EM 2028 als Fernziel. Nur ein einziges Mal – bei der WM 2014 – spielte das Land mit seinen 3,2 Millionen Einwohnern bei einem Turnier mit. Etwas neidisch schaut man auf die Erfolge des Nachbarn Kroatien. Der durchaus patriotische Barbarez (»Liebe und Stolz werden bei uns groß geschrieben«) hat den Job zusammen mit seinem Freund Emir Spahic angetreten, der als Sportdirektor für alle Auswahlteams fungiert.
Der auch noch beim Karlsruher SC als Co-Trainer arbeitende Zlatan Bajramovic hilft als einer seiner Assistenten. Deutschland bildet schließlich einen wichtigen Bezugspunkt für viele Nationalspieler. Der bereits 38-jährige Torjäger Edin Dzeko, der vergangene Saison bei Fenerbahce Istanbul stolze 21 Treffer erzielte, spielt ebenso noch eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt wie der 34-jährige Ermin Bicakcic, der beim Zweitligisten Eintracht Braunschweig einen erfolgreichen Abstiegskampf bestritt. »Beide verkörpern die emotionale Komponente auf unglaubliche Weise«, sagt Barbarez, der zudem auf die Deutschland-Legionäre Dzenis Burnic vom Karlsruher SC, Kiels Armin Gigovic, den Kölner Denis Huseinbasic, Keeper Nikola Vasilj vom FC St. Pauli und natürlich den Stuttgarter Torgaranten Ermedin Demirovic setzt. Seinem Ensemble will der Trainer nicht zu viel Druck machen. »Wir können uns von Deutschland ganz viel abschauen.«
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